Mehr Geld für den Agrarsektor gefordert
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Entwicklungshilfe um 75 Prozent gekürzt
Die Geberlände haben nach einer heute erscheinenden Studie von Oxfam die Hilfe für den Agrarsektor in Entwicklungsländern um 75 Prozent auf rund fünf Milliarden US-Dollar gekürzt.
„Investing in poor farmers pays“
„Um Bäuerinnen und Bauern in Entwicklungsländern eine Chance zu geben, dauerhaft für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen, sind aber mindestens 25 Milliarden US-Dollar nötig”, sagt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin von Oxfam. Gefordert sind vor allem die Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten.
Jose Gonzales Condo hält auf knapp 5.000 Höhenmeter eine Alpaka-Herde in Peru und weiß nicht wie er sie ernähren soll. Aissa Tenin Sidibe, Mutter und Baumwollfarmerin in Bougouni in Süd-Mali versucht verzweifelt Düngemittel für ihre Feldfrüchte zu bekommen und arbeitet nebenbei, ihre Familie zu ernähren. Alami Bera baut zusammen mit ihrem Ehemann Weizen und Teff in Äthiopien an und weiß nicht wie sie ihre acht Kinder ernähren sollen. In der Region von Beatrice Masuhu in Simbabwe geht der Niederschlag zurück und sie hat kaum Gelegenheit, Saatgut wie Sorghum oder Hirse zu kaufen. |
Programme zur Förderung der Landwirtschaft in weniger fruchtbaren und abgelegenen Regionen müssen nach Auffassung der Studie vor allem auf agrar-ökologische Anbauverfahren setzen, um Bodenschutz und Bodenfruchtbarkeit nachhaltig zu verbessern. Dabei zahlen sich nach Aussage von Marita Wiggerthale Investitionen in die heimische Lebensmittelproduktion aus. Die Steigerung der einheimischen Grundnahrungsmittelproduktion in Ruanda um ein Prozent habe die Armut mehr reduziert als der gleiche Anstieg des Bruttosozialproduktes, der auf Agrarexporte und Investitionen im nicht-landwirtschaftlichen Bereich fußt. Bauern wie Jose Conzales Condo werden „häufig bei der Förderung vergessen“, so Wiggerthale.
Neue Grüne Revolution?
Unbestritten habe die so genannte „Grüne Revolution“ bei Weizen und Reis in den 1960er und 1970er Jahren zu deutlichen Ertragssprüngen von 51 und 32 Prozent geführt. Die bewässerte Nutzfläche wuchs im gleichen Zeitraum um 82 Prozent. Ohne die „Grüne Revolution“ wäre ein großes Defizit an Lebensmittel entstanden, weil zeitgleich die Weltbevölkerung um das Doppelte anwuchs. Aber, so kritisiert die Studie, die Fortschritte wurden mit einem Verlust der Umwelt und Gesundheit und mit steigender Ungleichheit im ländlichen Raum erkauft. Vernachlässigt wurden auch Verbesserungen im politischen Umfeld wie der Landsicherung, Arbeitssicherheit und Gleichstellung der weiblichen Arbeitskraft.
Da auch die Herstellung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln fossile Energien aufbrauchen, müsse ein Paradigmenwechsel „weg von technologiefixierten Ansätzen“ stattfinden.
Keine Einzelfälle
Die namhaften Einzelfälle geben den Menschen ein Gesicht. Sie könnten aber davon ablenken, dass es Einzelfälle seien. Die folgende Tabelle hingegen zeigt, dass die vergleichsweise wenigen marginalen Regionen einen großen Teil der landwirtschaftlich tätigen Bevölkerung beherbergen.
Bevölkerung und marginales Land (mL) | ||||
|
Mio qkm ML |
mL-Bev. in Mio. |
Anteil an Landbevölkerung |
Anteil |
Afrika südl. der Sahara |
7 (24) |
157 (451) |
45,9 |
54,4 |
Lateinamerika / Karibik |
4 (20) |
57 (164) |
42,5 |
39,6 |
Asien |
7 (21) |
505 (2.161) |
25,3 |
50,2 |
MENA |
2 (9) |
51 (123) |
57,7 |
67,1 |
Gesamt |
20 (74) |
770 (2.899) |
30,0 |
49,8 |
Q: Investing in poor farmers pays; Oxfam, Juni 2009; LF: Landwirtschaftliche Nutzfläche; MENA: Middel East and North Africa (Arabien und Maghreb) |
Als marginales Land definiert Oxfam Regionen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die weniger als 150 Wachstumstage im Jahr haben, also als arid und semiarid gelten. Hinzu kommen Land auf Hochplateaus, in den Bergen und felsiges Tiefland. Die Landbewirtschaftung in diesen Regionen sind meist Dauerkulturen, Wanderfeldbau, Pastoralismus und Regenfeldbau. Oxfam fordert die Geberländer auf, nicht nur mehr Geld in den ländlichen Raum zu investieren, sondern lokal maßgeschneiderte Lösungen zu finden. An die lokalen Regierungen gewandt, sollen diese die Lücke füllen, die das private Investment hinterlässt. Dem Privatsektor sind für Investitionen in marginalen Regionen die Gewinnaussichten zu gering.
Lesestoff:
Die komplette Studie finden Sie hier: www.oxfam.de -> download -> studie_investitionen_landwirtschaft.pdf
roRo