Marktchancen für die kleinsten Brauer
Handel
Bier kann durch Regionalität punkten
Im Jahr 2004 hat die deutsche Brauwirtschaft noch 104,5 Millionen Hektoliter Bier verkauft. 2012 waren es nur noch 96,5 Millionen Hektoliter. Der Pro-Kopf-Verbrauch sank im gleichen Zeitraum von durchschnittlich 116 auf 105,5 Liter pro Jahr. In ganz Europa geht der Trend weg vom Alkohol. Alkohol passt immer weniger in das Gesundheitskonzept, der demografische Wandel verkleinert die Zahl der Konsumenten und auch das Konsumverhalten ändert sich. Der Außer-Haus-Verzehr geht zurück. Die Biergärten sind immer stärker vom Sommerwetter abhängig. Großereignisse wie die Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land sorgen nur für kurzfristige Umsatzsteigerungen, erläuterte ein Sprecher des in Berlin ansässigen Deutschen Brauer-Bundes (DBB) gegenüber Herd-und-Hof.de.
Es gibt gegenläufige Trends im Braugeschäft. International verschärft sich der Wettbewerb durch große Fusionen. In Deutschland hingegen lebt die kleine Braukunst. Denn trotz rückläufigen Absatzes nimmt die Zahl der Braustätten zu. Zwischen 2004 und 2012 von 1.281 auf 1.339. Jedes Jahr kommen sieben neue Braustätten hinzu.

Das verdankt die Branche vor allem den Gasthausbrauereien, die sich mit einem eigenen Bier von Wettbewerben unterscheiden können. Das allerdings geht nicht von heute auf morgen. Dafür brauchen die Gastwirte Zeit und Geld. Ein Braumeister muss her, eine Brauanlage, die Zollgenehmigung wegen der Biersteuer, Rohstoffe, Zeit für die Produktentwicklung. Am Ende muss auch das Marketing stimmen. Es gibt kleine Brauereien aus dem Schwarzwald, die es ohne Werbung bis zu einem Trendgetränk in der Hauptstadt Berlin gebracht haben. Die kleinen Brauereien machen aber nur ein Prozent des gesamten Biervolumens aus.
Neuer Markt: Export
Oft gibt es die Biere nur im Umkreis von wenigen Kilometern, spiegeln aber die Vielfalt der deutschen Braukunst wider, die immer öfters im Ausland gefragt ist. Schon bevor die Amerikaner auf dem Oktoberfest gewesen sind, verbinden nach einer aktuellen Umfrage 66 Prozent Deutschland mit dem Produkt „Bier“. Der Top-Wert. Das ist für eine andere noch kleine Nische der Brauwirtschaft wichtig: Dem Export. Diesen Markt entdecken die Brauereien so richtig erst in den letzten Jahren und liefern rund 15 Millionen Hektoliter über die Grenzen.
Rohstoff Braugerste
Bier ist eine der wenigen Produkte, die Regionalität
perfekt verkörpern. Fast jeder kennt das Bier seiner Jugend, das ihn immer
wieder mit der Heimat verbindet. Daher profitieren die kleinen Brauereien auch
vom Konsumtrend der Regionalität. Nur bei der Braugerste müssen die Brauer auf
Überregionales zurückgreifen. Zwischen 1990 und 2010 sank die heimische
Braugerstenfläche von einer Million auf knapp 400.000 Hektar.
Volatile Preise, gegenüber anderen Getreidearten
stärkere Ertrags- und Qualitätsschwankungen sowie notwendiges feinfühligeres
„Fingerspitzengefühl“ beim Anbau haben die Braugerste aus den Fruchtfolgen
verdrängt. Wer die geforderten Qualitäten nicht erfüllen kann, der muss seine
Braugerste für den Futtertrog verkaufen.Dabei hat Braugerste eindeutige Vorteile. Die Thüringer
Landesanstalt für Landwirtschaft zählt auf: Entlastung der von Weizen
dominierten Getreidefruchtfolgen mit phytosanitären und arbeitswirtschaftlichen
Vorteilen, Braugerste gilt als bessere Rapsvorfrucht, bietet unternehmerische
Risikostreuung und ein abwechslungsreicheres Landschaftsbild, bewirkt geringere
Stickstoffüberschüsse als Qualitätsweizen und einen geringerer Einsatz von
Pflanzenschutzmitteln. Braugerste braucht keine Wachstumsregulatoren und
weniger Fungizide. Die Brauer wirken der Unterdeckung des heimischen Braugerstenangebotes
mit Vertragsanbau und Preisgarantien entgegen. In den beiden letzten Jahren
zeigen sich erste Erfolge: Aktuell wurden wieder fast 600.000 Hektar
Sommerbraugerste angebaut.
Das 7-Minuten-Bier
Das ein gutes Bier sieben Minuten braucht ist eine Weisheit
von gestern. Saubere Gläser, ein guter Wirt und moderne Schanktechnik zaubern
dem Besucher heute in zwei Minuten ein frisches Bier mit schöner Blume auf den
Tisch.
Der DBB kümmert sich aber auch um die „großen Themen“.
So wendet er sich gegen die „Fracking“-Technologie, weil die Brauer ihren
Rohstoff Trinkwasser durch die eingesetzten Chemikalien unnötiger Gefahr
ausgesetzt sehen. Die Brauer haben mittlerweile alle eine Ausstiegsklausel in
ihre Lieferverträge eingearbeitet, wenn ein Kunde durch das so genannte
„Flatrate“-Trinken seine Gäste gefährdet. Und ein Arbeitskreis kümmert sich um
eine Pool-Lösung für die Mehrwegflaschen. Die bestehende 0,5 Liter-Flasche ist
zwar noch meist im Gebrauch, aber Brauereien entdecken die Flaschenform
zunehmend als Marketinginstrument. Individualisierte Flaschenformen sind nur
noch beim Hersteller abzugeben oder im Altglas zu entsorgen.
Lesestoff:
Roland Krieg, Fotos: Zapfen: DBB; Gerste: roRo