Müller fördert den globalen Wertstoffgedanken
Handel
Internationale Abfall-Vermeidungsallianz Prevent im BMZ
Mülldeponien sind out. Zumindest in Deutschland. Die Bundesbürger bringen Holz, Kunststoff, Elektroschrott und Biomüll entweder in verschiedenfarbige Tonnen oder zum Wertstoffhof. Den Abfall über das Recycling neu in Wert setzen, ist alles andere als neu. Dennoch zeigt nicht nur der Artenschutzbericht der Vereinten Nationen [1], dass der Konsum von heute immer wieder neuen Abfall erzeugt. Mikroplastik in den Ozeanen, deutscher Elektroschrott in Afrika, Siedlungs-, Bergbau- und sonstige Abfälle in Deutschland…
Die Bundesbürger haben 2016 brutto 411,5 Millionen Tonnen Abfall angehäuft. Netto, also ohne Sekundärabfälle aus anderen Anlagen, sank die Abfallmenge gegenüber dem Jahr 2000 um 12 Prozent auf 358,9 Millionen Tonnen, berichtet das Umweltbundesamt. Dennoch: Übernehmen andere Länder dieses Konsumverhalten industrieller Staaten, bewegen sie sich im Verhältnis in die gleiche Richtung. Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller sagte am Donnerstag, dass sich die globale Abfallmenge bis 2050 verdoppeln werde, wenn die Menschen nicht umsteuern.
Konsum vom Abfall entkoppeln
Die Realität zeigt eher, wie das nicht gelingt. Allein die digitale Wirtschaft hat das Verpackungsaufkommen durch Hin- und Zurücksenden von Ware deutlich nach oben gebracht. Müller berichtete von der größten afrikanischen Abfallhalde in Ghana. Lokale Politiker übten sich mit Wegsehen. Mit Feuerzeug und Hammer lösen mehr als 15.000 auf der Halde lebende Kinder Rohstoffe heraus und versuchen sie zu recyclen. Müll ist längst ein globales Problem geworden. Nicht erst seit bekannt wurde, dass China keinen deutschen Plastikabfall mehr annimmt - und dieser jetzt nach Malaysia geht, beklagt der Minister.
Textilien sind die neuen Lebensmittel. Mittlerweile geben die Bundesbürger weniger Geld für Kleidung aus, als für Lebensmittel. Dabei, so Müller, kann ein ordentlicher Anzug viele Jahrzehnte getragen werden. Am Donnerstag hat er einen Schuh mitgebracht, der millionenfach produziert und weltweit verkauft wird. Die Firma Adidas produziert den hochwertigen Schuh aus recycelten Stoffen.
Müller wird sich diesen Schuh aber erst anziehen, wenn die Firma aus Herzogenaurach sich der neuen Abfall-Vermeidungsallianz angeschlossen hat. Wie bei seinem Textilbündnis kritisiert er Unternehmen, die das Problem kennen, auch handeln, aber nicht dazu stünden. Immerhin haben sich 31 Firmen wie Nestlé, Entsorgungsunternehmen wie Remondis und Sozialunternehmen wie das Grameen Creativ Lab sowie dem WWF und verschiedenen Hochschulen zu einer neuen Allianz zusammengetan.
Sie wollen den Gedanken der Kreislaufwirtschaft in die Welt tragen, die verschiedenen Recyclingwege aufbauen helfen und für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen. Im Vordergrund steht jedoch die „Vermeidung von Abfall“ – Prevent.
„Clean Tech“
Aus der deutschen Initiative soll mit den französischen und belgischen Nachbarn bald eine europäische werden. Müller bemüht sich mit der Weltbank und der OECD um eine globale Ausbreitung. In Ghana hat das BMZ bereits Ausbildung und Arbeitsplätze für 10.000 Menschen in der Kreislaufwirtschaft gesorgt. Internationale Luft hat Prevent am Donnerstag mit dem indonesische Botschafter in Deutschland Arif Havas Oegroseno geschnuppert. Er half Gerd Müller das Emblem der neuen Initiative zu enthüllen. Indonesien hat bereits in vier Städten, darunter in Jakarta, die Plastiktüte ganz verboten und trifft damit Müllers Geschmack. Man müsse nicht auf die EU warten, Deutschland könnte die Plastiktüte auch sofort verbieten.
Zwischen Müllers Worten fand sich jene ungedulgie Frustration, wenn etwas nicht schnell genug vorangeht. Seine Kritiker können jedoch kaum etwas Vergleichbares vorweisen. Mögen die Einzelprojekte der Gegenentwürfe besser sein, sie sind kaum marktrelevant.
Mit Prevent kann Müller jedoch auf einen wichtigen Markt bauen, dessen Akteure mit im Boot sitzen. Die deutsche Umwelt- und Entsorgungstechnik sowie die damit verbundenen Dienstleistungen sind weltweit spitze. Müller wendet sich über das Innenministerium an die Kommunen, die „höchste Kompetenz“ im Entsorgungsbereich aufweisen. Viele Städte haben internationale Partnerschaften, die sie für die Globalisierung der Kreislaufwirtschaft nutzen sollen.
So sucht der Oman Investoren in den Bereichen Abwasserentsorgung. 80 Prozent der Menschen sind an kein Abwassernetz angebunden. „Clean Tech“ „Made in Germany“ ist weltweit gefragt. Gerade Indonesien hat trotz Plastiktütenverbot ein riesiges Müllproblem. Die Hälfte des häuslichen Mülls wird illegal verbrannt. Was gesammelt wird, landet nach Germany Trade & Invest (gtai) zu 90 Prozent unsortiert in einer Deponie. Das Müllaufkommen steigt jährlich um zwei bis vier Prozent.
In Tunesien werden immerhin 80 Prozent des städtischen Mülls eingesammelt. Doch das staatliche System lässt sich über Gebühren kaum finanzieren und seit der Revolution im Jahr 2011 sind mangels Geld einige Sammelpunktewieder geschlossen worden.
Prevent zielt im eigentlichen auf ein verändertes Konsumverhalten ab.
Lesestoff:
[1] IPBES-Bericht zum Artensterben: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-artenvielfalt-im-anthropozaen.html
Roland Krieg