Olympiade der Ernährungsindustrie

Handel

Mehrkampf der Ernährungsindustrie auf der ANUGA

In den nächsten Tagen erwartet die Kölner ANUGA-Messe mehr als 155.000 Fachbesucher aus 180 Ländern. Mit über 6.700 Ausstellern aus 98 Ländern ist die weltweit größte Leitmesse der Ernährungsindustrie größer als jemals zuvor. Der Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters bezeichnete die ANUGA zur Eröffnung am Samstagvormittag als „Olympiade der Ernährungsindustrie“. Neben neuen Produkten und Geschäftsanbahnungen gibt es Gelegenheit, die Sorgen und Wünsche der Branche zu benennen.

Disziplin Umsatz

Bislang hat die Ernährungsbranche in Deutschland 129 Milliarden Euro Umsatz erzielt. 6.000 Kaufleute aus dem deutschen Mittelstand zeichnen nach Friedhelm Dornseifer, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels, dafür verantwortlich. Die Branche nimmt in Deutschland Platz vier ein, in Europa jedoch sogar den ersten Platz, ergänzte Dr. Wolfgang Ingold, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. 550.000 Menschen arbeiten in der Branche und stehen jeden Tag auf, um den Verbrauchern qualitative Produkte bereitzustellen.

Globales Ringen

Fast ein Drittel des deutschen Umsatzes erzielt der Export. Die enge Verflechtung ist nach Dr. Ingold ein Ergebnis des gesättigten Marktes in Deutschland. Dabei steht nicht nur das Exportgeschäft im Vordergrund, sondern auch der Import von Rohstoffen, der für die Verarbeiter von essentieller Bedeutung sei. Eine günstigere Gelegenheit als die ANUGA, vielen Einkäufern aus verschiedenen Ländern neue Produkte zu zeigen, gibt es kaum.

Kampf der Regionen

Unter dem Aspekt betrachtet Dr. Ingold den Trend zur Regionalisierung mit Sorgen. Das sei ein klassischer Verstoß gegen den europäischen Gedanken des freien Warenaustausches. „Teillösungen“ dürfen das große Ganze nicht „verpflastern“. Das sieht auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger so. Die ANUGA sei eine Leistungsschau, die aufzeige woher der soziale Wohlstand komme. Export und heimische Versorgung seinen zwei Standbeine der Ernährungsbranche: Trollinger und Bordeaux.

Der F-Sechskampf

Food, Feed, Fuel, Forest, Fibre und Fish. Die wachsende Bevölkerung verlangt mehr verarbeitete Produkte. Die sechs „F“ stehen deshalb bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) an exponierter Stelle, bekannte EIB-Präsident Dr. Werner Hoyer. Steigende Produktivität, sinkende Ernteverluste und erhöhte Energie-Effizienz gehören zu den Förderkriterien der EIB. Ohne Forschung und Entwicklung können die Herausforderungen nicht gelöst werden.

Hürdenlauf Kapitalisierung

Dr. Hoyer fordert mehr Anstrengungen für den EU-Binnenmarkt. Die Grenzen zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten bilden noch zu große Hürden. So haben die Südtiroler einen Kapitalisierungsnachteil von 2,5 bis fünf Prozent gegenüber den österreichischen Unternehmen, die nur wenige Kilometer weiter nördlich angesiedelt sind. Während große und multinationale Konzerne solche Untiefen umgehen können, bilden sie vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmer Wachstumsgrenzen und Wettbewerbsnachteile.

GVO-Doping

EU-Kommissar Günther Oettinger will keine Technologien von vorne herein ausschließen. Deutschland gesteht er eine Technologiekompetenz zu, aber mit dem Ausgrenzen der grünen Gentechnik, könne vielleicht „Oberschwaben“ ernährt werden, aber nicht die „50.000 Millionen“ Menschen, die 2015 auf der Welt sein werden.

Lohnwettkampf

Werkverträge und schlechte Bezahlung sind für Oettinger durchaus nicht hinnehmbar. Aber die Politik müsse sich aus der Verhandlung zwischen Unternehmen und Gewerkschaften heraushalten. Werde zu viel zu schnell gefordert, wandere die Fleischbranche in die Ukraine aus, warnt Oettinger. Bei den notwendigen Fortschritten in der Lohnpolitik müsse eine Balance gefunden werden, die mögliche negative Auswirkungen verhindert.

THG-Limbo

Erneuerbare Energien sind das Tagesgeschäft des EU-Kommissars. Doch muss auch bei der Reduzierung der Treibhausgase (THG) das richtige Maß gefunden werden. Deutschland emittiere zwar 2,4 Prozent des weltweiten Ausstoßes, aber selbst wenn dieser auf null gesetzt werden könnte, entspräche es gerade einmal dem chinesischen Anteil aus 17 Monaten. Die Weltprobleme sind demnach nicht durch eine Vorreiterrolle zu lösen. Das sei eine „arrogante“ Vorstellung.
Für Deutschland habe das EEG in den ersten Jahren gute Dienste geleistet, aber jetzt müsse es dringend reformiert werden. Der Ausbau von Wind- und Sonnenstrom ohne Berücksichtigung von Speicherkapazitäten und überregionalen Netzen müsse korrigiert werden.

Der Olympische Frieden

Olympia steht immer im Zeichen des Friedens. So auch die Ernährungsbranche im Sinne Oettingers. Der internationale Speiseplan überwinde kulturelle Positionen. „Bei der Globalisierung Ihrer Industrie handele es sich um eine friedensstiftende Idee“, sprach der den Unternehmen Mut zu. Nach Oettinger müsse sich der Gedankenhorizont weiten. Die Deutschen sind im Durchschnitt 44 Jahre alt. Der Durchschnittseuropäer ist mit 40 Jahren schon ein wenig jünger, der Durchschnittstürke mit 29 Jahren noch viel jünger. Der demografische Wandel gebe einen Hinweis darauf, wie sich Märkte künftig weiter entwickeln werden.

Roland Krieg, Fotos: roRo

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