Marokko wirbt mit Industrieparks
Handel
Marokko ist nur 40 Kilometer entfernt
In elf Monaten steht Marokko als Partnerland der Internationalen Grünen Woche ganz im Fokus der Ernährungs- und Landwirtschaft. Von Arganöl bis Safran kann das Königreich, das nur 40 Kilometer von Gibraltar entfernt ist, viele Produkte zu Gunsten der Kleinbauern in die EU importieren. Beide Seiten haben im letzten Monat die gegenseitige Anerkennung von Produkten mit geschützten geografischen Angaben unterzeichnet.
Marokko hat noch viel vor
Das Land wird bis 2020 rund 13 Milliarden Euro in die Modernisierung seiner Landwirtschaft stecken. Die Marke „Maroc“ hatte früher einen guten Ruf und kommt wieder vermehrt in die europäischen Regale. Gab es 1977 nur in größeren Gartenbaubetrieben eine moderne Tröpfchenbewässerung, ist sie mittlerweile auf rund 150.000 Hektar angelegt. Mit etwa zehn Millionen Tonnen Obst und Gemüse erntet Marokko doppelt so viel wie Deutschland. Mittlerweile und im Wettbewerb mit den Spaniern, gibt es auch schon frischen Spargel aus Marokko, der in den 1970er Jahren als neue Kultur im Fruchtwechsel eingeführt wurde. Seit 1986 gibt es ökologischen Olivenanbau in der Region Marrakesch.
Doch das Land mit einer großen Atlantik- und Mittelmeerküste prescht auch in anderen Sektoren vor. Omar Zniber, Botschafter des Königreiches Marokko, warb in der letzten Woche in der Berliner Botschaft für sein Land vor dem 5. Deutsch-Marokkanischen Wirtschaftsforum, das in zwei Wochen in Tanger, Rabat und Casablanca stattfinden wird [1].
Für 2015 werden fünf Prozent Wachstum erwartet und das Bruttoinlandsprodukt beträgt 5.450 US-Dollar pro Kopf. In Euro sind es 2013 rund 78,2 Milliarden gewesen, von denen Dienstleistungen mit 50,3 Prozent gut die Hälfte erwirtschaftet hat. Die verarbeitende Industrie kommt auf einen Anteil von 14,1 Prozent, die Landwirtschaft auf 15,2 Prozent. Die Verarbeitung von Nahrungsmitteln deckt vier Prozent des BIP und 20 Prozent des Industriebeitrages ab. In der arabischen Welt und in Afrika ist Marokko der größte Fischverarbeiter.
Botschafter Zniber weiß auch, warum Marokko so erfolgreich ist. Die politischen Reformen haben im Land die Probleme der Nachbarländer überwunden und zu stabilen politischen Verhältnissen und zu Sicherheit geführt.
Seit 2006 wird der Plan d´Emergence umgesetzt. Damit will Marokko international wettbewerbsfähig sein. In vielen Sektoren: Textil, Landwirtschaft, Fischerei und Automobilindustrie. Die vielen Standfüße der Wirtschaft stehen in Industrieparks, die ausländische Investoren anlocken.
„Das Tor zu neuen Möglichkeiten“
Rachid Eddouks von der marokkanischen Agentur für Investitionen und Entwicklung (AMDI) weiß sein Land in das rechte Licht zu rücken. Die Nähe zu Spanien eröffnet der Industrie einen neuen Blickwinkel. In einem Tag lassen Transporte ganz Spanien hinter sich und in drei Tagen erreichen Container Süddeutschland. AMDI hat die Vorteile für ein Unternehmen mit 14 Millionen Euro jährlichen Arbeitskosten bei 400 Mitarbeitern durchgerechnet – falls es sich entschließt, seinen Produktionsstandort in einen marokkanischen Industriepark zu verlegen. In Marokko falle dieser Etatposten um das 3,5-fache auf 3,9 Millionen Euro zurück. Die marokkanische Arbeitsstunde kostet nur ein Drittel dessen, was Unternehmer derzeit in Rumänien bezahlen müssten. Um in die Freihandelszone zu gelangen, müssen 70 Prozent der Produktion exportiert werden.
Die Tanger Free Zone ist an den Hafenkomplex Tanger-Med angebunden und umfasst rund 350 Hektar. Neusiedlern winken Steuerfreiheit während der ersten fünf Jahre und verringerte Zollsätze im Handel mit der EU. So produziert Renault seit 2012 das Modell Dacia in Marooko und plant in diesem Jahr den Ausstoß auf 400.000 Fahrzeuge zu verdoppeln.
Standortvorteil Marokko
Das Land fördert den Export und liegt an der Atlantik- und Mittelmeerküste mitten im Zentrum nach Nord- und Südamerika, Nordeuropa und das südliche Afrika. Von den Häfen nach Fernost ist der Seeweg bis eine Woche kürzer als von den Häfen der europäischen Nordrange Antwerpen bis Hamburg.
Das Königreich hat viel in die Infrastruktur investiert. Auf 2.000 Kilometer Eisenbahn werden bereits 37 Millionen Güter umgeschlagen. Die 38 Häfen kommen auf 60 Millionen Tonnen und schleusen 95 Prozent des Exports nach Übersee. Der Hafen Tanger-Med wird bis 2016 zum größten Tiefwasserhafen Afrikas mit acht Millionen Container Jahreskapazität ausgebaut.
Eine Milliarde Kunden
Im Abschluss von Freihandelsabkommen ist Marokko rekordverdächtig. Neben dem mit den EFTA-Ländern seit 2000, dem Agadir-Abkommen mit Jordanien und Tunesien 2004, den USA seit 2006 und der privilegierten Partnerschaft mit der EU ab 2012 kann Marokko praktisch auf eine Milliarde Kunden verweisen.
Was noch zu tun ist
Marokko nutzte 2010 noch 98 Prozent fossile Energien. Das Land blickt gespannt auf die deutsche Energiewende und will bis 2020 den Anteil erneuerbarer Energien auf 41 Prozent ausdehnen. Sonne und Wind gibt es im Landesinnern und an der Küste genug. Marokko bietet sich auch an, entsprechende Anlagen für das Afrika südlich der Sahara zu bauen. Der Plan Solaire Marocain will zwischen 2015 und 2019 fünf solare Großanlagen mit einer Gesamtkapazität von 2.000 MW bauen. Allerdings ist eine staatliche Unterstützung noch mangelhaft. Im Bereich der Windenergie sind bereits 37 MW installiert. Allerdings sind es meist französische Zementwerke die Windkraft für die Eigenstromversorgung nutzen.
Die Kosten für die Energieimporte sind derzeit auch für das hohe Handelsbilanzdefizit verantwortlich. Die Entwicklung des Landes ist uneinheitlich. Casablanca als Handels- und Dienstleistungszentrum beherbergt etwa 5,6 der 33 Millionen Einwohnern. Bereichert wird die Stadt bald durch die Eröffnung eines German Business Centers. Der Großraum Casablancas generiert rund ein Viertel des BIP. Zudem sind der Exportsektor und die heimische Wirtschaft derzeit lückenhaft verzahnt.
Seit fast einem Jahr gibt es in der Region Sidi Slimane ein Deutsch-Marokkanisches Exzellenzzentrum für Landwirtschaft, das die Ertragssteigerungen, die Ressourceneffizienz und die Ernährungssicherheit als Ziele des „Grünen Plans Marokko“ unterstützen will. In diesem Jahr sollen Ausbildungsmaßnahmen für die Rindfleisch- und Milchproduktion im Vordergrund stehen.
Weil Marokko etwa 60 Prozent seiner Ausfuhren in die EU verkauft, ist die wirtschaftliche Entwicklung des Landes von der Konjunktur in Europa abhängig. Der zweite große Sektor, die Landwirtschaft hängt trotz Entwicklung der Bewässerungstechnik noch oft vom Niederschlag ab. Beides beeinflusst die Wirtschaftsentwicklung. Zudem steht die Textilindustrie des Landes im direkten Wettbewerb mit den asiatischen Ländern.
Das Leben in Marokko ist dank hoher Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie preiswert. Allerdings haben sich die Subventionen bis 2012 deutlich erhöht und die Regierung hat im Folgejahr Schritte für eine Reduzierung eingeleitet.
Marokko ist ein wichtiges Land beim Abbau von Phosphaten. Dieser liegt in der Hand der staatlichen Office Chérifien des Phosphates (OCP), die gegenwärtig ein Investitionsprogramm in Höhe von über zehn Milliarden Euro fährt. Bis 2020 soll die heimische Düngemittelproduktion von 30 auf 55 Millionen Tonnen erhöht werden. Die eigene Verarbeitung soll Wertschöpfung generieren und das OCP sucht nach internationalen Joint Ventures.
Partner Deutschland
Die traditionellen Handelspartner Marokkos sind Frankreich und Spanien. Seit der Finanzkrise schwächeln die Länder allerdings und Deutschland rückt als stabiler Partner verstärkt ins Visier. Doch geht es dabei nicht nur um den Handel. Deutschland hat 2013 Waren im Wert von 1,6 Milliarden Euro aus Marokko bezogen und im Wert von 850 Millionen Euro geliefert. Deutschland ist für Botschafter Omar Zniber auch ein politischer Ansprechpartner. Die Größe der Städte hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt und Marokko selbst ist aufgrund seiner wirtschaftlichen Entwicklung zu einem Einwanderungsland für Menschen aus dem Süden geworden. Beide Länder stehen vor ähnlichen Herausforderungen.
Wohlstand und Investitionen in die Ausbildung von jungen Menschen sind nach Zniber wesentliche Stabilitätsfaktoren gegen eine Radikalisierung der Menschen. Das sieht auch der Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke (CDU) so. Er ist ehrenamtlich im Vorstand der EMA tätig und sieht in Marokko einen wichtigen Partner für Deutschland und der EU. Die Menschen müssten vor Ort gefördert werden, was vor allen den jungen ein Signal für ihre persönliche Zukunft geben kann. Frauenrechte, Föderalismus und eine unabhängige Justiz seien der „Modernisierungsmotor“ des Landes.
Dazu gehört sicherlich auch das Erlebnis Morocco Mall
in Casablanca. 2011 eröffnet finden sich mehr als 600 Boutiquen auf 250.000
Quadratmeter Kaufhausparadies. Hinzu kommen zahlreiche Coffee-Shops und
Restaurants. Traditionell rundet der Souk einen Besuch ab. Der Souk ist das
Wirtschaftszentrum einer arabischen Stadt, geprägt von Einzelhandel und Handwerk.
Lesestoff:
[1] Die Informationsveranstaltung und das Wirtschaftsforum wird vom der Euro-Mediterran-arabischen Länderverein EMA aus Hamburg unterstützt. Mit Beratungen, Vermittlungen und Marktstudien fördert die EMA den Dialog zwischen Europa und der MENA-Region www.ema-germany.org
Roland Krieg; Fotos: roRo (Buchtitel in der marokkanischen Botschaft); Morocco Mall