Milchdemonstrationen in Berlin

Handel

Sonnleiter kauft Milch, Hungerstreik der Bäuerinnen

Sonnleiter und MoellenbergAm Freitag Vormittag gingen Franz-Josef Möllenberg, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Brigitte Scherb, Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes (dlv) und Gerd Sonnleiter, Präsident des deutschen Bauernverbandes (DBV) in einem Berliner Discounter gemeinsam Molkereiprodukte einkaufen, um sich „ein Bild über die aktuellen Milchpreissenkungen an der Ladentheke“ zu verschaffen. 48 Cent für den Liter Milch hätte Sonnleiter bezahlen müssen, hat aber zwei Euro mit dem Hinweis auf einen fairen Preis an der Kasse bezahlt. Die Schlagsahne, die vor ein paar Tagen noch 39 Cent gekostet hat, ging jetzt für 29 Cent über die Theke, so Möllenberg.

Auswahl am RegalAuf der Suche nach neuen Allianzen
Seit dem Milchlieferstreik ist der Milchpreis ein öffentliches und politisches Thema. Die 48 Cent, die Sonnleiter für das Endprodukt hätte bezahlen müssen, haben die Bauern vor zwei Jahren noch auf der Erzeugerpreisstufe erhalten. Heute legen sie beim Verkauf der Milch noch Geld hinzu. Nicht nur bei der Milch sind die Preise im Keller, auch die Schweine- und Geflügelhalter klagen. Im Monat verlieren die Bauern rund 800 Millionen Euro, so der DBV. Trotzdem haben die Discounter in den letzten Wochen gerade die Milchpreise wieder gesenkt. Die An der LadenkassePreissenkungen seine eine „Spirale ins Elend, in die Not“, so Sonnleiter und will seinen Protesteinkauf als Beginn weiterer Aktionen verstanden wissen. Auf die gerade eingekaufte Milchtüte pappte er den Aufkleber „Danke Lidl – jetzt reicht´s“.
Möllenberg kritisierte den Handel, der im letzten Jahr sogar noch 10 Cent für die Bauern zusätzlich versprochen hatte. „Von dem ist nichts mehr übrig geblieben.“ In Hessen gibt es einen Händler, der seine Milch für 55 Cent verkauft und den Mehrpreis von acht Cent in einen Fonds für die bäuerliche Landwirtschaft einzahlt.
Sonnleitner fordert die Umsetzungen der Ergebnisse des Runden Tischs ein, damit die möglichen Sicherheitsnetze der EU auch ausgespannt werden können. Möllenberg fordert einen Mindestlohn für die Milchbauern und Brigitte Scherb appelliert an die Verbraucher, ihre Macht am Einkaufskorb auszuüben. Die Produkte mit Aufkleber versehenjetzigen Preise vernichten Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Bereich, nicht nur auf den Bauernhöfen.
Ob es einen europäischen Milchgipfel gibt, wie der ökologische Landbau es diese Woche forderte, bleibt fraglich. In zwei Wochen findet die nächste Ausschusssitzung statt, so Möllenberg zu Herd-und-Hof.de. Die Protestaktion solle zeigen, dass die Verhandlungen nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden und er wolle klar machen, dass es nicht nur um den Produktpreis, sondern auch um die Beschäftigung von Menschen geht. In Italien und Frankreich verhalten sich die Verbraucher anders, so Scherb. Nirgends sonst orientieren sich die Menschen so stark an den Preisen wie in Deutschland. Lidl, das sich vor zwei Jahren den Besuchern der Grünen Woche als Partner der Bauernhöfe positioniert hat, ist nur ein Beispiel für die Discounter, sagt Möllenberg. Man müsse die strukturellen Probleme in der Landwirtschaft, bei den Vermarktern und beim Handel „vernünftig angehen, nicht das Recht des Stärkeren“ walten lassen.

Milchbäuerinnen wollen zur Kanzlerin
Unverdrossen hungern die Milchbäuerinnen auf der Wiese vor dem Bundeskanzleramt für kostendeckende Milchpreise weiter. Hier demonstriert nicht der Deutsche Bauernverband, sondern der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Tag und Nacht werden sie von der Polizei beobachtet und vom BDM am KanzleramtOrdnungsamt lediglich geduldet, so ein Bäuerin aus Baden-Württemberg zu Herd-und-Hof.de. „Sie haben Angst vor uns Frauen“, sagt sie, bevor sie mit einigen Berufskolleginnen wieder direkt vor das Kanzleramt zieht, um das Anliegen vorzutragen. Zu Hause erledigen derweil die Männer und Kinder die.
Sie halten nichts von der „Gunstregion Milch“, die der Bauernverband aus Schleswig-Holstein ausgemacht hat, in denen die Milchproduktion hinwandern könnte. Alle Betriebe zahlen derzeit drauf. Der BDM hat sich aus Obmännern des DBV gegründet, weil sie nicht mit der Milchpolitik des Verbandes zufrieden waren. Die Gräben zwischen BDM und DBV sind heute noch so tief, dass beide für das gleiche Ziel getrennt demonstrieren.
Sie wollen auch die kostendeckende Milchproduktion unterschiedlich erreichen. Während der DBV sich von der Milchquote auf dem Bamberger Bauerntag offiziell verabschiedet hat, wollen der BDM und das European Milkboard (EMB) eine über die Nachfrage gesteuerte Mengenpolitik. Das aber, so die Bauerinnen tun was fuer VerbraucherBäuerinnen, hieße Macht, die niemand abgeben wollte. Während die Politik des DBV auf einen Strukturwandel hinauslaufe, fürchten gerade die Betriebe ihr Ende, die wie beispielsweise im Schwarzwald außer grünlandbasierte Milch nichts anderes produzieren können. Milchbauern in anderen europäischen Ländern haben die gleichen Probleme, dort scheint der EMB das Thema europaweit mobilisieren zu können und hat Erfolge. Frankreich und Österreich haben ihre zusätzliche Milchquote nicht an die Bauern weiter gegeben und wer in Frankreich überliefert, zahle Strafzölle.
Den Appell an die Verbraucher, preisbewusst Milch zu kaufen, können die Bäuerinnen nicht nachvollziehen. Wer 50 Euro im Portemonnaie hat, der muss damit auskommen, und wird auch die Milch kaufen, die am billigsten ist. Sie sehen die Lösung in der Politik. Zwar hätte die CMA eine Marketingstrategie fahren können, mehr Milch zu konsumieren – aber der Organisation trauert beim BDM keine Bäuerin nach. „Die CMA hat mit unserem Geld Hochglanzbroschüren erstellt, die gerne mitgenommen wurden.“ Aber sie durfte keine Werbung für die heimische Milch machen – doch das hilft den Milchbauern derzeit am effektivsten.

Roland Krieg; Fotos: roRo

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