Nachbarschaftspolitik gegenüber Nordafrika
Handel
Für den Maghreb die richtige Hilfe finden
Der arabische Frühling ist ins Stocken geraten. Der Friedensnobelpreis an das tunesische Quartett für den nationalen Dialog ist Ermunterung, trotz aller Rückschläge den Pfad weiter zu gehen. Die Länder Nordafrikas sind die südlichen Nachbarn Europas und Deutschland und die EU haben alleine aus geopolitischer Lage heraus ein Interesse an einem friedlichen Miteinander. Die neue Europäische Nachbarschaftspolitik hingegen lässt nach Ansicht von Bündnis 90/Die Grünen die Orientierung an Menschenrechten vermissen und hat einen Antrag auf Korrektur gestellt. Zudem solle Deutschland Druck bei Regierungsverhandlungen ausüben, Einschränkungen der Zivilgesellschaft zurückzunehmen und die Transformationspartnerschaften fortzuführen.
Dabei sind die Länder kaum vergleichbar. Östlich von Tunesien als Land mit den weitesten staatlichen Veränderungen hat sich der Staat in Libyen aufgelöst. Während Marokko eine Verlagerung von Kompetenzen auf Ministerpräsidenten und Parlament teilweise vollzogen hat, gab es im Nachbarland Algerien kaum Veränderungen.
Wirtschaft
Nur um den Flüchtlingsstrom aufzuhalten dürfe auf dem „Altar der Flüchtlingspolitik“ nicht alles geopfert werden, begründete Dr. Franziska Brantner von Bündnis 90/Die Grünen den Antrag. Was beispielsweise vor Mubarak in Ägypten falsch gelaufen sei, werde mit der Lieferung eines U-Boots an den Nil ebenso falsch gemacht. Hier entstehe eine „Scheinstabilität, eine Friedhofsruhe“ bei der die Zivilgesellschaft kaum eine Chance bekomme. Nach Brantner könne die EU mit Wirtschaftspolitik und Exportvereinfachung für die Länder mehr tun. Zwar sei das für die EU-Mittelmeerländer keine einfache Aufgabe, doch könne die EU dafür einen Ausgleich finden.
Der Kritik widerspricht Gabriela Heinrich von der SPD. Entscheidend sei, was umgesetzt werde. Die Implementierung basiere auf der Säule der Zivilgesellschaft, der Frauen und, was bislang zu wenig Beachtung finde, auf die Integration der Länder untereinander. Heinrich sieht zwar auch die Gefahr für die Zivilgesellschaft durch die neuen tunesischen Terrorismusgesetze, aber nicht durch die Nachbarschaftspolitik der EU.
Inge Höger von Die Linke kritisiert die Wirtschaftsausrichtung. Mit Liberalisierung und Marktöffnung schaffe diese erst Fluchtursachen.
Essid bei Merkel
Am Donnerstag traf Bundeskanzlerin Angela Merkel den tunesischen Ministerpräsidenten Habib Essid in Berlin. Für Merkel ist die Transformationspartnerschaft weiterhin ein Thema, „an dem sich unsere Kooperation sehr stark entlang hangelt“. Merkel spricht vom Entwicklungsbereich, der Wirtschaft sowie der Unterstützung der politischen Strukturen beziehungsweise der Sicherheitslage. „Wir sind auch bereit, im Bereich der militärischen Zusammenarbeit bestimmte Ertüchtigungen zuzulassen“, sagte sie nach dem Treffen. Im ersten Halbjahr 2016 soll es eine deutsch-tunesische Investorenkonferenz geben und beide treffen sich in wenigen Tagen erneut auf dem EU-Afrika-Gipfel auf Malta. Zudem stellt Deutschland mit Martin Kobler den nächsten UN-Sonderberater für Libyen. Der spanische Vorgänger Bernardino Léon ist mit der Schaffung einer Staatlichkeit nur knapp gescheitert.
Habib Essid lobte die deutschen Unternehmen. Während der arabischen Revolution ist die Zahl der Unternehmen von 200 auf 250 angestiegen. Sie beschäftigen rund 50.000 Menschen. Tunesien steht in der Phase der wirtschaftlichen Ertüchtigung und will 125 Milliarden Dinar investieren (1 Dinar = 0,455 Euro). 65 Prozent sollen aus dem privaten Sektor stammen. Deutschland könnte bei Infrastruktur, Autobahnbau, Umweltprojekten oder neuen Energien eine Rolle spielen, sagte Essid.
Der Grünen-Antrag wurde in die Ausschüsse verwiesen.
Lesestoff:
Der Maghreb bietet sich als neuer Wirtschaftsraum an
Roland Krieg