Lockt der Maghreb die Wirtschaft?
Handel
Viel Potenzial im Maghreb
Das 2. Maghrebforum der
Euro-Mediterranean Association (EMA) lotete am Dienstag die gemeinsamen
Potenziale für eine starke Wirtschaftsregion aus. Der Schwung des Arabischen
Frühlings lässt nach und Libyen steht vor einer neuen Zerreißprobe. Dennoch
sind die nordafrikanischen Staaten von Mauretanien bis nach Ägypten für die
Wirtschaft interessant.
Das Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie unterstützt den Frühling mit Transferpartnerschaften
und Transferteams im BMWi. Im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft, natürlich.
Mittlerweile weisen die Staaten ein durchschnittliches Wachstum von drei
Prozent auf, unterstreicht Dr. Rudolf Gridl, Referatsleiter im BMWi. Seitdem
Libyen wieder Öl liefern darf, ist das BIP gegenüber 2011 um außergewöhnliche
104 Prozent nach oben gesprungen.

Das Niveau der Auslandsinvestitionen
ist auf dem Weg zum Niveau vor der Revolution und die EU hat außer mit Libyen
schon Assoziierungsabkommen abgeschlossen. 
Deutschland hat mit Marokko, Algerien und Ägypten gemischte
Wirtschaftskonsultationen aufgebaut, mit Tunesien und Libyen trifft man sich
auf Staatsministerebene.
Bei den Treffen gehe es
nicht nur um Neuinvestitionen, sondern auch um die Bewahrung des Erreichten,
denn, so Dr. Gridl, dass müsse gegen die Kräfte der etablierten Monopole
verteidigt werden.
Maghreb-Union
Deutschland könnte mehr,
forderte Tarak Chérif, Präsident des tunesischen Unternehmensverbandes CONECT.
Im Maghreb leben 100 Millionen Verbraucher und die Wirtschaft wachse mit drei
Prozent. Zudem gibt es viele junge Menschen, aber zu wenig Unternehmen.
Der Maghreb ist heterogen.
Marokko und Tunesien exportieren Fertigwaren jeweils im Wert von zehn
Milliarden Euro, Algerien hat gerade einmal 
die Zwei-Milliarden-Marke überschritten. Doch Marokko und Tunesien haben
durch lange Wirtschaftsbeziehungen strukturelle Vorteile gegenüber den anderen
Maghreb-Ländern.  Umgekehrt bieten sich
aus Sicht Mauretaniens und Algerien neue Wege nach Westafrika und in den
südlichen Teil des Kontinents.
Chérif fordert ein
Erasmus-Programm für den Maghreb. Amerikanische und französische Universitäten
haben bereits Niederlassungen aufgebaut. Sie können auch für Studenten aus
Schwarzafrika genutzt werden, um die Visa-Probleme mit Europa zu umgehen.
Die Unternehmen brauchen
sichere Rahmenbedingungen und Rechtsanwalt Jemal Ould Mohamed von der
Universität Grenoble spricht bereits von der Vision eines einheitlichen
maghrebinischen Wirtschaftsraumes mit einheitlicher Währung.
Bis dahin ist der Weg aber
noch weit. Dr. Stephan Jäger, Anwalt für Wirtschaftsrecht in Nordafrika
verweist zwar auf die guten Investitionschancen in Marokko und Tunesien – aber
Algerien und Libyen gehen einen anderen, restriktiveren Weg.  Unternehmen in Algerien brauchen einen
einheimischen Anteil von 51 Prozent und 30 Prozent bei Handelsfirmen.
Investitionen in die eigene Firma dürfen nicht direkt aus dem Ausland in das
Land fließen und die Unternehmen finden kaum einen Ansprechpartner in den
Ministerien. Außerdem werde mittlerweile jährlich das Finanzrecht neu justiert,
was wiederum Auswirkungen auf das Investitionsrecht hat.
Auch in Libyen dürfen
Ausländer nur einen Teil der Firma besitzen. Waren es früher 65, sind es heute
nur noch 49 Prozent. Im Handelsbereich dürfen keine Ausländer tätig werden und
die Regierung überprüft die Händler, ob sie nicht nur Strohmänner sind. Der
Kampf zwischen den Milizen und der Regierung sorgt für zusätzliche
Unsicherheit.
Dr. Jäger ist
unentschlossen, welcher Weg für die Entwicklung der Länder der richtige ist:
Liberalisierung oder Eigenentwicklung? Dennoch: Es gibt in den Länder viel zu tun
und wer heute Fuß fasst, ist morgen bereits da, lautet das Fazit der
EMA-Unternehmer.
Energiedrehkreuz Mauretanien
Welch neue Blickrichtungen möglich sind, legte Mohamed Ould Bilal, Generaldirektor der mauretanischen Elektrizitätsgesellschaft Somolec dar. Die heute produzierten 220 MW reichen für das Land aus. Problematischer sind Transport und Verteilung der Energie. Auf dem Land haben lediglich fünf Prozent der Menschen Elektrizität, in den Städten sind es 60 Prozent. Mauretanien hat noch riesige Erdgasreserven offshore. Bilal spricht von 30.000 MW für die nächsten 30 Jahre und im südlichen Nouakchott entsteht ein Drehkreuz für Energie, die in den Senegal und nach Mali verkauft werden soll. Neben etlichen Sonnen- und Windkraftwerken entsteht eine 120 MW-KWK-Anlage für die Nachbarländer.
Lesestoff:
Für arabische Frauen in der Wirtschaft wurde vor wenigen Wochen das erste deutsch-arabische Frauennetzwerkforum abgehalten
Roland Krieg