Markt: Alles grün bei Schweinfleisch
Handel
Globalisierung von Schweinefleisch
>Die Zahl der Menschen mit einem Haushaltseinkommen von mehr als 10.000 US-Dollar steigt weltweit an. Nach Angaben der Weltbank steigt sie alleine in Indien von 2006 bis 2015 von 18 auf 72 Millionen, in China von 76 auf 700 Millionen. Das sind potenzielle Erstkonsumenten für tierische Produkte, zitiert Dr. Schweer den Vorstand der australischen „Meat & Livestock“ – Vereinigung. Der Direktor Landwirtschaft der Vion GmbH zeigte auf der Handlesblattjahrestagung der Agrar- und Ernährungswirtschaft auf, wie unterschiedlich Deutschland und Europa an diesem Boom teilhaben werden.Rindfleisch
Die Rindfleischerzeugung geht seit Abbau der Förderung immer weiter zurück und Deutschland und Europa werden ihre Marktanteile in Russland an Lateinamerika verlieren. Niemand produziert mit etwa 100 US-Dollar je 100 Kilogramm Schlachtgewicht so preiswert wie Argentinien und Brasilien. Produktion und Kosten sind in der EU27 etwa viermal so hoch.
Hinzu kommt, dass etwa die Hälfte des Preises für eingeführtes Rindfleisch aus Zöllen besteht, die nach 2013 wegfallen. Wenn auch nur teilweise – so können die deutschen Rindfleischproduzenten im Wettbewerb nicht mehr mithalten.
Auch der Wegfall der Milchquote werfe ihren Schatten voraus. In Bayern werden 70 Prozent der Bullen in Milchviehbetrieben gemästet und bei Aufgabe der kleinen Betriebe verringert sich Zahl der Tiere um etwa 100.000. In gleicher Höhe wird sich auch die Zahl der Zweinutzungsrinder verringern, da wegen des züchterische Fortschritt weniger Milchkühe gebraucht werden. Ohne zusätzliche Strukturmaßnahmen werde der Rindfleischbereich nicht überleben können.
Die einzige Chance sind regionale und nationale Qualitätsprogramme. Im europäischen Wettbewerb müssen sich die deutschen Rindfleischproduzenten an die französischen Wettbewerber orientieren: „Im globalen Markt“, so Dr. Schweer, „spielen Deutschaland und Europa keine Rolle mehr.“
Schweinefleisch
Ganz anders sieht es auf dem Schweinefleischmarkt aus. Zwischen 1998 und 2008 sind die Schlachtungen um ein Drittel angestiegen und im ersten Quartal 2009 gab es mit 12,1 Millionen Schlachtungen wieder ein Plus von 5,2 Prozent. Ein wichtiger Grund sind die Ferkel- und Schlachtschweinimporte aus den Niederlanden und Dänemark. 11,8 Millionen Schweine kamen aus den Nachbarländern, was das Angebot hier deutlich über den Verbrauch gepuscht hat. Die eigenen Schlachtungen überstiegen den Verbrauch bereits um 720.000 Tonen. Jetzt kommen noch 1,25 Millionen Tonnen Importe hinzu, was verarbeitet wieder ausgeführt wird. Damit hat Deutschland das traditionelle Schweineexportland Dänemark in Europa vom Platz eins verdrängt. Zum einen haben die Niederländer keinen Platz mehr, neue Mastanlagen aufzubauen, weil für die Gülle keine Flächen mehr frei sind – zum anderen haben sich die deutschen Schlachthöfe durch ihre Größe erhebliche Kostenvorteile durch hohe Mengenvolumen erarbeitet.
Restlos verwertet und verkauft
Hier bedingen sich auf dem Schweinefleischmarkt zwei Dinge gegenseitig, die für Unternehmen zukunftsträchtig sind. Gerade die großen Schlachthöfe sind in der Lage, nahezu 100 Prozent des Schweins zu verwerten und haben ausreichend Selektionsmöglichkeiten die geforderten Qualitäten der Auslandsmärkte zu bedienen. So sind beispielsweise Pfoten, Ohren und Schwänze in China hochwertige Waren. Aus Hannover gehen wöchentlich 250 Tonnen davon nach China, so Dr. Schweer. Fette Bäuche gehen nach England und Osteuropa, die leichten Nacken bleiben im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Und weil sich vor allem Russland und Asien als Nachfragemarkt entwickeln und Deutschland über hohe Schweineimporte die Produkte spezialisiert zur Verfügung stellen kann, sind die Aussichten für den Schweinefleischmarkt sehr gut.
Um den derzeitigen Vorteil allerdings zu halten, müssen beispielsweise die Ferkelproduzenten noch die Aufzuchtslücke von drei Ferkel gegenüber Dänemark und den Niederlanden schließen. Neue Zuchtziele sollen die Futterverwertung erhöhen und den Fleischanteil im Schlachtkörper reduzieren.
Es gibt aber auch politische Herausforderungen. Umwelt, Tierschutz, Salmonellenüberwachung, Raumplanung und Güllequote schlagen mit rund 6 bis 10 Cent je Kilo Schlachtgewicht zur Buche. Neue Auflagen werden vor allem in Deutschland und Dänemark die Kosten auf 15 Cent erhöhen und den Kostenvorteil vor allem nach Spanien und Polen verlagern.
Externe Märkte und Regionalprogramme
Russland reagiert bereits auf das Wort „Schweinegrippe“ sensibel und macht gleich die Grenze für Schweinefleisch zu, hat auf der anderen Seite jedoch angekündet, der WTO beizutreten. Nun wollen sie den Importbedarf bis 2012 durch den verstärkten Aufbau eigener Schweineproduktion ablösen – solche Nachrichten treiben den Vermarktern Schweißperlen auf die Stirn und lassen Auslandsmärkte nicht als die sichersten Verkaufsgebiete erscheinen. Dr. Schweer sieht das gelassener. Die Vorhaben der Eigenproduktion seinen sehr ehrgeizig und Russland werde auch nach Realisierung noch einen „Zuschussbedarf“ haben. Darüber hinaus sieht er den langfristigen Bedarf der Kooperation, weil das Know How weiterhin gesucht werde. Richtig aber sei, dass gerade nicht tarifäre Handelshemmnisse Exportgeschäfte aufwendig gestalten und die Märkte sensibel sind. Daher hätten Verwerfungen direkten Einfluss auf den deutschen Schweinemarkt.
Lesestoff:
4. Handelsblatt Jahrestagung der Agrar- und Ernährungswirtschaft am 09. und 10. Juni:
Keine Alternativen zum globalen Wettbewerb
Französisches Milchpreismodell für Deutschland?
Ernährungswirtschaft und Handel
Technischer Fortschritt, aber wie?
Roland Krieg (Texte und Foto)