Milchforum: Handel wehrt sich
Handel
Milch: Nachfrage braucht keine Quote
An diesem Mittwoch geht der Milchgipfel im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) mit dem Handel in die nächste Runde. Dr. Gerd Müller, Parlamentarischer Staatssekretär des BMELV, beschreibt auf dem Berliner Bauerntag die Konstellation, die es zu harmonisieren gilt: 120.000 Bauern stehen 100 Molkereien gegenüber, die mit fünf Lebensmitteleinzelhändlern die Marktgespräche führen. Hohe Milchpreise hätten bei dieser Konstellation wenig Chancen auf Dauerhaftigkeit. Die steigenden Betriebskosten schlagen derzeit mit fünf Cent je Kilogramm Milch zu Buche. Hier werde etwas geschehen müssen und Dr. Müller stellte sogar eine Änderung des Kartellrechts in Aussicht, Anbietergemeinschaften zuzulassen.
01.06.1962: Beginn der vom EWG-Ministerrat am 14.01..1962 beschlossenen Gemeinsamen Agrarpoliti8k (GAP). |
Keine Abkehr vom Quotenausstieg
Müller machte allerdings auch klar, dass es keine Abkehr vom Quotenausstieg gebe, den die EU für das Jahr 2015 beschlossen hat und die der Bundesverband der deutschen Milchviehhalter (BDM) hätte durch seinen Lieferstopp eine aktive nachfragegesteuerte Mengenregelung installiert. Die Aufhebung der Quote beschert den Milchbauern eine größere Preisvolatilität, die von der Politik nicht ausgeglichen werden kann, so Müller: Ein Cent Preisdifferenz entspreche rund 280 Millionen Euro. Die Bauern müssen lernen, auf den Markt zu reagieren. Dabei könnten neue Preismodelle bei den Molkereien helfen, den Bauern höhere Preise zu zahlen.
Die Milchbauern müssen ihre Vermarktung unternehmerisch selbst in die Hand nehmen, forderte Kees Wantenaar, Vorstandsvorsitzender der Campina-Molkerei aus den Niederlanden. Die Milchproduktion hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Zu Beginn der 1980er Jahren waren Laufställe für die Kühe noch weitgehend unbekannt. So wie sich die Bauern um die Produktion und deren Optimierung gekümmert hätten, so müssten sie sich auch um die Vermarktung kümmern. Die Bauern werden auch in Zukunft „nur Milch“ produzieren können, wohingegen die Vermarktung mit neuen Produkten sich immer neue Märkte sucht. Hier müssten die genossenschaftlichen Miteigentümer mitreden können, so Wantenaar. Die Milch hat aufgrund der Durchlässigkeit der Grenzen kein Alleinstellungsmerkmal. Neue Produkte hingegen schon.
Wichtige Exportaussichten |
Wantenaar warnte die Vertreter der Landesbauernschaften. Deutschland könne in einer EU nicht alleine eine Marktregelung beibehalten. Diskussionen über Saldierungen und Marktregelungen seinen „Diskussionen von gestern“.
Chancen hingegen bietet die künftig steigende Nachfrage nach Milch. Russland sei für Campina ein lohnender als China.
21.12.1968: „Mansholt-Plan“: Die finanzielle Förderung soll auf entwicklungsfähige Betriebe beschränkt, die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten mittelfristig auf die Hälfte vermindert und in zehn Jahren durch Strukturwandel das Marktgleichgewicht hergestellt werden. |
Rudolf Heidhues, Vorstandsvorsitzender der Humana Milchunion sieht im freien Markt mehr Chancen als Risiken. Der Milchpreis werde zwischen Ackerbau und Energiepflanzen seinen kostendeckenden Preis noch finden. Er beklagte den Egoismus der Molkereien. Jetzt wollen sie sich gegen den Handel gemeinsam positionieren, aber in der Hochpreisphase waren Fusionen tabu.
„Der Schlüssel liegt in der Menge“, fasste DBV-Milchpräsident Udo Folgart zusammen. Derzeit lehnen die meisten Bauernverbände die Quotenerhöhungen der EU ab, doch die Perspektiven für den Milchmarkt liegen in der steigenden Nachfrage. Der Milchsektor, so hieß es in der Diskussion werde überleben – nur nicht alle derzeitigen 120.000 Milchbauern. Die müssten erst lernen mit dem freien Markt umzugehen, denn in der Vergangenheit hat es immer einen Mechanismus gegeben, der die Milchbauern aufgefangen habe.
AbL mit langem Atem |
Export, Wellness und Nährwertkennzeichnung
Einen schweren Stand auf dem Milchforum hatte Walter Pötter, Generalbevollmächtigter der Lidl Stiftung als Vertreter des Handels. Pötter war jedoch mit belastbaren Daten der ZMP gut gewappnet, um die „Schuld“ der Milchpreismisere auf mehrere Schultern zu verteilen. Die deutsche Milch wird nahezu zu 100 Prozent in Deutschland abgesetzt. Nur 40 Prozent erreichen den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) , die anderen 60 Prozent gehen zu Großverbrauchern und der Industrie. Dort werden 40 Prozent der Milch exportiert.
Produkt |
LEH |
Industrie |
Marktanteil an Molkereiprodukte |
Trinkmilch |
13 % |
15 % |
28 % |
Käse |
15 % |
29 % |
44 % |
Butter und Milchpulver |
6 % |
13 % |
19 % |
Trinkjoghurt |
7 % |
2 % |
9 % |
Q: ZMP |
Die Industrie ist der größere Abnehmer und daher stärkere Preisbildner am Markt. Zudem hat Milch in seinen verarbeiteten Produkten einen wesentlich höheren Rohstoffanteil als beispielsweise Getreide im Brötchen. Daher schlagen Preisänderungen bei der Milch stärker auf den Endpreis für die Verbraucher durch.
Im Rahmen des Wellnesstrends wird Margarine stärker beworben als tierische Fette. Margarine gibt es in Verpackungen mit „20 Prozent mehr Inhalt“, cholesterinsenkenden Zusätzen und mittlerweile auch mit Omega-3-Fettsäuren. Hier komme die Butter nicht mit.
Zudem gab Pötter zu bedenken, das mit der neuen Nährwertkennzeichnung Milch und Molkereiprodukte mehr rote und gelbe Farbunterlegungen erhalte als die pflanzliche Konkurrenz. Alles zusammen fördere weder das Image noch den Absatz von Milch und Molkereiprodukten. Sinkende Preistendenzen verursachen auch Verbraucherpräferenzen. Für ein Kilo Gouda braucht man rund neun Kilo Milch, für ein Kilo Parmesan sind es 16 kg.
Juni 1977: Einführung der Nichtvermarktungs- und Umstellungsprämie bei Milch |
In der Summe brauchen Export, industrielle Nachfrage, und höherwertige Verbraucherpräferenzen einen preiswerten Rohstoff Milch. Pötter hielt den Milchbauern aber auch einen Ausweg bereit: Es sollte eine Marketinggesellschaft gegründet werden, die ähnlich mancher Qualitätsmolkerei, die Qualität des Produktes hervorhebt und vermarktet und die Wertschöpfung durch Kommunikation an den Verbraucher auf ihre Seite holt.
Roland Krieg; Zeittafel: Aus: 60 Jahre DBV; dbk 6/08; Foto: roRo