MarktTreff belebt den ländlichen Raum

Handel

Dem Dorf die Seele wieder geben

In Schleswig-Holstein gibt es den Ortsnamen Brodersby zweimal. Das Brodersby, das sich auf der Internationalen Grünen Woche präsentiert, besteht aus Klein- und Groß-Brodersby, dem Ortsteil Geel, Burg auf der Schleihalbinsel sowie Missunde und Knös. Zwischen den Ortsteilen ist entweder das Wasser der Schlei oder Ackerflur. Rund 600 Menschen leben dort und für die Haupteinnahmequelle im Tourismus stehen 200 Ferienhäuser bereit. Aber selbst das ist kein Garant für ein lebendiges Dorfleben. Länder und Bund suchen nach vielfältigen Lösungen, die Menschen auf den Dörfern zu halten und ihnen eine Perspektive zu geben.

Den Dorfkern beseelt

In Brodersby mussten die Bewohner sechs lange Jahre ohne Kaufmann auskommen. Schleswig ist für die mobile Gesellschaft zwar nur 12 Kilometer entfernt, doch der Tagesablauf innerhalb des Dorfes mit seinen individuellen Wünschen konnte sich nicht mehr entfalten.
Bis Alf Schmidt sich auf die Ausschreibung der Gemeinde erfolgreich für den Aufbau des MarktTreffs beworben hat. Der ehemalige Schlachter führt jetzt in der Mitte des Dorfes den Kaufladen mit Post und Treffpunkt. Mit seinem persönlichem Engagement und Charme hat er das Dorfleben wieder beseelt. Mit 70 Prozent seiner Kunde ist er per Du, sagt er zu Herd-und-Hof.de.
3.000 Produkte führt Schmidt in seinem MarktTreff, davon kommen rund 1.600 aus Schleswig-Holstein und nur 200 aus dem Ausland. Den regionalbezug lebt der Kaufmann aus, indem er von kleinen Erzeugern auch nur geringe und saisonal verfügbare Produkte wie Gemüse und Honig vom Imker nebenan aufnimmt.
Die Kundenbindung hat sich umgekehrt auch zu einer lang vermissten Kaufmannsbindung entwickelt. Alf Schmidt weiß nicht nur, dass der ältere Herr Kartoffeln mag, sondern auch welche Sorte er bevorzugt. Umgekehrt melden sich die Kunden während ihres Urlaubs bei Schmidt ab, damit er den extra für sie geführten Joghurt ebenfalls abbestellen kann.

Klönschnack
Anne Thom von den Landfrauen Kappeln ist froh, dass Alf Schmidt den MarktTreff eingerichtet hat. Im Dorf fehlte es an örtlichen Gelegenheiten zum klönschnacken, wie es im norddeutschen heißt. Der Klönschnack beschreibt das „behagliche Plaudern“ über den Alltag. Jetzt gibt es eine gemütliche Kaffeeecke vor der Post im MarktTreff, wo, so Anne Thom, die Menschen auch Rat bekommen. Drei verschiedene Stammtische haben sich mittlerweile im MarktTreff etabliert und zum Seniorenstammtisch kommt auch längst schon die jüngere Generation.
Hier bündelt sich das wieder belebte Dorfleben, dem vorher Platz und Gelegenheit fehlte, was aus dem Markt-Treff-Leiter mehr als nur einen Beruf macht. Für Alf Schmidt ist es Hobby, Vollzeitbeschäftigung und Philosophie gleichermaßen. Für den Handwerker, der vor Ladenöffnung seinen Kaffee auf dem Weg in die Stadt braucht öffnet Schmidt auch schon mal früher.
Schmidt weiß nicht nur wem gerade die Waschmaschine kaputt gegangen ist, er weiß auch wen er nach einer günstigen Neuen fragen kann.

Erfolgskonzept MarkTreff

Brodersby ist kein Einzelfall. Brodersby ist einer von aktuell 27 MarktTreffs in Schleswig-Holstein. Elf weitere sind in Planung, erklärt Dieter Witasik vom Projektmanagement für das Ministerium. 2002 gab es erst sieben MarktTreffs. Dieter Witasik legt Wert darauf, dass es kein Franchise-Projekt ist. Ohne die Bereitschaft und Einbindung im Dorf kann kein MarktTreff umgesetzt werden. Das von Bund, Land und EU geförderte Projekt wird auch nur dort eingerichtet, wo es keinen anderen Einzelhandel gibt, um keine Marktverzerrungen hervorzurufen. Das Konzept steht auf den drei Säulen. Der Lebensmittelhandel mit Bäckerei oder Fleischerei bildet das Kerngeschäft der Grund- und Nahversorgung. Die zweite Säule bilden Dienstleistungen wie von der Post über einen Internetzugang bis hin zu ärztlichen Leiot8ungen reichen können. Die Dritte Säule ist der Treffpunkt, an dem sich die Dorfbewohner verabreden und austauschen können.
Bis zu 50 MarktTreffs könnten es in Schleswig-Holstein werden, sagt Witasik zu Herd-und-Hof.de. Die Dörfer müssten eine Mindestgröße wie in die von Brodersby haben und dürfen nicht zu groß sein. So bei 2.500 Einwohnern greift das Konzept nicht mehr.
Der Marktplatz für Produkte, Ideen und Informationen stellt der Entseelung des ländlichen Raums ein wirksames Konzept entgegen.

Lesestoff:
Details und ein Handbuch über das Konzept finden sie auf der Internetseite www.markttreff-sh.de
Im Dezember gab es eine Tagung der Bundesgrünen, die deutlichmachte, dass die Entwicklung des ländlichen Raums nicht mehr nur aus Sicht der Agrarwirtschaft gesehen werden darf.

Halle 21b

Roland Krieg (Foto: roRo)

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