Organic 3.0 als Weckruf der BioFach
Handel
Bio auf der nächsten Stufe
Rund 40 Aussteller auf der heute in Nürnberg startenden
BioFach waren bereits vor 25 Jahren dabei. Das mit einer Torte am Dienstag vor
der Presse gefeierte Jubiläum der Messe, die 1999 nach Nürnberg umzog, wartet
mit nichts weniger auf als mit dem Auftrag und dem Versprechen „Organic 3.0“.
Udo Funke, Leiter der BioFach und Vivaness bei der
Nürnberg Messe beschreibt den Wandel. Ging es zu Beginn um einzelne Produkte,
so stehen derzeit ganze Konzepte einer ökologischen Lebensweise im Fokus.
Zukunftsforscherin Hanni Rützler hat daher zur Messe eine Trend- und
Potenzialanalyse herausgebracht. Denn, so Funke: Hier in Nürnberg trifft sich
die Zukunftsgeneration der Branche. Nach erfolgreicher Einführung der Erlebniswelt „Käse“ im letzten Jahr haben die
Nürnberger das Konzept auf Olivenöl, Wein, Fisch und Kaffee erweitert.
Die Messe hat für die Zukunft daher nicht
wissenschaftlich einen „Call for Papers“ veröffentlicht, sondern gleich einen „Call
for Ideas“. Fünf Cluster wurden für die BioFach 2014 zusammengestellt: Trends und Innovationen, Erlebniswelten,
Fachhandelstreff, Generation Zukunft sowie der umfangreiche Kongress.
Messeauslastung
Petra Wolf, in diesem Jahr erstmals verantwortlich für
die BioFach, spricht von einer stabilen Messenachfrage. Die Zahl der
Hauptaussteller ist gleich geblieben, während viele kleinere Aussteller nicht
mitzogen. Zum einen liefen im Ausland Förderungen für Messebeteiligungen aus,
zum anderen haben sich kleine Aussteller erst kurz vor Messestart um einen
Auftritt bemüht. In der Summe sank die
Ausstellerzahl von 1.727 im letzten Jahr auf 1.566 in diesem Jahr. Schwund gibt es auch im deutschen Sektor.
Kamen 2012 noch 732 Aussteller, sind es heute nur noch 669. Ein Teil nimmt nach
Petra Wolf die Angebote der vier Regionalmessen Nord, Süd, Ost und West wahr.
Direktvermarkter sind umgezogen, die großen bleiben auf der BioFach. Ungebrochen
aber ist der Fachbesuchertrend. Da kommen auch die Besucher, die per
Ausstellungsstand der Messe fern bleiben. Hier zieht der Kongress und die
Trendforschung sowie der Austausch innerhalb der Branche.

Insgesamt sammeln sich bis Samstag 2.235 Aussteller auf der BioFach. Sie kommen aus 76 Ländern. Neben Deutschland mit 669 Ausstellern schaffen es Italien (326), Spanien (113), Frankreich (111( und die Niederlande mit 85 Ausstellern in die Top Five. 192 Firmen präsentieren sich auf der Vivaness, der Messe für Naturkosmetik-
Organic 3.0
Die Zukunftsstudie beschäftigt sich mit den Kernthemen
Ressourcen, Wirkung und Transparenz. Der Gesellschaftswandel, so die Studie,
wirkt auf die Bioszene in sechs Megatrends, die den Blick auf Ernährungs- ,
Koch- und Einkaufsverhalten verändern:
Individualisierung ist der stärkste Treiber und führt
zu einer Ausdifferenzierung der Lebenskonzepte. Konnektivität beschreibt den
neuen Umstand der Vernetzung untereinander. Die Neo-Ökologie legt dem
wirtschaftlichen Handeln Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz zugrunde.
Globalisierung beschreibt eine neue Machtverschiebung hin zu asiatischen und
südamerikanischen Ländern. Gesundheit entwickelt sich zu einem neuen Markt und
Eckpfeiler der Wirtschaft. Mobilität bleibt weiterhin wichtig, wenn sich auch
die Mobilitätsformen zu vielfältigen Alternativen hin entwickeln.
Gleich bleibt das Credo „Nur noch kurz die Welt retten“,
was in der Studie eine eigene Überschrift bekam – aber auch der Ausbreitung der
Biowelt Grenzen in der Alltagspraxis zu setzen vermag. Die Welt wird kleiner
und Bio muss sich immer stärker von „Greenwashing“ unterscheiden, bis es zur
gelebten Corporate Social Responsibility wird, schreibt Rützler. Eine der
Probleme: Der Vorsprung von Bio gegenüber „Konventionell“ wird immer kleiner:
Abwesenheit von Pestiziden, Verzicht auf Wachstumshormone, der Verzicht auf
künstliche Aromen sowie die Ablehnung von grüner Gentechnik steht im
konventionellen Bereich nur wenige Prozentpunkte hinter den Bio-Konsumenten.
Regio schlägt Bio
Hanni Rützler wirft auch ein Schlaglicht auf ein unbequemes Thema: „Regio ist das neue Bio!“ Bislang wurde meist nur hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen, denn Bio ist mit dem Prinzip des Nährstoffkreislaufes und des regionalen Handwerks prinzipiell lokal ausgerichtet. Doch scheinbar hat die Regionalität dem Bio in der Konsumentenwahrnehmung trotz verschiedener „Bio mit Gesicht“ – Strategien die Nachbarschaft gefehlt: „Wirkliche oder vermeintliche „Bio-Skandale“, xenophobe Tendenzen sowie die Tatsache, dass Bio-Produkte auf den globalen Märkten gehandelt werden, die vielen Konsumenten undurchschaubar und unkontrollierbar scheinen, haben lokal produzierte Lebensmittel vielfach einen größeren Vertrauensvorschuss eingebracht als Bio-Produkten“, schreibt Rützler in der Studie Organic 3.0. Vintage ist „in“, auch wenn manche Standards niedriger als im Biosektor sind. Die Bio-Branche müsse diesen Trend nutzen, ohne von ihm „verschluckt zu werden“.
Oder doch nicht?
Dr. Mirjam Hauser vom Gottlieb Duttweiler Institut aus der Schweiz hat für die BioFAch 2014 in ihrem Consumer Value Monitor Food keinen Gegensatz ausgemacht. „Bio, Regionalität, Fair Trade und Slow Food sind in ihrer Wahrnehmung so gut wie deckungsgleich“, sagte sie in einem Interview mit der Nürnberg Messe. „Sie decken alle positiven Wertefelder ab. Letztlich kann der Konsument aber nicht einschätzen, ob die regionale konventionelle oder die Bio-Tomate aus Spanien „besser“ ist.“
Roland Krieg
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