Maghreb: „Hafen des Friedens“

Handel

Maghreb-Forum 2011 in Berlin

Kaum eine andere Region macht derzeit eine so große Veränderung durch wie Nordafrika, der Nahe und Mittlere Osten. Innerhalb dieser MENA-Region gibt es die Union der Maghreb-Staaten, zu der sich 1966 die fünf Länder Mauretanien, Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen einst als Zollunion zusammenschlossen. Mit der Jasmin-Revolution in Tunesien begannen in diesem Jahr anhaltende Veränderungen.
Zur richtigen Zeit hielt am Mittwoch die Euro-Mediterranean Association (EMA) ihr Maghreb-Forum ab, um die Chancen und Risiken der Länder und Chancen zu diskutieren.

Potenzial für einen Neuanfang

Für EMA-Präsident Prof. Dr. Horst Siedentopf (Foto) bietet der so genannte Arabische Frühling das Potenzial eines Neuanfangs. Denn seit der Zollunion hat sich innerhalb des Maghreb nicht viel getan. In der Tat gab es auch erst 20 Jahre nach der Zollunion einen ersten Maghreb-Gipfel im Jahr 1989. Der inner-maghrebinische Handel macht nach Klemens Sentner vom Arbeitsstab Transformationspartnerschaften des Auswärtigen Amtes lediglich zwei Prozent des Gesamthandels der Länder aus. Im Vergleich: Deutschlands Agrar- und Ernährungsgewerbe liefert 80 Prozent seiner Exportwaren innerhalb der Europäischen Union. Der Anteil Marokkos an den Importen nach Deutschland mache nur 0,15 Prozent aus.
Es gibt also ein großes Marktpotenzial zu erschließen, dass eine neue Süd-Nord-Kooperation nach sich ziehen könnte. Bei allen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Unterschieden zwischen den Ländern bietet die EMA der Wirtschaft Länderspezifische und überregionale Kooperationen an.
„Mehr Wirtschaft für mehr Entwicklung“ lautet dann auch das Credo des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), erläutert Michael Fiebig. „Ohne wirtschaftliche Entwicklung wird es keine Transformation geben“, betonte er. Der Maghreb ist eine Nachbarregion vor der europäischen Haustür. Der Wandel in den arabischen Ländern wird aus Deutschland mit einem Bildungs-, Demokratisierungs- und Wirtschaftsfonds unterstützt.

Sicherheit in unruhigen Zeiten

Afaf Otman Khamerza vom International Arbitration Center im libyschen Tripolis beruhigte die Wirtschaftsvertreter vor dem Hintergrund der Revolution. Die Wirtschaftsverträge basieren auf Staatsverträgen, die zwar nicht mehr die gleichen sein werden, nachdem mehr Privatisierung zugelassen sein wird – aber die Verträge würden trotzdem weiterlaufen.
Trotz der Bilder in den Nachrichten seien die wirtschaftliche Infrastruktur und die Ansprechpartner noch vorhanden. Alle in Planung befindlichen Projekte würden auch umgesetzt. So gibt es derzeit 81 industrielle, 68 touristische und sechs landwirtschaftliche Projekte. Im Bereich der Landwirtschaft geht es um eine Investitionshöhe von neun Millionen US-Dollar. Vor kurzem sei zwar ein deutsch-lybisches Wirtschaftsforum ohne Ergebnis zu Ende gegangen, doch Khamerza versprach: „Im neuen Libyen wird alles anders“.

Verfassung und Wirtschaft

Dr. Stephan Jäger, aus der Anwaltskanzlei Amereller in München fasst die Geschehnisse der letzten Monate zusammen. Bislang geschehen die Veränderungen auf Verfassungsebene. Die Wirtschaftsordnung ist nicht betroffen. Wohin die wirtschaftliche Reise geht, könne der Fachberater für Wirtschaftsunternehmen allerdings auch nicht sagen. Treibende Kräfte sind Islamisierung und Demokratisierung, Protektionsmus und Handelsliberalisierung. Nach Dr. Jäger müsse auch die Islamisierung kein „Schreckgespenst“ sein. Das islamische Wirtschaftsrecht besteht aus fairen Regelungen.
Derzeit sind die Möglichkeiten ausländischer Beteiligungen sehr unterschiedlich. Während Marokko ausländische Investitionen mit einheimischen gleichstellt, ist Algerien sehr restriktiv.
Der Arabische Frühling werde aber ei langwieriger Prozess ein. Bürokratie, Korruption, mangelnde Infrastruktur und nicht qualifizierte Arbeitskräfte sind zu überwinden. Doch folgt er der Unternehmertugend, eher auf die Chancen, denn auf die Risiken zu schauen.

Deutschland und der Maghreb

Deutschland hat ein positives Bild im Maghreb. Abdessamad Filali von der Union der jungen Euro-Maghrebiner (UJEM), dessen Präsident im Europaparlament sitzt, wünscht sich aber mehr Beteiligung. Man habe gelegentlich das Gefühl, dass Deutschland den Maghreb vergesse. Mit dieser Meinung war er nicht alleine auf dem Forum.
Die UJEM tritt für einen pluralistischen und demokratischen Maghreb ei, der den Mittelmeerraum einschließlich Europa zu einer Region des Friedens und des Wohlstands machen möchte. Ohne die Unterstützung Europas werde es nicht gelingen, aus dem Maghreb einen „Hafen des Friedens“ zu machen.

Tunesien

Es scheint, als das die Jasmin-Revolution auch nur in Tunesien hat stattfinden können. Das kleinste Land in der Maghreb-Union hat die jüngste und hochgebildetste Bevölkerung und hat 1861 die erste Verfassung in der Arabischen Welt eingeführt. Das Frauenwalrecht folgte 1957. So ist es kein Wunder, dass Tunesien, das am kommenden Wochenende die ersten freien Wahlen durchführt, sich um die Geschäftsbeziehungen nach Europa bemüht. Zunächst einmal wurde durch die Revolution das wirtschaftliche Rating des Landes herabgesetzt und die Auslandsinvestitionen brachen um ein Viertel im ersten Quartal 2011 ein. 18 Prozent der ausländischen Unternehmen waren von den Streiks betroffen. Aber nur kurz, berichtete Manhel Sebai vom Förderungsamt für Ausländische Investitionen (FIPA). Die Tunesier haben sich die Mühe gemacht und mit den Investoren telefoniert. Sie haben, so Sebai weiter, Hilfe angeboten, neue Ansprechpartner benannt und konkrete Perspektiven aufgezeigt. Mit Erfolg: Ende Februar 2011 hatten die meisten ausländischen Firmen die Arbeit wieder aufgenommen, es waren 13 neue Firmen gegründet worden und Tunesien verzeichnete 64 Betriebserweiterungen.
In der Summe konnte Tunesien gegenüber den beiden Vorjahren im ersten Quartal noch eine Steigerung der Ausfuhren um elf Prozent hinlegen – 71 Prozent davon in die EU.

Kooperationsverträge

In Berlin wurden zwischen der EMA und der UJEM sowie den Industrie- und Handelskammern in Seybouse in Algerien und Casablanca in Marokko Verträge zur gegenseitigen Kooperation unterzeichnet.

Lesestoff:

www.ema-germany.org

www.investintunisia.tn

Aquakultur in Tunesien

Während die FIPA auf dem Maghreb-Forum um Investitionen warb, stellte die Exportagentur CEPEX auf der Anuga ihr neues Potenzial vor

Roland Krieg (Text und Fotos)

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