„of de Werser geiht or steiht“

Handel

Bremen auf dem Weg zur Biostadt

Am Dienstag ist es wieder soweit. Seit 1828 prüfen die Bremer, ob die Weser zugefroren ist oder noch fließt. Die Wettsieger freuen sich über das Kohlessen, das die Verlierer, nach Auftauchen aus den kalten Fluten, zahlen müssen. Der Blick auf das Thermometer heute gibt klare Auskunft, wie die Wette morgen ausgehen wird.

Ähnlich klar soll der Weg Bremens zur Biostadt sein, den die Bremer Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Hafen im Herbst 2014 beschlossen hat. Die Deputationen sind beim gleichnamigen Senat angesiedelt und können die Verwaltungspolitik zwischen Stadt und Land Bremen unterscheiden.

Die Deputation hat sich im letzten Jahr mit einer Initiative beschäftigt, die vom Verein Sozialökologie und der Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft (EVG) bereits 2008 vorgestellt wurde: Das Konzept „Biostadt“ soll nach Münchener Vorlage „mehr Bio aus und für Bremen“ zur Verfügung stellen. Zeit wird es, denn 2015 sind Wahlen und der rot-grüne Senat hatte die Umsetzung für die laufende Legislaturperiode in den Koalitionsvertrag geschrieben. Doch bislang „steiht“ das Konzept im Gegensatz zur Weser auf Eis.

Ökodorf und „Bio-Deichbankett“

Neben der Bio-Brotbox für die Erstklässler führt die Hansestadt Aktionen wie das Ökodorf und das „Bio-Deichbankett“ auf der Breminale durch. Die „Biostadt Bremen“ will noch mehr: Eine Internetseite inklusive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, mehr Bioverpflegung in Kitas, Schulen, Messen und öffentlichen Kantinen, sowie bei Großveranstaltungen wie Heimspielen des Bundesligavereins Werder Bremen, mehr Bio in der Gastronomie und gezieltem Einkauf von Biomilch.

Handel, Verarbeitungswirtschaft und Landwirte sollen von die Initiative profitieren und Investoren anlocken, um mit Bundes- und EU-Geldern die Ernährungswirtschaft beflügeln, heißt es in der Vorlage.

Tragfähigkeit?

Der Weser-Kurier ist skeptisch. Für die Zeitung klingt die Initiative „wie der kollektive Vorsatz einer ganzen Stadt für das neue Jahr“ [1]. Die Vorzeichen stünden gut, aber Vorsätze haben eine kurze Laufzeit. Weil konkrete Zielvorgaben und eine Zertifizierung fehlen, werde nicht mehr als ein Marketing-Begriff übrig bleiben – heiße Luft, die auch im am nächsten Dreikönigstag den Wettausgang beim Gang über die Weser festlegt.

Die wichtigsten Bremer Wirtschaftszweige sind Windkraft (150 Unternehmen / 4.500 Beschäftigte), Luft- und Raumfahrt (140 / 12.000) und Maritime Wirtschaft und Logistik (1.300 / 74.000).

In der Tat kann die Hansestadt nicht mit Bauern glänzen, aber ein Markt für die Landwirte aus dem benachbarten Niedersachsen werden. Und: In jedem deutschen Haushalt steckt ein Stück Bremen, wie die Wirtschaftsförderung Bremen GmbH weiß. Mit Bier aus der grünen Flasche, dem Tiefkühlexperten, der in seiner Werbung die Gewürze aus dem geteilten Bildschirm holt, fast allen großem Kaffemarken und einem großen Schokoladenhersteller bezeichnet sich die Bremer als „Capital of Branding“.

Kakao ist ein Genussstoff, der in der Stadt mit dem Überseehafen Tradition hat. Seit 1890 werden in Bremen edle Schokoladen und Pralinen hergestellt. Seit 1964 produziert eine amerikanische Firma heute täglich eine Million Packungen Corn Flakes für das deutsche Frühstück, Mühlen beliefern deutsche Küchen mit Mehl und deutsche Tröge mit Futter.


Entladung von Soja in Bremen

Untrennbar ist die Ernährungsindustrie mit der Entwicklung der Überseehäfen verbunden. Neben Bremen und Bremerhaven zählt auch das „Modul“ Wilhelmshaven dazu.

Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie ist „ein starkes Stück“ Bremen und erzielt mit 9.000 Beschäftigten rund vier Milliarden Euro Umsatz [2].

Bio kann mehr sein als die Kita-Verpflegung.

Lesestoff:

[1] Weser-Kurier 02.01.15

[2] www.wfb.bremen.de

Roland Krieg; Fotos: roRo

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