Nach Nestlé: Lafer, Bild, Kaufland und Klöckner
Handel
03.05. +++ 13:20 Uhr Was läuft schief im Ministerium?
Ernährung ist wichtig. Renate Künast hat mit ihrer Amtszeit den Verbraucherschutz erstmalig als Politressort auf das Berliner Bundesparkett gebracht. Die Gründung der Plattform Ernährung und Bewegung (peb) für Kinder fällt in diese Zeit und Ilse Aigner hat verschiedene weitere Grundlagen wie die Plattform „In Form“ geschaffen.
Die aktuelle Bundesministerin Julia Klöckner arbeitet in dieser Tradition fort, hatte zuletzt aber mit dem so genannten Nestlé-Video eine Grenze überschritten, weil vielleicht im Sinne eines guten Vorhabens, der einseitige Werbeeffekt - hier bei der Reduktionsstrategie bei Zucker, Salz, Fett und Kalorien - einseitig auf einen Weltkonzern zugeschnitten wurde.
Dass ausgerechnet die Industrie bei diesem Vorhaben deutliche Mängel aufweist, musste Klöckner Anfang April bei der Zwischenbilanz Reformulierung zugeben [1].
Es gibt also genug Gründe, Termine sehr achtsam auszuwählen. In der Terminvorschau des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vom 30. April wurde auf den Besuch der Ernährungsschule des größten deutschen Boulevard-Magazins hingewiesen. Die Ministerin kocht mit dem Fernsehkoch Johannes Lafer im Rahmen eines Talks.
Auch andere Tageszeitungen talken mit Ministern. Inwieweit die Zeitung mit den vier großen Buchstaben den Grundlagen einer „Ernährungsschule“ genügt, mögen Oecotrophologen beantworten – sollten die Terminplaner des BMEL jedoch auch berücksichtigen.
Nach Nestlé ein kleinerer Fauxpas – wenn das Video nicht zusätzlich zu Werbezwecken von Kaufland genutzt würde. Kaufland ist der Vollsortimenter der Schwarz-Gruppe, die auch den Discounter Lidl führt.
Die Ministerin ist unter dem ständig eingeblendeten „Bild“-Logo zu sehen und kommt inhaltlich über eine Homestory kaum hinaus. Deutlich problematischer ist Einblendung „Präsentation durch Kaufland“, die der Ministerin und dem BMEL nach dem Nestlé-Video die zweite Imagepleite beschert.
Das am Sonntagvormittag um 11:00 Uhr ausgestrahlte Video ist eine Aufzeichnung vom 28. April. Screenshots der Aufzeichnung zeigten bereits am Samstagabend die Werbung für Kaufland mit Julia Klöckner.
Was läuft da schief im Ministerium?
Gerade nach der Nestlé-Erfahrung und im Zusammenhang einer „Ernährungsschule“ sollten doch Terminplanungen und ihre Wirkung im Vorfeld sorgfältig abgewogen werden. Das Ministerium teilt gegenüber Herd-und-Hof.de dazu folgendes mit:
„Dass die besagte Kochsendung von einer Supermarktkette gesponsert wird, war dem Bundesministerium und der Bundesministerin nicht bekannt - weder im Vorfeld, noch zum Zeitpunkt der Aufzeichnung - die Aufzeichnung der Sendung erfolgte vergangenen Dienstag. Das Bundesministerium geht keinerlei Sponsorpartnerschaften ein, deshalb gibt es auch keine Werbebilder oder ähnliches.
„Die Kochsendung, für die die Ministerin angefragt wurde, hatte zum einen zum Ziel, Familien, die vermehrt zuhause wegen der Corona-Krise abwechslungsreich kochen müssen, zu zeigen, dass das auch mit begrenztem Geldbeutel einfach geht. Zum anderen wurde die Bundesernährungsministerin angefragt, um über die aktuellen Themen Lebensmittelverschwendung, saisonale und regionale Erzeugung sowie Entwicklung von Lebensmittelpreisen und Ernährungsbildung zu sprechen und zu informieren. Dies sind auch die politischen Themen des Bundesernährungsministeriums.“
Was bleibt?
In den sozialen Netzwerken tobt bereits der Vermutungs-Sturm. In der Realität hilft nur der Erste-Hilfe-Kasten. Mal wieder gab es aus dem BMEL eine gutgemeinte Idee mit bösem Erwachen. Die Form, unerwartet oder vorab verschwiegen, hat den Inhalt kaputt gemacht.
Lesestoff:
[1] Reformulierung: Nur ein Achtungserfolg: https://herd-und-hof.de/ernaehrung-/reformulierung-nicht-gesund-genug.html
Roland Krieg
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