„Long live the Planet“
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Gipfelziele 2015 erreicht
Ob alle Länder in großen Konferenzen mit allen verschiedenen Zielen einen ambitionierten Vertrag abschließen können, stand Ende 2014 noch in den Sternen. Vor allem das Debakel der Klimakonferenz in Kopenhagen hat erhebliche Zweifel an solchen Veranstaltungen genährt. Und ausgerechnet 2015 mussten drei Gipfel erklommen werden: Der Finanzierungsgipfel in Addis Abeba für die Entwicklungshilfe, der Gipfel in New York für die Agenda 2030 und schließlich der Klimagipfel in Paris. Der eine bedingt den anderen, nur zusammen bleiben sie bestehen.
Schon alleine daher ist die Freude über den Klimavertrag in Paris groß, der in der Verlängerung abgeschlossen wurde. Dafür ambitionierter als gedacht. Auf einmal stehen 1,5 Grad als Begrenzung der Erderwärmung im Raum, was als Meisterstück der Diplomatie gefeiert wird. Frankreich hatte vor dem offiziellen Ende doch noch einen neuen Vertragstext vorgestellt und in Arbeitsgruppen bis Samstagabend eine Einigung erzielt. Die nationalen Klimaziele, die von den meisten Staaten eingereicht wurden, reichen jedoch nur bis zu einer Begrenzung auf 2,7 Grad Celsius aus. Dafür ist doch noch ein Kontrollmechanismus eingearbeitet worden, der ab 2023 alle fünf Jahre die fortschrittsbezogen die Ziele ändern will.
Die „Dekarbonisierung“ ist an den Ölländern und am Kohleland Indien gescheitert, doch taugt das Ergebnis für eine Beschleunigung der Energiewende. Das Ende der Pariser Konferenz ist eigentlich erst der Anfang der eigentlichen Arbeit. Doch die neue Nord-Süd-Achse der westlichen Industrieländern mit Afrika zeigt eine neue Solidarität: „Wir haben verstanden.“ Mehr war natürlich nicht drin – aber ein bisschen mehr haben wir bekommen.
Die Optimisten
Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: „Der Text enthält das notwendige Signal für den weltweiten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas in den nächsten Jahrzehnten. Außerdem ist es gelungen, ein ernsthaftes - allerdings in der letzten Nacht abgeschwächtes - Solidaritätspaket für die vom Klimawandel betroffenen Staaten vorzulegen.“ Schwächen gebe es bei den Verbindlichkeiten der Finanzzusagen. Bals: „Diese Schwächung wurde getrieben von der US-Regierung, vorherige Formulierungen hätten den Republikanern im Kongress ein de-facto Vetorecht bei der Umsetzung des Pariser Abkommens gegeben“.
Der WWF spricht mit Blick auf den Kalender von einer „großen Bescherung in Paris“. Das Abkommen sende auch ein klares Zeichen, dass Waldschutz unerlässlich sei, um die globale Temperaturerwärmung unter der kritischen 1,5 Grad-Schwelle zu halten. Alle Länder sind aufgefordert, sofortige Maßnahmen zum Waldschutz und zum nachhaltigen Landmanagement einzuleiten. Der Landsektor ist die zweitgrößte Emissionsquelle nach dem Energiesektor.
Annalena Baerbock, klimapolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen: „Das Abkommen von Paris ist nicht vollkommen, aber die Richtung ist klar: raus aus den fossilen Energien. Die Ergebnisse des Klimagipfels sind eine wichtige Etappe, aber nicht der Schlusspunkt im globalen Klimaschutz. Seit zwei Jahrzehnten verhandelt die Welt über ein neues Abkommen. Jetzt liegt es vor. Das ist gut. Das Abkommen kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es fünf vor zwölf ist.“
Für Achim Steiner, Direktor der UN-Umweltorganisation UNEP ist das Abkommen historisch. „Das Abkommen ist ein Beleg für das Überwinden von Differenzen und der Zuwendung globaler Herausforderungen durch die Gesellschaften. Wichtig, ist, dass das Abkommen den am meisten verwundbaren Ländern helfen wird.
Für die FAO wird erstmals die Ernährungssicherung in einem globalen Klimatext erwähnt. Für die 800 Millionen Hungernden sei Paris ein Wendepunkt und die Planungen können die Agenda 2030 erfüllen helfen.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: „Das Abkommen überwindet die veraltete Zweiteilung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. „Wir haben in den letzten Tagen gesehen, wie sich eine neue Koalition der Ambitionierten gebildet hat, mit armen und reichen, großen und kleinen Staaten. Darauf werden wir aufbauen in unserem Streben nach ehrgeizigem Klimaschutz und weltweiter Solidarität“, sagte Hendricks. Anstelle der alten Zweiteilung soll eine faire Differenzierung dafür sorgen, dass jeder so viel beiträgt, wie er kann.
Für die CDU/CSU hat der G7-Gipfel in Elmau die Vorarbeit geleistet: „Nun ist die Weltgemeinschaft aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen des Klimaschutz-Abkommens konsequent umzusetzen“, fordert der Klimabeauftragte Andreas Jung. Für Deutschland als Vorreiter im Klimaschutz bedeutet das: Wir müssen sicherstellen, dass das 40-Prozent-Ziel bis 2020 erreicht wird - und dann noch ehrgeiziger voranschreiten. Dazu müssen auch konkrete Pläne für den sukzessiven Ausstieg aus der Kohleverstromung vorgelegt werden. Planbarkeit für die Wirtschaft und ein sozialverträglicher Strukturwandel in den betroffenen Regionen sind für das Gelingen dieses ambitionierten ökologischen Vorhabens entscheidend." Anja Weisgerber, Obfrau im Umweltausschuss des Bundestages: „Mit dem Abkommen bekennen sich die Vertragsstaaten zu dem Ziel, die Erhöhung der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Entscheidendes Instrument dafür ist ein dynamischer Überprüfungsmechanismus. Dieser soll sicherstellen, dass die Vertragsstaaten ihre nationalen Verpflichtungen erfüllen.“
Die Pariser Einigung für ein neues Weltklimaabkommen stellt die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährungssicherung deutlich heraus. „Die Vereinbarung von Paris anerkennt die fundamentale Priorität der Sicherung der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung und weist der Landwirtschaft eine besondere Rolle zu“, bekräftigt der Deutsche Bauernverband (DBV).
Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbarer Energien (BEE): „Mit dem Klimavertrag von Paris wurde die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft endgültig besiegelt. Die Weltstaatengemeinschaft sendet ein starkes Signal auch an Deutschland, die Energiewirtschaft beschleunigt umzubauen, weg von Kohle und Öl. In der Konsequenz sollten die Bundesregierung und die EU die nationalen und europäischen Ausbauziele für Erneuerbare Energien jetzt anheben, um unsere Energieversorgung rasch auf die saubere Basis von 100 Prozent Erneuerbare Energien zu stellen. Im Stromsektor könnten wir bereits 2020 einen Anteil von über 45 Prozent Ökostrom erreichen – und damit fünf Jahre schneller als von der Bundesregierung vorgesehen.“ Die deutschen Unternehmen könnten weltweit ihre Technologieführerschaft in Exporterfolge umsetzen.
Der Niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel hat den Pariser Klimavertrag als „beeindruckenden Welterfolg und globale Neuorientierung gegen den Klimawandel" bezeichnet. Gemessen an den Erfordernissen seien die Vereinbarungen zwar noch nicht ausreichend; gemessen am realistisch Verhandelbaren jedoch könne von einem sehr guten Ergebnis gesprochen werden, sagte Wenzel nach seiner Rückkehr von der Konferenz am Wochenende.
Die Welthungerhilfe ist zufrieden, dass die Staaten 100 Milliarden Dollar pro Jahr hinaus für weitere Hilfe bereitstellen. „Das ist ein guter Anfang. Wir werden allerdings darauf achten, dass diese Zusagen jetzt auch eingehalten und umgesetzt werden“, sagt Michael Kühn, Klimaexperte bei der Welthungerhilfe. Er verweist darauf, dass sich die Staaten verpflichteten, die Hilfszusagen im Jahr 2025 aufzustocken.
Träger des Umweltpreises 2015 Prof. Dr. Johan Rockström, Direktor des Stockholm Resilience Center, bewertet die Verhandlungsergebnisse als „einen großen Schritt nach vorne, der mit wissenschaftlichen Erkenntnissen einhergeht und eine Grundlage dafür bildet, die Welt in die richtige Richtung anzustoßen.“ Gerade weil einige nationale Selbstverpflichtungen im Ergebnis noch eine höhere Erderwärmung als zwei Grad Celsius mit sich brächten, fordert der Konferenzteilnehmer, dass „eine Überprüfung bereits in 2016 stattfinden muss.“
Die Pessimisten
„Das Paris-Abkommen befreit die Welt nicht von ihrer Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas. Es liefert keine angemessenen Antworten auf die Klimakrise. Trotzdem: Nach Paris hat die Welt ein Instrument, das den Klimaschutz stärkt. Positiv ist, dass im Vertrag 1,5 Grad als maximal hinnehmbare Erderwärmung benannt werden. Dafür haben sich viele vom Klimawandel bedrohte Inselstaaten, aber auch die Bundesregierung und der BUND eingesetzt“, sagte BUND-Vorsitzender Prof. Hubert Weiger. Paris rufe nach einem Neustart der Energiewende.
Eine entscheidende Schwächung sieht der NABU darin, dass der Begriff der Dekarbonisierung, den selbst die G7-Staaten in Elmau schon beschlossen hatten, in den letzen Verhandlungsstunden aus dem Vertragstext gefallen ist. Denn damit wäre eindeutig der Pfad für eine weltweite Energiewende für 100 Prozent naturverträgliche erneuerbare Energien eingeschlagen worden. „Die jetzt genannten Begriffe 'Balance zwischen Emissionen und Senken' müssen aber so interpretiert werden, dass sie tatsächlich ein Startsignal für die notwendige naturverträgliche Energiewende sind“, so Präsident Olaf Tschimpke. Weitere Schwachpunkte des Abkommens sind, dass die Emissionen aus internationalem Luft- und Schiffsverkehr nicht einbezogen werden - beides Sektoren in denen starkes Wachstum prognostiziert wird und die bereits heute so viele Emissionen wie in ganz Deutschland erzeugen. Aus Naturschutzsicht besonders bitter ist, dass der rechtsverbindliche Schutz und Erhalt von Ökosystemen nicht mehr im Abkommen zu finden ist.
Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW): „„Es ist erschreckend, dass die Landwirtschaft in Paris nicht mehr als eine Randnotiz war und im Klimavertrag nicht vorkommt. Und das, obwohl sie in drei verschiedenen Rollen eine Schlüsselposition hat. Erstens ist die Landwirtschaft prominentes Opfer der globalen Erwärmung. Wie jetzt in Syrien führt der Klimawandel zu Ernteausfällen und wird so zum Auslöser für Konflikte und Migration. Zweitens ist die Landwirtschaft mit einem Drittel der Treibhausgaserzeugung gleichzeitig Klima-Täter. Und durch das Potential gesunder Böden, Kohlenstoff zu binden, könnte eine klimafreundliche Landwirtschaft drittens auch zur Lösung der Klimakrise beitragen - wenn die Zerstörung fruchtbarer Böden gestoppt und stattdessen Humus aufgebaut wird.“
Träger des Deutschen Umweltpreises 2015 Prof. Dr. Mojib Latif bemängelt, dass seit Rio insgesamt zu wenig für den Klimaschutz erreicht wurde. „Seit der Unterzeichnung der Klimarahmenkonvention 1992 ist es nicht gelungen, ein Abkommen zu finden, dass alle Länder als fair akzeptieren können und uns zugleich der Begrenzung des Klimawandels entscheidend näher bringt.“ Dabei sei das Thema dringlicher denn je zuvor. Seit Beginn der 90er Jahre sei der weltweite Kohlenstoffdioxidausstoß um rund 60 Prozent gestiegen. Nach Meinung des Vorsitzenden des Deutschen Klimakonsortiums ermöglichten einige Aussagen im Abkommen zu viel Spielraum, enthalten zu wenig Konkretes. Zwar hätten alle Delegationen zugestimmt, aber dafür „gibt es nur Selbstverpflichtungen der einzelnen Länder“. Mit diesen Zielen sei die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius nicht zu schaffen.
Mit Paris ist die Vertragsstaatenkonferenz nicht am Ende. COP 22 findet in 12 Monaten in Marokko statt. Dort wird im nächsten Jahr das erstmals im Pariser Vertragstext festgelegte Thema „Verluste und Schäden“ besprochen.
Roland Krieg