Milk on Road
Handel
Internationaler Tag der Milch
> Kühe werden mit grünem Gras gefüttert, transportieren die Nährstoffe im roten Blut und die Milchdrüse filtert daraus weiße Milch. Der Mensch ist das einzige Säugetier, dass auch im Erwachsenenalter Milch zu sich nimmt, die ursprünglich für die Ernährung des Säuglings konzipiert ist ? und dann ?klaut? er diese auch noch von anderen Säugetieren. Milch macht müde Menschen munter
Das hat jedoch durchaus seinen Grund: Neben Obst und Gemüse sind Milch und Milchprodukte die nähr- und inhaltsstoffreichsten Lebensmittel überhaupt. Milch hat eine hohe biologische Wertigkeit und beinhaltet leicht verdauliches Fett und Milchzucker, der für eine gesunde Darmflora sorgt. Milch enthält viel Calcium Phosphor und Vitamin D. Auch die drei anderen fettlöslichen Vitamine A, E und K stecken in dem weißen Getränk. Zu viel Sahne und Käse schlagen sich allerdings bei Vollfettprodukten auf das Bauchkonto nieder: Fettarme Produkte haben jedoch ebenso fast alle Vitamine und Mineralien.
Heute, am 01. Juni ist es wieder soweit: Auf Initiative der Welternährungsorganisation und des Internationalen Milchwirtschaftsverbandes wird vielerorts der ?Internationale Tag der Milch? begangen. Er wurde ins Leben gerufen, um auf die weltweite Ernährungssituation hinzuweisen und diese zu verbessern. In Deutschland lautet das Motto ?Fit mit Milch ? die Milch macht?s?.
Milchparty, Milchstraße und ?
Auf dem Außengelände des Deutschen Meeresmuseums Stralsund gibt es vor allem für die Kinder eine Milchparty mit Milch-Bike-Fahren und Wettmelken. Die Schulmilchversorgung Nord GmbH wird mit einem eigenen Stand über ihr Angebot informieren.
Nordrhein-Westfalen wird am heutigen Tag eine Milchstraße eröffnen. Sie orientiert sich an der existierenden Mühlen-Radroute und weist entlang des Weges Milchstationen auf. Radwanderer können sich hier erfrischen und viel Wissenswertes zum Thema Milch erhalten. Die Idee stammt von der Landesvereinigung der Milchwirtschaft in NRW. Los geht es um 09:00 Uhr am Hof von Henrik Osterwisch in Sternwede-Niedermehnen (www.milch-nrw.de).
... Milk on Road
Die Berliner Busfahrer legen täglich eine Strecke von 17 Erdumrundungen zurück, transportieren täglich 2,4 Millionen Fahrgäste und müssen die schweren Gefährte unfallfrei durch den Stau bringen. Gelegentlich müssen sie sich auch aggressiven Fahrgästen erwehren. Zumindest die Frühschicht des heutigen Tages, die bereits ab 03:00 Uhr unterwegs ist, lenkt die Busse ?gestärkt? durch die Stadt. Dr. Ulrich Troeder von der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Brandenburg-Berlin e.V. stellte gestern Nachmittag auf dem Abfahrtsplatz 6 des Hardenbergplatzes den Brandenburger Beitrag zum Internationalen Tag der Milch vor: Milchprodukte als ?Elixier des Lebens? wurden heute früh an rund 1.000 Fahrer verteilt: Eine Kühltasche mit regionalen Milchprodukten ?Mark Brandenburg? des Kooperationspartners Campina GmbH.
Ursprünglich wollte man die Fahrgäste beschenken, so Dr. Troeder, doch das hätte wohl selbst Campina in die roten Zahlen getrieben. Trotzdem sollen die Berliner profitieren: Für den Gute-Laune-Schub der Busfahrer sorgt ein spezieller Baustein des Milcheiweißes ? die Aminosäure Tryptophan, die im Gehirn zum Glückshormon Serotonin umgewandelt wird. Erhard Buchholz, Repräsentant der Campina, will mit dieser Aktion auch ?das Image der Milch? verbessern. Gerade für Schlankheit und Wellness sind Milch und vor allem Molke das ?natürliche Trendprodukt?.
Brandenburgs Milchkönigin Rebecca von Eynern, selbst auf einem Milchbetrieb tätig, überreichte gestern bereits einem Busfahrer die erste Kühltasche mit Müsli, Vollmilch und Joghurt.
Milchpolitik
Was allerdings die Kuh mit scheinbarer Leichtigkeit herstellen kann, wird auf politischer Ebene zunehmend komplexer und zum Tag der Milch zur Sprache gebracht. Zwar ist die Milchwirtschaft nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes (DBV) der umsatzstärkste Sektor der Landwirtschaft und Ernährungsindustrie: Über 110.000 Milcherzeuger und mehrere tausend Mitarbeiter erzeugen täglich fast 77 Millionen Kilogramm Milch mit einem jährlichen Produktionswert von etwa 9 Milliarden Euro. In letzter Zeit hat sich der DBV allerdings den Lebensmitteleinzelhandel vorgenommen und protestiert fast täglich gegen die zu niedrigen Milchpreise (Herd-und-Hof.de vom 17.05.2005).
Derzeit erhält der Bauer für einen Liter Milch 26 Cent. Die Produktionskosten hingegen liegen in der EU bei 35 bis 40 Cent. Mit diesem Statement begann gestern morgen eine Pressekonferenz im Berliner Hotel Albrechtshof. Geladen hatte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), eine Interessensvertretung konventioneller und ökologischer Bauern und Germanwatch, die sich für eine soziale und gerechte Globalisierung einsetzen. Anlass war die Veröffentlichung einer Studie von Prof. Martin Hofstetter, Universität Kassel, gewesen, in der Reformvorschläge für die EU-Milchmarktordnung erarbeitet wurden. Denn: trotz einer Marktordnung ist der Milchmarkt für die Bauern nicht in Ordnung.
Bernd Voß, Vorstand AbL und Milchbauer, verwies darauf, dass in den traditionellen Grünlandgebieten die Bauern zu 80 Prozent ihr Einkommen durch die Milch erwirtschaften. Auf diesen Standorten tritt die Milchproduktion nicht in Konkurrenz zu anderen Nahrungsmittelprodukten auf. Prämien für den Maisanbau als Energiefutter haben die Milchproduktion in die Ackerbaugebiete verlagert.
Die von Ignaz Kiechle in den 1980er Jahren eingeführte Produktionsmengenregelung des Marktes mit Höchstquoten hatte die damaligen Milchseen nur kurzfristig ausgetrocknet. Das Quotensystem gibt es heute noch ? allerdings liegt sie mit 120 Prozent insgesamt höher als der Verbrauch. Voß rät daher, die Quote zu senken. Damit könne ein höherer Preis erreicht werden, der ökologischen und ökonomischen Erfordernissen angepasst ist.
Kaputte Märkte in Übersee
Der Milchmarkt ist nicht nur in Europa in Unordnung. Sarah Kahnert von Germanwatch kritisierte anhand des Beispiels Jamaika die Exporterstattung und die Überschussproduktion. Seit Milchpulver aus der EU in die Karibik billig exportiert wird, um Milchprodukte herzustellen, ist der heimische Marktanteil um 35 Prozent zurückgegangen. Verarbeitung und Vermarktung sind zusammengebrochen. Menschen wurden arbeitslos. Dabei ist Milch im Eigentlichen ein ausgesprochen regionales Produkt und nur acht Prozent der weltweit erzeugten halben Milliarde Tonnen Kuhmilch werden global gehandelt. Die niedrigen Preise der EU verringern umgekehrt die Exportchancen der Entwicklungsländer.
Neben dem Abbau der Exportsubventionen und Reduzierung der Milchquote, wobei Bernd Voß von 2 ? 5 Prozent sprach, die für eine Preisstabilisierung ausreichen würde, ist die Bindung der Transferzahlungen an soziale und ökonomische Kriterien ein weiterer wesentlicher Vorschlag der Studie: Die Entkopplung der laufenden Agrarreform wird damit Milch aus Weidehaltung und traditionellen Milchgebieten, wie den Mittelgebirgen, und geringerem Kraftfuttereinsatz fördern.
Für Bernd Voß sind die Maisprämie und die ständigen Prämierung von Höchstleistungen die entscheidenden Fehlentwicklungen des Marktes. Prof. Hochstetter sieht auch die Universitäten in Bringschuld. In der Vergangenheit wurden Berater ausgebildet, die Kühe mit 4.000 bis 5.000 kg als unwirtschaftlich bestimmten. Neuseeländischen Kühe, die auf besten Weiden viel Exportmilch produzieren geben auch nicht mehr als 4.000 kg Milch. Hochleistungstiere werden krankheitsbedingt schon nach gut 2,5 Jahren wieder aus der Produktion genommen. Die wissenschaftlichen Praxis diskutiere bereits ein ?low input?-Modell: Lebensleistung statt Jahresleistung und Grünfutter als Grundfutter sollen wieder mehr im Vordergrund stehen.
Wer bringt die Kuh vom Eis?
Ob die höchste Handelsebene, die nächste WTO-Runde in Hongkong, etwas Ordnung bringen kann, wusste Sarah Kahnert nicht zu prognostizieren. Es gebe Bestrebungen Milch als so genanntes ?sensible Produkt? trotz generellem Zollabbau schützen zu lassen; doch in welcher Weise und wann ist völlig offen. Und es löst nicht das Dilemma, dass geringere EU-Exporte durch höhere Preise Märkte in den Entwicklungsländern schützen, aber gleichzeitig dann den EU-Markt für Milchexporte der Entwicklungsländer attraktiv machen.
Der Milchbeirat des Landesbauernverbandes (LBV) Brandenburg hat in seinem Positionspapier zur Stärkung der Milcherzeugung das gemeinsame Auftreten von Molkereien und Milchbauern in England und Österreich gegen den Lebensmittelhandel als Beispiel aufgeführt, höhere Endverbraucherpreise durchzusetzen. Bis zu 6 Cent im Laden brachten den Bauern rund 2 Cent mehr in die Tasche.
Der DBV und auch Brandenburgs Bauernpräsident Udo Folgart gestern Nachmittag auf dem Hardenbergplatz sehen die Molkereien als Partner der Bauern gegen die niedrigen Milchpreise im Lebensmittelhandel. Am Vormittag sahen Voß und Prof. Hochstetter das anders. Die Hälfte der Molkereien ist genossenschaftlich organisiert. Und die können auch exportorientiert sein, wie die geplante und nun doch eingestellte Fusion zwischen Campina und Arla Foods beweist (Herd-und-Hof.de vom 24.03.2005). ?Es wäre schön gewesen?, sagte Campinas Repräsentant Buchholz gegenüber Herd-und-Hof. Aber weitere und andere Wachstumsschritte seien genauso vorstellbar. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Zwar keine Quotenkürzung, aber auch keine weitere Quotenerhöhung, wie sie im Rahmen der Agenda 2000 mit 3 mal 0,5 Prozent von der EU vorgesehen ist, fordert auch der LBV Brandenburg in seinem Positionspapier. Manchmal sind alle Beteiligten näher beieinander als gedacht.
Zölle runter, aber trotzdem Märkte schützen. Molkereien als Helfer der Bauern oder nur zur Marktsicherung in Übersee? Wer diese Kuh vom Eis bringen will, muss eine mehrarmige Waage in ein Gleichgewicht bringen. Die vollständige Studie von AbL und Germanwatch kann unter www.germanwatch.org heruntergeladen werden.
Vom Euter bis zum Milchshake
Unter diesem Motto präsentiert sich die rheinische Milchwirtschaft auf der Landesgartenschau in Leverkusen zwischen dem 02. und 05. Juni mit einem umfangreichen Programm rund um die Milch. Die Berliner haben übernächstes Wochenende bei der Brandenburger Landpartie Gelegenheit ?ihre? Bauern zu besuchen ? Vorschau folgt.
Übrigens ist die EU nicht die erste Verwaltung, die Ordnung in Märkte zu bringen versucht ? eine erste Käsehöchstpreisverordnung kann unser Kontinent allerdings schon aufweisen: 420 n. Chr. bei den Römern ? so Bernd Voß.
VLE