McPlanet: die Welt vor dem Neustart - Teil II

Handel

Biopiraterie, Lohas und Fleischkonsum

Auf dem diesjährigen Kongress McPlanet gab es eine Vielzahl verschiedener Foren. Herd-und-Hof.de hat einige besucht.

Dicke Geschäfte mit Schlankmachern
Die Suche nach immer neuen Wirkstoffen in Medizin und Ernährung räubert die biologische Vielfalt aus, auf die sie zurückgreifen will. Im letzten Jahr hat der WWF aus Österreich eine Broschüre aufgelegt, die Verbrauchern Gelegenheit gibt, bei Medizinalpflanzen auf die Herkunft zu achten. Es geht aber noch um viel mehr. Es geht um die Nutzungsrechte, so Buchautor Michael Frein („Biopiraterie“) vom Evangelischen Entwicklungsdienst.
Die San in Südafrika haben die geschälte Hoodia Jahrhunderte gegen den Hunger gegessen, wussten nicht, dass es der Wirkstoff P57 ist, der zur Sättigung führt. Die Wirkung ist tradiertes Wissen, von Generation zu Geberation weitergegeben. Das Council of Scientific and Industrial Research in Südafrika ahnte, dass die Wirkung in den Ländern mit Übergewicht ein „Kassenschlager“ werden könnte und die Appetitbremse wurde 1996 durch ein Patent geschützt. Phytopharm in England erwarb die Lizenz, gestand aber ein, dass die San nicht an ihrem Wissen beteiligt sind. Die Lizenz wechselte mehrfach über Pfizer bis nach Unilever den Besitzer und erst durch den EED und einen internationalen Anwalt erhalten die SAN zumindest seit 2003 einen kleinen Teil der Lizenzeinnahmen – nicht aber Anteile aus dem Verkauf den Hoodia-Produkten. Wem gehört die Natur?
McPlanet










Das erste deutsche Patentgesetz schloss Patentanmeldungen auf medizinische Produkte und Lebensmittel aus, damit die Gemeinschaft aller Menschen von allen Ressourcen gleichermaßen Nutzen ziehen können. Der Altruismus wurde seitdem zunehmend privatisiert, wie die aktuelle Auseinandersetzung mit Monsanto und Deutschem Bauernverband über das so genannte Schweinepatent zeigt.
Der Norden, so Michael Frein zu Herd-und-Hof.de, will zuerst die Ressource haben, sie auf Wirkstoffe zu prüfen und dann erst die indigenen Völker an dem Geschäft beteiligen. Der Süden hingegen will vor der ersten Nutzung zunächst um Erlaubnis gefragt und von Beginn an bei der geschäftlichen Umsetzung beteiligt werden.
Seit 1992 laufen die Verhandlungen über die Convention of Biological Diversity (CBD) und die Verhandlungen dauern fort, beklagte Lim Li Lin vom Third World Network aus Malaysia. Sie kennt auch die Ursachen der verschiedenen Ansichten: Während der Norden auf Privateigentum ausgerichtet ist, nutzen die indigenen Völker die Ressourcen im Gemeineigentum. Auch dort muss man die Menschen für ihre Rechte erst sensibilisieren. Internationale Abkommen sind schwer umzusetzen, wenn sie lokal rechtlich verbindlich sein sollen.
Derzeit wird feinsinnig darüber gestritten, wie genetische Ressourcen überhaupt zu definieren sind. Gerade hat das deutsche Gesundheitsministerium durchgesetzt, dass Pathogene bei den Gesprächen ausgeschlossen sind. So hatte beispielsweise Indonesien, das stark unter der Vogelgrippe leidet, Virenstämme zur Untersuchung nach Japan geschickt, und muss derzeit daraus entwickelte Impfpräparate teuer zurückkaufen. Das gleiche Prinzip unfairer Mechanismen.
Lim Li Lin fasst die drei Prinzipien zusammen, um die es bei den Verhandlungen geht: Nutzungsverteilung, Nachhaltigkeit und Bewahrung der Biodiversität. Ein Konzept könnte nach Michael Frein wir folgt aussehen: Das Patentamt als erste Kontrollstelle befragt den Antragsteller nach dem Zertifikat der verwendeten Rohstoffquelle. Darin sind der Herkunftsnachweis, die Nutzungserlaubnis und Patentausschlüsse verzeichnet. Als zweite Kontrollstelle dient die Behörde, die eine Vermarktungszulassung erteilt. Sie kann das Zertifikat ein zweites Mal überprüfen.
Das Forum ist sehr dürftig besucht gewesen. Das Thema spielt bei Verbrauchern offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Die internationalen Verhandlungen sind auch schwer auf den Alltagsgebrauch herunterzubrechen. Doch Lim Li Lin hat für Herd-und-Hof.de auch einen prägnanten Satz parat: „Es geht um Diebstahl! Man braucht vor Ort nur den richtigen Ansprechpartner, der das Thema kennt und eine gerechte Aufteilung des gewonnen wirtschaftlichen Nutzens.“

Alternativer Konsum ist keine Konsumkritik
Die „Lohas“ sind in den Schlagzeilen. Die Menschen, die bei ihrem Konsum Wert auf einen „Lifestyle of Health and Sustainability“ legen und gerade von den Marketingstrategen als „grüne Konsumenten“ beworben werden. Von ihnen stammt auch die Namensgebung, die vom traditionellen Ökokunden mit Jutetasche bis zur vierköpfigen Doppelverdienerfamilie alle Konsumenten umfassen, die irgendwie „grün“ konsumieren. Deshalb sind die Zahlenangaben über die Größe der Lohas-Gruppe mit bis zu 40 Prozent so hoch. Auf der BioFach in Nürnberg wurden die Lohas bereits als „Clash verschiedener Kulturen“ bezeichnet. Auf dem McPlanet-Kongress wurden sie erneut in Frage gestellt. Sabine Lydia Müller, die vormals für das Privatfernsehen das Dschungelcamp gecastet hat und jetzt mit Symbiose Eins* eine grüne Unternehmensberatung führt, will bei ihrem Wandel zur Lohas nicht auf das „gute Gefühl“ verzichten, dass der grüne Konsum bei ihr ausgelöst hat. Hans Hubbertz vom Evangelischen Kirchenkreis Recklinghausen sieht bei den Lohas kein tiefgreifendes Konzept, was er angesichts der Gruppengröße auch nicht erwartet. Marcuses Forderung auf Konsumverzicht aus der Frankfurter Schule will heute niemand mehr, so Hubbertz. Würde morgen ein Flugverbot wirksam, flögen heute noch schnell alle einmal weg. So fehlt es auch Manfred Linz vom Wuppertal Institut, der 1974 die „Eine Welt“-Bewegung begründete, den grünen Konsumenten an politischem Engagement.
Während Sabine Müller darauf setzt, dass die Lohas beim Einkauf überall auf Informationen stoßen und auf langsame Bewusstseinsveränderung setzt, rinnt Linz die Zeit zwischen den Finger davon. In spätestens zwei Jahrzehnten sind die Chancen für eine Minderung der Auswirkungen des Klimawandels verpasst. Ein Schneeballsystem, welches auf der Nachahmung des nachbarlichen Einkaufverhaltens basiert, kommt zu spät. Innerhalb der Zivilgesellschaft müssen sich die Menschen in Gruppen und Verbänden aktiv engagieren, damit ihr grüner Konsum überhaupt noch eine Chance hat.
Nur „grün einkaufen“ reicht nicht und der Kassenzettel aus dem Ökoladen droht zum Ablassbrief der „Sonst-nichts-anderes-Tuer“ zu werden. Wer Ökoerdbeeren im Winter aus Chile kauft, fünf Tüten Bio-Chips und ein Kasten Bio-Bier konsumiert, verhält sich nicht anders, als der konventionelle Konsument. Die Kritik an den Lohas verdeutlicht sich darin, dass ein Teil der Forums-Teilnehmer den Lohas ihren Konsum vorwerfen. „Eine bessere Welt kann man sich nicht kaufen“, so Linz.
Wer sich die Marktverhältnisse im weltweiten Ökomarkt ansieht, der kann angesichts der auf der BioFach vorgestellten Zahlen zu dem Ergebnis kommen, dass die bestehenden Warenströme auch nur grün eingefärbt sind und sich an der Machtverteilung zwischen Nord und Süd nichts ändert.
Lohas verwässern die Notwendigkeit zu einer tiefgreifenden Konsumänderung, so Linz, und seien kein „Neustart“, wie der Kongress sein Motto verstanden haben will.
Hans Hubbertz hat auch noch einen Blick in die Lohas-Seele parat. Die Lohas haben den Staat in sich selbst entdeckt. Lohas sind eine Art „Self-Governance“, die Wägen, Messen und Bewerten, was ansonsten Aufgabe des Staates ist. Die grünen Kunden suchen eine individuelle Ressourcenoptimierung, die der Staat dann auch noch optimal ausnutzen kann. Wenn Gesundheitsministerin Ulla Schmidt „auf den Propagandaknopf die Kinder sind zu dick“ drücke, dann entzünde sie den grünen Konsum für gesundheitliche Lebensmittel. „Die Staatsmoral wird auf die Individuen verlagert“. Hubbertz bezieht sich auf Inkota AusstellungUntersuchungen, die belegen, dass nichts besser den Konsum ankurbelt als der Zusatz „Das ist für einen guten Zweck“. So gesehen sind die Lohas Opfer eines spitzenmäßigen Konsummarketings. Die Diskussionsteilnehmer erkennen zwar die Effekte auf dem Grünen Markt an - global helfen die Lohas aber der Welt, wenn sie, wie Sabine Lydia Müller seit zwei Jahren, auf Bananen verzichten, „weil die von so weit herkommen“.

Wenn Fleisch zur Last wird
Wer zu Beginn der Grillsaison durch die Parks der Hauptstadt streift, kämpft sich auch durch wabernde Grillschwaden. Überall bruzzelt es. Doch die Lust auf Fleisch ist dem Klima längst zur Last geworden, wie der aktuelle kritische Agrarbericht quantitativ ermittelt hat.
Während für Willi Kampmann vom Deutschen Bauernverband ein Stück Fleisch zur ausgewogenen Ernährung gehört, lebt Erasmus Müller von Nandu vegan und verzichtet dabei auch auf die Milch im Kaffee.
In Deutschland erzielt die Fleischwirtschaft rund 60 Prozent der bäuerlichen Einkommen und wäre nicht so einfach aus der Landwirtschaft wegzudenken, so Kampmann. Auch Jochim Otte hatte in Berlin vor drei Jahren aufgezeigt, wie bedeutend die tierische Erzeugung in den Entwicklungsländern ist. In Vietnam erzielt die Geflügelhaltung eine Rendite von bis zu 700 Prozent. Aber auf dem extensiven Niveau der Hinterhof-Haltung. 70 Prozent der Armen halten Nutztiere, so Susanne Gura, Beraterin für internationale Agrarpolitik. Hier stehen die Tiere in kleinbäuerlichen Haltungen und erfüllen neben der Versorgung mit Fleisch, die Aufgaben tierischer Zugkraft, erfüllen eine Sparkassenfunktion und liefern Nährstoffe für den Ackerbau. Bei Geflügel und kleinen Wiederkäuern sind fast alle Tiere noch indigenen Ursprungs, bei Rindern ist der Anteil angepasster Lokalrassen zwischen 50 und 100 Prozent. In der industriellen Großproduktion sieht das anders aus. Ein Drittel aller Schweine kommt weltweit aus der industriellen Haltung, die Hälfte der verkauften Eier, zwei Drittel der Milch und drei Viertel der Masthühnchen.
Die intensive Tierhaltung trägt nach Angaben von Reinhild Bennig, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, zu zwei Drittel an denen aus der Landwirtschaft emittierten Treibhausgasen bei. Allerdings sind die Emissionsberechnungen schwer zu durchschauen. Sind die Emissionen der im Ausland erzeugten Futtermittel drin, sind die Emissionen der Verarbeitungsindustrie drin und zehrt der Verbraucher nicht die eingesparten Treibhausgase beim ökologischen Konsum durch die Anfahrt mit dem Auto zum Supermarkt wieder auf?
Veganer Erasmus Müller nähert sich dem Thema anders. Die Gesellschaft und ihre Individuen durchlaufen eine Entwicklung und können sich freien Willens für oder gegen etwas entscheiden. Tiere sind fühlende Wesen mit Freude und Leid und wollen nicht getötet werden. Wer Tiere tötet, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, der übt eine Herrschaft über andere Lebewesen aus. Die Verminderung der Treibhausgase oder ein gesünderer Wasserhaushalt sind dann noch Nebeneffekte der individuellen Entscheidung. Für Müller ist der durchschnittliche Gebrauch von sieben pflanzlichen für eine tierische Kalorie keine Veredlung, sondern eine Verschwendung von sechs Kalorien.
Doch nicht nur in Europa und Nordamerika steht der Fleischkonsum in der Kritik. Die Schwellenländer holen mit wachsendem Wohlstand auch beim Verzehr von Fleisch auf. Die Chinesen werden demnächst ihren Futterbedarf für den steigenden Fleischkonsum aus dem Ausland einkaufen müssen. Wenn also Brasilien sein Soja, was sie in Europa nicht mehr loswerden, bereits in das Reich der Mitte verkaufen, dann stellt sich die Frage, wer von den Fleischkritikern dort eingreifen will. Eigentlich niemand, so das Podium einhellig
Susanne Gura sagte zu Herd-und-Hof.de, dass die Chinesen sogar schon selbst über eine Verzehrsempfehlung nachdenken, weil zu viel Fleisch nicht notwendig ist. Sie erinnert daran, dass zum Beispiel über Nestlé Schulmilchprogramme initiiert wurden, so dass nicht traditionelle Verzehrsgewohnheiten ungefragt propagiert und übernommen werden. Reinhild Benning denkt an Beschränkungen durch Anbauregelungen. So müsse die Hälfte der Futtermittel auf den eigenen Betrieben erzeugt werden und mehr als zwei Großvieheinheiten je Hektar dürften nicht erlaubt sein. Schließlich müssen die Europäer ihrer Vorbildfunktion gewahr werden und könnten damit die Verringerung des Fleischverzehrs auch in die Schwellenländer exportieren. Für Erasmus Müller steht das Thema noch überhaupt nicht auf der politischen Agenda, weil die Tierproduktion zu den festen Erfolgsgrößen der Entwicklungspolitik dazu gehört. Will Kampmann sieht nahezu keine realistische Einflussmöglichkeit. Wenn irgendwo Standards eingesetzt werden, dann müssten sie international gelten und auch die Kampagnen für eine ausgewogene und gesunde Ernährung sollte weltweit implementiert werden.

Lesestoff:
Details über die Teilnehmer des Kongresses finden Sie auf www.mcplanet.com
Die Ausstellungsfotos stammen von der Wanderausstellung von Inkota. Das ist ein 1971 in Halle an der Saale gegründetes ökumenisches Netzwerk von entwicklungspolitischen Basisgruppen, Kirchengemeinden, Weltläden und einzelengagierten. Die Ausstellung kann gebucht werden bei www.inkota.de

Roland Krieg

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