Milchbauern sollen Milch bündeln
Handel
EU-Vorschlag zum Milchmarkt
Als Lehre aus der Milchmarktkrise hat die EU am Donnerstag einen Vorschlag gemacht, künftige Zusammenbrüche des Marktes zu vermeiden. Im Wesentlichen sollen Milcherzeuger mit gemeinschaftlichen Verträgen mit Molkereien eine vergleichbare Marktmacht in die Hand bekommen. Bis 2020 sollen inklusive zwei Zwischenprüfungen die Maßnahmen laufen. In diese Zeit fällt auch das Auslaufen der Milchquote im Jahr 2015.
Stärkung in der Wertschöpfungskette
Die kollektiven Verhandlungen sind mengenmäßig begrenzt
und sollen trotz Stärkung der einzelnen Milchbauern auch den „gesunden
Wettbewerb erhalten“, teilt die Kommission mit.
Die Verträge werden vor der Lieferung aufgesetzt und
legen Preis, Lieferzeitpunkt und Liefermenge sowie die Vertragsdauer fest.
Haben Genossenschaften in ihren Satzungen die gleichen Parameter enthalten,
müssen keine neuen Verträge gemacht werden.
Es dürfen aber nur 3,5 Prozent der gesamten
EU-Milchmenge oder 33 Prozent der nationalen Erzeugung auf diese Weise
gebündelt werden. Mit den beiden Zwischenprüfungen 2014 und 2018 soll es den
Bauern eine „sanfte Landung“ für die Zeit ohne Milchquote ermöglichen.
Stärkung MEZ
Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) ,
Udo Folgart, begrüßt die Vorlage der EU. Sie sichere das erfolgreiche deutsche
Modell der Milcherzeugergemeinschaften (MEZ) und würde es europaweit zum
Durchbruch verhelfen.
Allerdings verwies Folgart auf die unterschiedlichen
produktions- und Lieferbeziehungen: „Da in Deutschland die Milcherzeuger ihre
Interessen entweder über Genossenschaften oder Erzeugergemeinschaften
bündelten, müsse sehr genau geprüft werden, ob die von der Kommission
vorgesehenen Obergrenzen, wie zum Beispiel maximal 3,5 Prozent der EU-Milcherzeugung,
tatsächlich hilfreich seien.“ Angesichts der stärker gewordenen Volatilität
gelte es diese „einzugrenzen und stabilere Verhältnisse für die Milcherzeuger
zu schaffen.“
Nichts Neues für den DRV
Für den Deutschen Raiffeisenverband DRV schaffen die
Vorschläge „keine neuen Rahmenbedingungen zwischen Milcherzeugern und
Molkereigenossenschaften“, kommentiert DRV-Präsident Manfred Nüssel das Papier.
Das Papier greife im Wesentlichen auf die Vorschläge der High Level Group Milch zurück. Schon dort sei deutlich geworden,
dass es keine gemeinsamen Vorschläge für die unterschiedlichen Strukturen der
Milcherzeugung in Europa gebe. „Das Rad der Selbstorganisation muss nicht neu
erfunden werden“, sagte Nüssel mit Blick auf die Genossenschaften in Deutschland.
Spanien und Frankreich plädierten für eine Branchenorganisation, was aber
angesichts liberalisierter Märkte illusorisch sei. Nüssel: „Aber auch mit
engeren vertraglichen Bindungen wird der Milchpreis letztlich immer auf dem
Markt realisiert“.
Vorschläge helfen nicht
Kritik gibt es seitens des European Milk Boards.
Präsident Romuald Schaber findet eine Bündelung der Milcherzeuger zwar richtig,
aber die Höchstgrenzen beschneiden die Effektivität. Die Begrenzung auf 3,5
Prozent entspräche einer Milchmenge von 4,7 Milliarden Kilogramm Milch. Man
müsse bedenken, so Sieta van Keimpena, Vize-Präsidentin des EMB, dass
„Molkereien wie Arla oder Friesland Campina mit 8,7 bzw. 11,7 Milliarden Kilo
Milch auf Molkereiseite schon einen Marktanteil von rund 6,5 bzw. 8,8 Prozent
des europäischen Marktes besitzen“.
Besser wäre eine Monitoringstelle, „die neben der
kontinuierlichen und zeitnahen Erhebung von Kosten-, mengen-, und
Marktentwicklungen das Ziel einer nachhaltigen Milcherzeugung in allen Regionen
Europas verfolgt.“ Das wirke sich positiver aus als „teure, steuerfinanzierte
Maßnahmen wie Intervention, Exportsubvention oder Notfallzahlungen“.
Als Nachteil empfindet der EMB die freiwillige
Vertragsgestaltung der Mitgliedsstaaten. Wenn ein Land solche Verträge
einführt, das Nachbarland aber nicht, entpuppe sich der Vorschlag als
„zahnloser Tiger“.
Auch die Ausnahmengenehmigung für Genossenschaften
finden beim EMB wenig gefallen. Das EMB bezieht sich dabei auf die Aussage des Bundeskartellamts, das gerade
bei den Genossenschaften den Auszahlungsansatz „upside down“ bemängelte. Es
werde nur ausgezahlt, was je nach Umsatz auf den Absatzmärkten übrig bleibt.
Lehren aus der Krise
Unabhängig von dem EU-Vorschlag hat Schleswig-Holsteins
Staatssekretär aus dem Agrarministerium, Ernst-Wilhelm Rabius, eine Meierei im
Kreis Segeberg besucht. Die Krise sei zwar angesichts eines Milchpreises bis zu
35 Cent vorbei, doch habe die Vergangenheit gezeigt, wie schnell die Preise
auch wieder stürzen können: „Jetzt müssen wir die Lehren daraus ziehen.
Insbesondere die Meiereien haben im Wettbewerb eine Schlüsselrolle und brauchen
eine tragfähige Zukunftsstrategie“, sagte Rabius. Gerade Meiereien mit
eingeschränkter Produktlinie, die zu wenig veredeln, seien der neuen
Volatilität der Milchmärkte stark ausgesetzt.
Schleswig-Holstein hat
einen Selbstversorgungsgrad von 250 Prozent und ist auf den Export von Milch angewiesen.
Der Quotenwegfall werde den Wachstumsprozess im Milchmarkt noch eher beschleunigen,
schätzt Rabius. Wer die Veredelungstiefe steigern will, kann auf gezielte
Förderung des Landes hoffen.
roRo