Mindestlohn: Clou oder auf Eis gelegt?

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Grün-Rot greift beim Mindestlohn die SPD an

Karl-Heinz Frehn kann auf seinem Spreewälder Gurkenhof auch den Mindestlohn von 8,50 zahlen. Davon würden die Saisonarbeiter auf dem Gurkenflieger profitieren. Frehn allerdings nützt das nur, wenn er für ein Glas Gurken 0,40 Cent mehr bekommt. Und das entscheiden die Verbraucher, die in indischen Importgurken deutlich preiswertere Alternativen finden [1].
Aber auch die Politik entscheidet darüber. Im Koalitionsvertrag wurde ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Brutto pro Stunde vereinbart, der zwar ab dem 01. Januar 2015 gilt, aber auch Ausnahmen zulässt. Bestehende Tarifverträge oder noch neu abgeschlossene Tarifverträge können die bundesweite Einführung zeitlich nach hinten verschieben. Für diese Mitarbeiter gilt der Mindestlohn erst ab dem 01. Januar 2018.

Mehrheit nicht im Koalitionsvertrag

Darüber stritten am Donnerstag die möglichen Koalitionsparteien mit der Opposition.
Klaus Ernst (Die Linke) legte dar, dass seine Partei mit den Grünen und der SPD in den Wahlkampf gezogen sind, um einen Mindestlohn einzuführen. Für alle und jetzt. Dafür gibt es nach der Sitzverteilung im Bundestag eine eindeutige Mehrheit. Der Koalitionsvertrag allerdings verschiebe durch die Ausnahmenregelung die flächendeckende Einführung auf die nächste Wahlperiode, weswegen ein Antrag zum Mindestlohngesetz eingebracht wurde. Ernst kritisiert, dass vor allem die neu gewerkschaftlich verhandelten Tarife schlechter gestellt sein könnten, als die nicht organisierten Arbeiter, die den Mindestlohn früher erhalten. So verwandele sich der SPD-Mindestlohn vom „Vorzeigeprojekt zu einem Etikettenschwindel“.

Andrea Nahles (SPD), die von Hubertus Heil (SPD) als „Mutter dieses Erfolges“ bezeichnet wurde, verteidigte die Festlegung im Koalitionsvertrag: „Niemand wird weniger verdienen als vorher!“. Nach der Übergangszeit gebe es einen flächendeckenden Mindestlohn, der keinen Unterschied zwischen Branchen und Ost und West macht. „Das ist ein entscheidender Punkt“, so Nahles. Derzeit gibt es noch 41 Tarifverträge, die unter 8,50 Euro in der Stunde liegen – und da wollte die SPD nicht „reingrätschen“. Der Übergang biete sogar in den „weißen Flecken“, die vor allem im Osten liegen, eine Möglichkeit, erstmals Tarife abzuschließen. Die neue und zusätzliche Tarifbindung im Osten ist auch für Hubertus Heil ein Erfolg. Außerdem werde die Tarifkommission bei Bedarf eine Anpassung durchführen, so dass die 8,50 Euro keine Festlegung für die nächsten Jahre seien.

Brigitte Pothmer (Bündnis 90/Die Grünen) will das nicht gelten lassen und warf der neuen Koalition die Schaffung eines Zweiklassensystems vor. Wachdienstmitarbeiter, Gärtner und Tankwarte warten auf eine Erklärung, warum sie noch zwei Jahre auf den versprochenen Mindestlohn warten müssen.

Der Linksfraktion wurde von Prof. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) ein „Spielchen“ vorgeworfen, die SPD in eine Zerreißprobe zu locken.

Wirkung des Mindestlohns

Der Mindestlohn muss kein Schreckgespenst sein. Prof. Zimmer ist sich mit Karl Ernst einig, dass es keine wissenschaftliche Studie gebe, die einen Zusammenhang zwischen Einführung eines Mindestlohns und Verringerung von Arbeitsplätzen nachgewiesen hat.

Gleichwohl sind die Effekte nach Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages heterogen. Sie müssen aus Marktstrukturänderungen und Arbeitsmarktsituation heraus gerechnet werden. Einig seien die Wissenschaftler in ihrer Erwartung, dass die positiven Effekte eines Mindestlohnes nicht zu hoch gesteckt werden sollten.

Und Gurkenbauer Frehn? Der hat in diesem Jahr erstmals einen Gurkenvollernter eingesetzt, der die Saisonarbeiter einmal ablösen soll. Auch wegen des Mindestlohns.

Lesestoff:

Gurkenvollernter oder Importware?

Roland Krieg

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