London Gateway
Handel
Obst erste Fracht im London Gateway
Am
07. November machte der Frachter „MOL Caledon“ am Kai des London Gateway fest.
Knapp 5.000 Standardcontainer kann das 64.000 BRT-Schiff tragen und landete die
ersten Container im Regelverkehr mit Obst und Wein aus Südafrika im neuen Hafen
an. Damit wurde nach mehr als zehn Jahren Planung und Bauzeit der Tiefseehafen
an der Themse in Thurrock, rund 30 Kilometer vor London, in den
Linien-Frachtverkehr integriert. Der 1,8 Milliarden teure Hafen der in Dubai
ansässigen „DP World“ liegt zentral zwischen den englischen Zentren London,
Birmingham und Manchester und kann die größten Containerschiffe mit bis zu
18.000 Standardcontainer aufnehmen. Diese Schiffe sind bis zu 400 Meter lang
und übertreffen die „MOL Caledon“ um ein Drittel. Für das britische Überseegeschäft
sollen die Transportkilometer im Binnenmarkt bis zum Überseehafen sinken.
Südafrika-Linie
Mit
dem Auswerfen der Haltetrossen wurde der erste von sechs Anlegern mit insgesamt
24 Kränen in Betrieb genommen. Sind alle Plätze besetzt, wird London Gateway
jährlich 3,5 Millionen Standardcontainer umschlagen. Das sind stündlich 400
Container im Dauerbetrieb.
Die
„MOL Caledon“ ist der Vorbote der MOL-Liner, die zusammen mit Maersk, DAL
(Deutsche Afrika Linie) und Safmarine den South African Europe Container
Service (SAECS) stellen. Die SAECS steht derzeit im Zentrum des London
Gateways. Das Konsortium ist nicht neu und bot die Route zum Kap der Guten
Hoffnung bis Oktober 2013 von den Mittelmeerhäfen Algeciras in Spanien und
Tanger in Marokko an. Hier fuhren sieben Schiffe mit 1.400 bis 1.700 Containern
im 49-Tage Rhythmus, dem so genannten „Med Shuttle“, von und nach Südafrika.
Die Schatten der Riesenfrachter
Genau das ist der Ansatzpunkt für die britische Gewerkschaft der Dockarbeiter „Unite“, die um den Abbau von Arbeitsplätzen in den Häfen von Tilbury und Thamesport fürchtet. So faszinierend die Frachtriesen sind, werfen sie doch im Zuge der Globalisierung einen Schatten auf die Dockarbeiter. DP World hat Gespräche mit „Unite“ abgelehnt. Die Gewerkschaft fürchtet um den Abbau von Sozialstandards bei den Arbeitern im London Gateway. Sie haben daher die „MOL Caledon“ nicht nur in London mit Protesten empfangen, sondern auch in Rotterdam, dem nächsten Hafen auf dem Rückweg nach Durban. Zusammen mit den niederländischen Kollegen haben sie auf die weltweit größer werdenden Häfen aufmerksam gemacht, die bestehende Arbeitsplätze gefährdeten.
Schauerleute
Die
ersten Hafenarbeiter wateten durch die See und trugen die Lasten von Bord ans
Ufer. Aus dem Namen „sjouwerman“ wurden die Schauerleute, die für das Ab- und
Beladen von Schiffen verantwortlich waren. Dabei musste das Schiff immer
ausbalanciert sein. Es kam also nicht nur auf die Muskeln an. Eine angeblich
falsche Stauung von Gerste soll der „Pamir“ in einem Hurrikan 1957 zum
Verhängnis geworden sein.
Heute
fahren Hafenarbeiter an den modernen Terminals hoch technisierte Kräne und sind
verantwortlich für den reibungslosen und termingemäßen Umschlag von Containern
aus dem Bauch eines Schiffes bis auf den Trailer eines Lkw.
Heute
kommen die Containerschiffe auch in einem Liniendienst mit festen Ankunfts- und
Abfahrtszeiten. Noch bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts kamen die
Schiffe aber unregelmäßig. Deshalb war auch die Schauertätigkeit sehr
unregelmäßig. Sowohl für Hafenarbeiter als auch Reedereien mehr als
unbefriedigend und nur wenige Schauerleute waren festangestellt. Erst wenn ein
Schiff in den Hafen lief, wurden neue Hafenarbeiter während der Liegezeit
benötigt.
Schon
zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat dieser Zustand in deutschen Häfen zur
Gründung eines Gesamthafenbetriebes (GHB) geführt. Dieser „virtuelle
Arbeitgeber“ repräsentierte die Hafenfirmen und war für die möglichst
dauerhafte Beschäftigung der Hafenarbeiter verantwortlich. Das „Gesetz über die
Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter (Gesamthafenbetrieb)“
wurde 1950 in der Bundesrepublik auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Ein
ähnliches Modell in Italien scheiterte 1991 an der Unvereinbarkeit mit dem
EU-Recht, weil die italienische Variante wie ein Monopol wirkte. Die 2010 von
ver.di abgespaltene Gewerkschaft für Hafenarbeiter Contterm hat im Frühjahr
2013 bei der Neuorganisation in Genua geholfen. Das ist einer der größten
Containerterminals in Europa. Die Firmen sollen einen Finanzpool für
ertragsschwache Zeiten bilden, was am Ende wie Lohngarantien wirke, teilte ein
Sprecher Herd-und-Hof.de mit.
Noch
nicht alle deutschen Häfen haben einen GHB. Ver.di hat für Wilhelmshaven schon
auf der 7. Nationalen Maritimen Konferenz im Jahr 2011 die Gründung als
„zwingend“ für den Schutz vor Tagelöhnermodellen angesehen.
Auch ver.di in Sorge
Die
Containerschiffe werden auch deshalb immer größer, weil der Welthandel zunimmt.
Allen Wünschen nach regionalen Produkten zum Trotz. Europa ist einer der
weltweit größten Exporteure und Importeure für Agrargüter. Täglich laufen
Frachter mit Eiweißfuttermitteln, Container mit Obst und Kühlcontainer mit
Rindfleisch einen der vielen Häfen an. Die europäische Hafenpolitik steht vor
einer Neuausrichtung, betonte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle
auf der „8. Nationalen Maritimen Konferenz“ diesen April in Kiel. „PortPackage“
heißt das Zauberwort, das Beschäftigung, gute Arbeit und Ausbildung in allen
Häfen sichern soll. Für die deutschen Seehäfen ist das Vorrausetzung im
Wettbewerb mit anderen Hafenstädten. „Die Konkurrenz schläft nicht“, sagte sie
und hatte auch die Verzögerungen bei der Fahrrinnenanpassung der Elbe im Sinn.
Für die größten Schiffe. Mehr als 2.000 Hafenarbeiter hatten im Herbst 2012
gegen eine erneute Verzögerung gestreikt. Die „seewärtigen Zufahrtswege“ gelten
ebenfalls als Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit [1]. Bis
dahin hat der neue JadeWeserPort in Wilhelmshaven mit 2,7 Millionen Containern
im Jahr die Nase vorn.
Zumindest
auf dem Lohnzettel haben die Hafenarbeiter in Deutschland Erfolg. Im Juni
dieses Jahres bekamen sie eine Lohnerhöhung von 3,2 Prozent und erhalten am 01.
Juni 2014 eine zweite Erhöhung um nochmals 2,8 Prozent.
Das
scheint nicht selbstverständlich. Ver.di fürchtet eine europäische
Deregulierung von Hafendiensten. Ein Ausschreibungszwang hebele Qualität und
Sicherheit von Arbeitsplätzen aus, schrieb Klaus Lindner,
Bundesfachgruppenleiter Häfen bei ver.di, schon im November 2011.
Gateway Campaign
Und jetzt kommt noch London Gateway hinzu. Jane Jeffrey leitet die
„Gateway Campaign“ der britischen Unite und hält Kontakt zu
Gewerkschaftskollegen vom Festland. Mehr als 30 Gewerkschaftsvertreter kamen in
diesem Monat in London zu einem Treffen zusammen. Die Fachabteilung Verkehr bei
ver.di hält Kontakt zu den britischen Kollegen über die Europäische
Transportarbeiter-Föderation „ETF“. So wie die „MOL Caledon“ für Simon Moore,
Geschäftsführer des London Gateway, ein Meilenstein in der Hafenpolitik von DP
World sei, sorgen sich die Gewerkschafter, dass die Ankunft des Schiffes die
Zeiger eher nach unten richtet.
Im
engeren Sinne geht es „Unite“ um eine Anerkennung der Gewerkschaftsarbeit. Die
englischen Gesamthafenbetriebe sind in der Ära Thatcher geschliffen worden.DP
World hingegen bevorzugt so genannte „Gateway-Mitarbeiter-Teams“ (GET), sagte
Klaus Lindner zu Herd-und-Hof.de. Die Gründung von „gelben Gewerkschaften“ sei
das klassische Vorgehen, um einen Betrieb gewerkschaftsfrei zu halten. Dagegen
hat sich ver.di in einer Protestnote an Simon Moore, die in deutscher
Übersetzung Herd-und-Hof.de vorliegt, mit den britischen Kollegen
solidarisiert: „Wir haben den Eindruck, dass es DP World darum geht, einen
gewerkschaftsfreien Hafen mit Dumpinglöhnen und Dumpingpreisen zu installieren.
Das trifft auf den Widerstand aller Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeiter“. DP
World solle keine weitere Eskalationen vorantreiben.
Im
weiteren Sinne hat DP World eine neue Hafenära ausgerufen. Bremerhaven oder
Hamburg haben in den letzten Dekaden mitwachsen können und erzielen über die
Hafengesellschaften auch Gewinne für die Stadtsäckel. DP World hingegen hat
einen Container-Terminal auf die „Grüne Wiese“ gestellt, erklärte Lindner. Das
Privatinvestment will eine Rendite erzielen und bietet große Verladekapazität
zu einem Drittel geringeren Arbeitskosten an. Weniger quantitativ hatte es
Simon Moore auch bei der Ankunft der „MOL Caledon“ formuliert: „reduced supply
chain costs“ als Ziel für den Hafenbau. Was „Unite“ für die anderen englischen
Häfen fürchtet, könnte auch auf die Arbeitskosten in Hamburg und Bremerhaven
wirken, warnt Lindner.
Deswegen
wollen die Briten nicht nur die niederländischen und deutschen Kollegen in ihre
Kampagne einbeziehen. Hafenarbeiter von Peru bis Australien haben bereits gegen
Häfen wie London Gateway demonstriert.
Bislang
haben die Überseeriesen neue Häfen nach sich gezogen, Routen verändert und
Gewerkschaften verhindert. Sie kannibalisieren aber auch ihre kleinen
Schwesterschiffe.
Triple E und der Schatten der Kaskade
Die modernen
Containerschiffe haben die riesigen Öltanker in Größe und Faszination längst
abgelöst. 18.000 Standardcontainer auf 400 Meter Schiffslänge und 58 Meter
Schiffsbreite. Ein Bremsweg, der mehrere Kilometer währt. Die technische
Faszination ist ungebrochen. Die „MOL Caledon“ aus dem Jahr 2005 ist bereits
der Vorvorgänger. Die Urenkel aus den 1970er Jahren konnten gerade einmal 2.500
Standardkisten stapeln.
Verkehrswirtschaftler Martin
Randelhoff bezeichnet in seinem Blog über Mobilität Malcolm McLean als „Vater
des Containertransportes“ [2]. McLean, der in den USA eine kleine Spedition
betrieb, ärgerte sich über das umständliche Verladen einzelner Säcke und Kisten
vom Schiff auf den Lkw. Er packte gleich mehrere Kaffeesäcke in einen neuen
Lkw-Auflieger und hob diesen mit einem Kran auf einen umgebauten Tanker. 1956
verließ die „Ideal X“ mit den ersten 58 Lkw-fähigen Schiffskisten den Hafen von
New Jersey. Aus diesem System heraus entwickelte sich der weltweit einheitliche
Standardcontainer, von dem heute weltweit mehr als acht Millionen Huckepack auf
Bahn, Lkw und Schiff unterwegs sind.
Die Schiffe werden dabei
immer größer. Die Maersk McKinney Möller brachte als Triple E – Schiff in
diesem Sommer die ersten 18.000 Container aus Asien nach Bremerhaven. Die drei „E“ stehen für
„energy efficiency“, „environmentally
improved“ und „economy of scale“. Wärmeaustauscher
an den Schiffsdieseln nutzen die Abgaswärme
für die eigene Stromerzeugung. Das Volumen an Containern verringert die
Frachtkosten.Die dänische Reederei Maersk
verfolgt damit auch eine eigene Kaskadenpolitik. Morten Engelstoft, Chefmanager
des operativen Geschäftes, schätzt, dass der Markt für Container im Jahr 2013
insgesamt nur um 1,5 Prozent wachsen wird. Dass trotzdem neue und große
Containerschiffe gebaut werden, folgt aus der Logik des dänischen
Kaskadenprinzips. Die Reederei hat das in einem eigenen Film vorgestellt: Neue
und hocheffiziente Schiffe an der Spitze verdrängen ältere Schiffe in die
zweite Frachtlinie und noch ältere noch weiter nach unten. Ineffiziente eigene
Schiffe werden recycelt. Fuhren die Schiffe der dritten Ebene unter Charter
oder waren geleast, werden zur Aufrechterhaltung der Gesamtkapazität die
Verträge nicht mehr verlängert.
Diese Kaskade mussten in
diesem Sommer drei Maersk-Besatzungen vor Wangerooge am eigenen Leib erfahren.
Sie waren auf Schiffen unterwegs, für die ein marokkanischer Reeder einen
Chartervertrag mit Maersk abgeschlossen hatte. Im Juli lief der Vertrag aus, er
warf vor Wangerooge Anker und verschwand. Die Charter war nicht mehr verlängert
worden. Keine Aufträge mehr. Über einen Monat harrten die Mannschaften aus,
bevor sie, auch von der dänischen Reederei Maersk, versorgt und in den Hafen
geschleppt wurden. Während der ungewollten Reede vor der Wesereinfahrt steuerte
die Maersk McKinney Möller erstmals Bremerhaven an. Vielleicht sogar in
Sichtweite kreuzte das größte Containerschiff der Welt von der A-Ebene den
Ankerplatz der Nicht-Mehr C-Ebene.
Lesestoff:
ver.di: Häfen, Schiffe und weiterer Verkehr: http://verkehr.verdi.de/
[1] Dokumentationen der „Nationalen Maritimen Konferenzen“ beim Bundeswirtschaftsministerium: http://www.bmwi.de -> Mediathek -> Publikationen
[2] www.zukunft-mobilitaet.net
Antwerpen – Duisburg: Bahn verbindet Binnen- mit Überseehafen
1,3 ha Fruchtlagerhaus in Antwerpen eröffnet
Roland Krieg