Nicht der Geiz ist geil

Handel

Warum ist Aldi so erfolgreich?

> Werbung ist heute schrill, bunt und bietet praktisch über Handzettelwerbung, Rabatte, Sonderaktionen, Coupons nur noch den Preis einer Ware feil. Ist die Zukunft beängstigend für 5,9 Millionen Beschäftigte, die im Lebenseinzelmittelhandel (LEH) einen Wert von 205 Milliarden Euro erwirtschaften? Während in Europa Discounter wie Aldi und Lidl nur einen Marktanteil von 15,7 Prozent haben sind es in Deutschland 38,5 %. Ist die Zukunft Aldi?

Handelskongress in Berlin
Im Berliner Hotel Estrel trifft sich am 26. und 27. Oktober der LEH zum Deutschen Handelskongress. In Zeiten in denen Hartz IV, die Sicherheit der Rente und der Terrorismus die Menschen beschäftigen, so Plus-Chef Michael Hürter, sucht der Handel seine Position. Zu diesem Kongress hat gestern Klaus Halsig von A.C. Nielsen exklusiv seine Studie ?Winning Brands?, gewinnende Marken, vorgestellt. Neben dem überdurchschnittlichen Discounteranteil übernimmt Deutschland in Europa auch die Führung bei den Handelsmarken, den Eigenmarken der Ladenketten: 26,7 statt europaweite 23,8 Prozent. In der jüngsten Vergangenheit stieg der Umsatz der Discounter um rund ein Drittel und es scheint so weiter zu gehen, denn der Verbraucher kauft nur noch was billig ist? Lediglich in Großbritannien gibt es einen anderen Trend und die Menschen kaufen lieber qualitativ höherwertige Ware. Dort haben Discounter wegen ihres Image des ?billigen Jakob? nur einen Anteil von 6 Prozent. Aldi und Lidl halten die Hälfte davon, die andere Hälfte jedoch geht an den britischen Quicksafe.
Für die Bundesrepublik zeigt die Studie allerdings auch etwas überraschendes. Für Verbraucher ist das wichtigste Merkmal eines Handelsgeschäftes die Erreichbarkeit. Der Preis steht erst an zweiter Stelle. Warum kaufen also die Deutschen bei Aldi und Co.? Mit 34 Prozent reagieren deutsche Kunden als Europameister am deutlichsten auf Werbung. Zudem haben Aldi und Lidl so viele Geschäfte aufgebaut, dass sie die höchste Käufereichweite haben. Auf rund 5.000 Einwohner kommen zwei Discounter. Wichtiger als der Preis ist also die Infrastruktur. Die fast ausschließliche Preis-Werbung und die Erreichbarkeit haben dem Verbraucher eine Preisorientierung antrainiert, der er bei Nachfragen gar nicht bewusst wird. Dann stehen Qualität und Frische an erster Stelle. Aldi ist deshalb so erfolgreich, weil die beiden Brüder es verstehen über Jahrzehnte hinweg einen stimmigen Marktauftritt zu präsentieren. Das schafft zusätzlich zum Preis und der Erreichbarkeit eine ?Markenstärke der Einkaufsstätte?, wie es in der Studie heißt. Der anonymisierte Zweitplatzierte schafft gerade einmal zwei Drittel davon.

Mahlstrom Werbung
Michael Hürter ist sich in seinem Vortrag allerdings sicher, dass in dem derzeitigen ?Sodom und Gomorrha? des Handels die Spirale der lauten und schrillen Werbung ein Ende haben wird. Einerseits wird Werbung für die Beteiligten teurer, zum anderen ist der Verbraucher der ?kommunikativen Sintflut? nicht mehr gewachsen. Der Plus-Chef, der nach eigenen Angaben ?als Handelsmann im Regal groß geworden ist?, führt die kleinen Preise des Discounter als Beispiel einer gelungenen Positionierung von Marken an. Hinter den orangefarbenen Figuren steht ein diszipliniertes Konzept, das scheinbar spielerisch die Politik des Konzerns dem Verbraucher nahe bringt. Diese Kreativität schafft Waren, die Beständigkeit über die Schnelldreher-Mentalität der Konkurrenz bringt: Markenartikel haben beim Verbraucher einen überdauernden Marktwert. So zum Beispiel alleine die Marke Coca Cola, die mit Wort und Bild Emotionen an den Verbraucher bringt und seit Jahrzehnten weltweit etabliert ist. Götz-Michael Müller, Deutschland-Chef des Brauseherstellers beschreibt die Besonderheit der Konturflasche, die mitgeholfen hat einen Markenmythos zu schaffen, so dass die Flasche auch im Dunkeln wieder zu erkennen ist. Er sieht seit den 1980er Jahren den Getränkemarkt in einem großen Wandel. Die Vielzahl an verschiedenen Getränken und Verpackungen ist fast unüberschaubar geworden. Einen Seitenhieb auf das Dosenpfand konnte er sich nicht verkneifen:? Die Kunden sollen frei wählen wo und in welcher Verpackung sie Getränke kaufen.? Bei manchen Geschäften versteht er die Listungspolitik nicht, denn manche Läden fürchten die Einbuße bei den eigenen Marken, sobald etablierte Markenartikel in das Regal kommen. Der Cola-Chef sieht die Markenartikel jedoch eher als Referenzsystem für die Handelsmarken und damit einen Qualitätswettbewerb.
Innovationen sind auch der Brodem der Branche. Dafür allerdings muss sich die Bauordnungsnutzung der Gemeinden verändern, klagt Alfons Frenk, Vorstandsvorsitzender der Edeka AG. Ein Vollsortimenter braucht rund 1.500 qm Fläche, die in den Städten nicht mehr gegeben ist. Dort drängen die Discounter herein, die auf 800 qm mit ihrem kleineren Sortiment auskommen. Edeka erzielt in Süddeutschland bis zu 50 Prozent des Umsatzes aus dem Verkauf regionaler Produkte, womit sie sich gegenüber anderen Läden profilieren können. Allerdings will auch die Edeka ihren Umsatzanteil ihrer 680 Eigenmarken von heute 10 auf 15 Prozent in 2006 ausbauen.

Handels- oder Markenartikel
Es ist also weiter unentschieden, ob die Eigenmarken die Markenartikel verdrängen oder umgekehrt. Tempo, Cola oder Nivea sind so starke Marken, dass sie bereits als Gattungsbegriff für ihre Mitbewerber verwendet werden. Vor einiger Zeit kam Afri-Cola mit dem Retro-Trend wieder in die Regale. Es wird wohl neben der Marketingstrategie auch bald wieder die Qualität der Produkte entscheiden, ob Verbraucher zur Marke oder zum No Name ? Produkt greifen. Bereits die Großmutter wusste: Wir können es uns auf Dauer nicht leisten, so billig einzukaufen.

roRo

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