Ökologisch und gerechte Weltwirtschaft

Handel

Promotionskolleg zum „Handel fairwandeln“

Verbraucher müssen auf viele Dinge achten. Bio sollen die Produkte sein, regional, fair gehandelt und nachhaltig produziert. Die Projektion einer gerechten Welt in die Regale des Lebensmitteleinzelhandels führt zur Überfrachtung der Alltäglichkeit „Einkauf“. Der einzelne Konsument sieht kaum Erfolge, fällt seine Wahl auf ein Bio-Baumwollhemd oder auf einen Apfel aus seiner Region. Erst eine Summe der Kaufentscheidung wirkt nachhaltig. Was bei der Einzelkaufentscheidung resigniert, bleibt aber notwendig: unfreie Arbeit, Raubbau oder 850 Millionen Menschen im unterernährten Zustand. Ist es dann nicht sinnvoller, die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass am Ende jeglicher Produktion automatisch ein ökologisch und faires Produkt herauskommt?

Folgenabschätzung von Handelsabkommen: Umweltauswirkungen im Freihandel
Die Nachhaltigkeitsprüfung der EU wird während der Verhandlungen zum Handelsabkommen durchgeführt („Ex-ante-Verfahren“). Bei den Ergebnissen handelt es sich um Vermutungen, welche Auswirkungen das Abkommen in den jeweiligen Unterzeichnerstaaten voraussichtlich hervorrufen wird. Durch den frühen Zeitpunkt der Untersuchung können die Resultate in den Verhandlungen bspw. anhand von zielgerichteten Maßnahmen berücksichtigt werden.
Mit der Umweltprüfung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) zielen seine Unterzeichner Kanada, die USA und Mexiko darauf ab, die realen Auswirkungen des Abkommens zu evaluieren (Ex-post-Verfahren“).
Aranka Padhora; Wuppertal Paper Nr. 170

Ressourcenleichtere Weltökonomie
So haben sich drei Jahre lang sieben Promotionsstudenten in einem Kolleg des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und der Heinrich Böll Stiftung „in einer kleinen Zelle den Kopf zerbrochen, wie man diese nebulöse Welt ein klein wenig erleuchten kann“, so Prof. Dr. Wolfgang Sachs vom Wuppertal Institut. Zum abschließenden Promotionskolleg in Berlin wurden die sieben Arbeiten der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Streit der Weltgemeinschaft, so Prof. Sachs sei mehr ein Streit nach dem richtigen Leitbild. Die Menschenrechtsverfassung sei „die heimliche Weltverfassung“, aber es gebe noch die Umweltverfassung, wie das aktuell diskutierte Klimaprogramm der UN, und auch ökonomische Verfassungen in den verschiedenen Handelsverträgen. Das unerfreuliche daran sei, dass sie sich gegenseitig widersprechen und das Ziel sein müsse, alles unter einen Hut zu bringen. So werden Wasserechte in Chile von den Bergbaufirmen anders diskutiert als von Umweltverbänden oder den indigenen Völkern. Die Internationalen Aspekte sind bei der Moderation zwischen den Interessen noch gar nicht einbezogen. So haben sich die Wissenschaftler in dem Kolleg „über dieses Feld gebeugt“ und Bausteine für eine ökologische und gerechte Weltwirtschaft zusammen gestellt.

Die physische Seite des Handels: Ökologische Handelsindikatoren
Handelsinduzierte Umverteilungen von Ressourceninanspruchnahmen werden unter dem Blickpunkt internationaler Ressourcengerechtigkeit thematisiert. Ausgangspunkt ist, dass Handel dazu führt, dass der Vorteil der Güternutzung und der Nachteil der Umweltbelastungen, die bei der Produktion entstehen, räumlich getrennt werden. Anhand des Jahres 2000 wird auf der Grundlage von physischen Handelsbilanzen beispielhaft aufgezeigt, inwiefern sich durch den Handel die Vorteile der Nutzung und die Nachteile er Umweltbelastungen zwischen reichen und armen Ländern verschoben haben.
Monika Dietrich; Wuppertal Paper Nr. 166

Wo und was ist der richtige Ansatzpunkt?
Höhere Standards sind seltsame Dinge. Wer sie nicht einhalten kann oder will, klagt über eine Handelsverzerrung. Sind Standards in bilateralen Abkommen einfacher durchzusetzen, oder darf der Konsument nur noch regional einkaufen? Darüber sprach Herd-und-Hof.de mit den Wissenschaftlern Reinhild Bode und Justus von Geibler.
Eine „entweder - oder“ – Frage sei das nicht, sagte von Geibler. Man brauche alle drei Ansätze und was multilateral zum Nachteil werden könnte, kann auf den anderen Ebenen ausgeglichen werden. Der WTO-Standard sei kritisch, weil auf der multilateralen Ebene die ökonomischen Interessen überwiegen. Neue Ideen für die Nachhaltigkeit seien deshalb notwendig. Justus von Geibler, der im Promotionskolleg über die „Palmölzertifizierung unter Wachstumsdruck“ gearbeitet hat, sieht Fortschritte. Bei der Etablierung eines Umweltkomitees setzen sich auch andere Ideen durch. Dieser interne Weg sei wichtig, denn den bilateralen Abkommen „fehlen die Zähne“, die in der WTO mit dem weltweiten Klagerecht und Schiedsgericht vorhanden sind.
Wirksam sind auch Verbandsaktivitäten. Die Internationale Coffee Organisation (ICO) hat beispielsweise ihre Rolle im Welthandel verändert, sagte Reinhild Bode, die über „Spezialkaffee als Ansatz für eine öko-faire Gestaltung von Wertschöpfungsketten“ gearbeitet hat. Früher habe die ICO marktregulativ über eine Quotenverteilung für die Kaffeeproduzenten gearbeitet. Heute verstehe sich die Organisation mehr in der Rolle der Qualitätsbewahrer und Gestalter für eine nachhaltige Produktion. So hat die 4C-Initiative begonnen, die schlimmsten Auswüchse von Kinderarbeit oder Pestizideinsatz auszumerzen. Das sei aber keinesfalls mit den hohen Standards des Fairtrade – Kaffees zu vergleichen. Um investieren zu können, brauchen die Bauern Geld, das nur aus sichtbaren Standards erzielt werden kann.

Spezialkaffee als Ansatz für eine öko-faire Gestaltung der Wertschöpfungskette?
Festzuhalten ist, dass Spezialkaffee eine Alternative zur undifferenzierten Massenproduktion und den damit verbundenen Problemen struktureller Überproduktion darstellt. Gute Qualität wird dabei mit einem hohen Preis belohnt. Der Ansatz ist allerdings nicht für alle Kleinbauern gleichermaßen geeignet und Bedarf der Entwicklung von Alternativen bzw. anderer Formen der Differenzierung. Um Ökologie und Fairness der Beliebigkeit und Rhetorik der Kaffeeindustrie zu entbinden, sollten sich Spezialröster zur Einhaltung von Mindeststandards verpflichten.
Reinhild Bode; Wuppertal Paper Nr. 165

Sozialmetabolische Übergänge am Ende des Fossilzeitalters
Drei Perioden hat die Menschheit bislang durchgemacht. Vom Jäger und Sammler hat sich der homo sapiens über die Agrar- in die Industriegesellschaft entwickelt. Was danach kommt, sei noch ungewiss, prognostiziert Prof. Dr. Marina Fischer-Kowalski vom Institut für Soziale Ökonomie in Wien. Das könne der Post-Industrialismus sein, die Wissensgesellschaft oder die Nachhaltigkeitsgesellschaft. Jeder Wechsel ist eine Zeit der Unruhe und des Chaos. Möglicherweise so, wie Klimadiskussion und die Frage nach der Energiesicherheit manchen Verbraucher hinterlässt. Jede Periode ist durch ein sozialmetabolisches System geprägt. Jede Periode hat ihren Ressourcenverbrauch, ihre Infrastruktur und Technologie, ihre spezifische Verwaltung und Steuerung, spezifische demographische Verhältnisse sowie eigene Umwelteffekte.

Palmölzertifizierung unter Wachstumsdruck: wie wirksam sind Nachhaltigkeitsstandards bei steigender Nachfrage?
Am Beispiel der RSPO (Roundtable on Sustainable Palm Oil) zeigen sich die Grenzen nichtstaatlicher Standardsetzung bei dynamischer Nachfragesteigerung. Die Standardsetzung auf Produktebene ist nur in beschränktem Maße effektiv, denn die verbesserten Nachhaltigkeitsbeiträge können durch Rebound- und Wachstumseffekte aufgehoben werden. Daher sind hohe Anforderungen an die Zertifizierung insbesondere hinsichtlich indirekter Flächennutzungskonkurrenzen zu stellen.
Justus von Geibler; Wuppertal Paper Nr. 168

Aus der Sicht eines Zoodirektors charakterisiert Prof. Fischer-Kowalski den Menschen der jeweiligen Periode. Der Jäger und Sammler wäre mit 10 bis 20 GJ Energie- und einer Tonne Materialverbrauch pro Kopf und Jahr preiswert, aber kaum zu sehen, weil: ständig unterwegs. Der Mensch in der Agrargesellschaft verbraucht schon 40 bis 70 GJ Energie und zwei bis drei Tonnen Material. Er hat angefangen Biomasse anzubauen, muss Gebäude für die Lagerhaltung bauen und sie bewachen. Für den Zoodirektor langweilig, weil alle Menschen das gleiche tun. Am interessantesten wäre der Mensch des Industriezeitalters. Der ist ständig aktiv, individualisiert und abwechslungsreich. Aber: Er ist der teuerste: Der Industriemensch verbraucht 150 bis 400 GJ Energie und 15 bis 25 Tonnen Material pro Kopf und Jahr. Die Basiswerte sind: 3,5 GJ Energie und eine Tonne Materialeinsatz.
Absolut potenziert sich die Bilanz mit der steigenden Weltbevölkerung und das Ende des Wachstums ist da. Würden die Industrieländer ihr Energieniveau um 30 Prozent senken, und die Entwicklungsländer auf dieses Niveau aufschließen, hätten wir den 2,5fachen Ressourcenverbrauch der auf der Erde möglich ist. Die Soziologin warnt: Bislang hat noch kein einziges Industrieland absolut seinen Energieverbrauch gesenkt.

Multi-Stakeholder Governance von Standards in globalen Bekleidungsketten
Da Regierungen in Entwicklungsländern nicht mehr dafür sorgen können, dass Arbeitsstandards eingehalten werden, findet die Regulierung sozialer Arbeitsstandards über private Akteure statt. Doch diese Governance sozialer Standards über die Wertschöpfungskette wird immer wieder als wenig effektiv und legitim kritisiert. Deswegen gibt es mittlerweile „Governance-Netzwerke“. An den empirischen Beispielen Fair Wear Foundation (FWF) und der Business für Social Compliance Initiative (BSCI) untersucht der Autor die Wirkweise. Das Papier kommt zu dem Ergebnis, dass er Ansatz der FWF wesentlich stärker als der BSCI-Ansatz dazu beiträgt, dass Wertschöpfungsketten fairer gestaltet werden können.
Mark Starmanns; Wuppertal Paper Nr. 169

Gleiche Entwicklung in allen Gesellschaften
Prof. Fischer-Kowalski stellte erstmals ihre Untersuchungen der Öffentlichkeit vor. Die Studie liegt gerade beim Fachmagazin PNAS zur Review vor und wird dort demnächst veröffentlicht.
Sie hat auf der Basis von Übergängen zwischen Agrar- zur Industriegesellschaft die gleichen Muster gefunden. Was in England zwischen 1700 und 2000 mit dem Nutzungswandel der Energie von Biomasse über Kohle zu Gas und Öl passiert ist, finde in jedem anderen Land identisch statt. Vielleicht etwas später, wie jetzt auch in China und demnächst in Afrika, vielleicht etwas effektiver und schneller – aber alle werden den Höhepunkt des fossilen Energieeinsatzes entwickeln. Soziologisch gesprochen: Alle Menschen laufen auf das gleiche sozialmetabolische Profil der Industrieländer hinaus.

Biodiversität als Gemeinschaftsgut versus geistige Eigentumsrechte als unfaires und undemokratisches Element ökonomischer Politik
In einem ersten Schritt werden negative Effekte geistiger Eigentumsrechte an genetischen Ressourcen benannt und ihre konkreten Auswirkungen auf die Gesellschaften dargestellt. Kontrollfunktion, Vorrang von Profiten gegenüber Menschenrechten, Umverteilungen finanzieller Ressourcen von Arm zu Reich, Wissensverlust und Biopiraterie sind nur die prägnantesten Folgen und gleichzeitig Ansatzpunkte für die geistige Eigentumskritik sozialer Bewegungen.
Georg Kaiser; Wuppertal Paper Nr. 164

Weniger Energieeinsatz ist möglich
Der Human Developement Index (HDI) beschreibt objektive Faktoren wie die Erreichung einer bestimmten Lebenserwartung durch medizinische Hilfe, Ausbildungsmöglichkeiten oder Einkommenserzielung. Diese Parameter können in Relation zum Energieeinsatz oder der Produktion von Kohlendioxid gesetzt werden. Das hat Dr. Fischer-Kowalski ganz aktuell getan und die ersten Ergebnisfolien ihrer Forschung in Berlin aufgelegt. Europa hat einen HDI von 0,86, was beispielsweise bedeutet, dass 96 Prozent aller Menschen eine Schulausbildung haben. In vielen Ländervergleichen konnte die Wienerin ermitteln, dass der HDI nur wenig Energieeinsatz braucht, liegt er bei 0,2, um ihn auf ein vernünftiges Niveau zu bringen. Hingegen sind Steigerungen der Lebensqualitäten vom hohen europäischen Niveau nur noch energieintensiv – aber vergleichsweise ertragsarm. Hier greift in extremen Maß das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs.
Als nächstes will die Soziologin ermitteln, warum Länder hohe Lebensqualitäten bei geringem Energieaufwand und geringer Kohlendioxidproduktion aufweisen. Die Ergebnisse könnten dann als Vorzeigemodell für die Länder gelten, die ihre Ressourcen verschleudern.
Insgesamt haben die Ergebnisse bislang gezeigt, dass alle Länder dieser Welt einen HDI von 0,8 aufweisen könnten, wären die Ressourcen gleich verteilt. Und das bereits im Jahr 1990. Weitergehende Analysen könnten dann auch herausfinden, warum die Gleichverteilung schief läuft. Wie viel Erde braucht der Mensch?
Nach Prof. Sachs braucht der Mensch sogar noch weniger Ressourcen, als es der HDI anzeigt. Subjektive Zufriedenheitsanalysen (Happy Planet Index) zeigen, dass beispielsweise die Menschen in Mittelamerika am zufriedensten mit ihrem Lebensstil sind. Soziale Kontakte und gesellschaftliche Kultur machen Menschen offenbar auch mit weniger Ressourceneinsatz zufrieden.

Global Governance in Partnerschaften. Die EU-Initiative „Water for Live“
Nicht die Einführung von Preisen, sondern die Übernutzung und Verschmutzung der natürlichen Ressourcen belasten sowohl Ökologie und Fairness. Wasser wird weltweit unabhängig davon, ob es einen Preis erhält, zu Luxuszwecken (Golfplätzen, Fünfsternehotels) verschwendet, während es armen und indigenen Bevölkerungsgruppen sowie dem natürlichen Ökosystem entzogen wird. Die Debatte zur Kommodifizierung und Privatisierung von Wasser bezeiht sich in erster Linie auf die Versorgung von Haushalten und klammert die Ressourcenübernutzung durch multinationale Konzerne im Welthandelsregime aus.
Dr. Lena Partzsch; Wuppertal Paper Nr. 167

Bestandteil der politischen Diskussion
Das Promotionskolleg wurde von Prof. Sachs zum dritten Mal durchgeführt. 2005 wurde das Buch „Fair Future“ daraus und der Bericht „Slow Trade – Sound Farming“ zeigt, dass die Wissenschaftler nicht nur über Themen aktueller öffentlicher Diskussionen forschen, sondern ihre Ergebnisse die Diskussion prägen. Die sieben Dissertationen des aktuellen Promotionskolleg sind als Arbeitspapiere unter www.wupperinst.org/globalisierung einzusehen.

Roland Krieg

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