„Original German Currywurst“

Handel

Feindesign für den Export der Agrarwirtschaft

Seit dem ersten Außenwirtschaftstag des Agrar- und Ernährungsgewerbes haben sich die Rahmenbedingungen nicht geändert. Nur die Zahlen: Nach Berechnungen der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) hat die Ernährungsbranche im ersten Halbjahr 2010 einen Umsatz von 72,9 Milliarden Euro erzielt, was nur 0,2 Prozent unter dem Vorjahresergebnis liegt. Von den auf das Jahr hochgerechneten rund 150 Milliarden Euro verdient die Branche bei einer Exportquote von 26 Prozent 50 Milliarden Euro im Ausland. Nach Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner ist das „eine ernst zu nehmende Größe“. Das Gewerbe ist das Fünft wichtigste in Deutschland und stellt jeden zehnten Arbeitsplatz. Für viele Unternehmer habe sich der Export neben dem Binnenmarkt als wichtiges Standbein etabliert.

Exportförderung als Türöffner
Ilse Aigner stellte auf dem zweiten Berliner Außenwirtschaftstag klar, dass es nicht um den Export in arme Länder gehe. 80 Prozent des Agrarexports bleibt innerhalb der EU, es folgen die USA, Russland und China. Exotische Länder, denen auf dem Wirtschaftstag Foren gewidmet waren sind allesamt wirtschaftlich aufstrebende Schwellenländer, wie Brasilien oder Indien.
Damit die Unternehmen die Märkte auch erschließen können, soll die German Export Association for Food and Agriproducts (Gefa) zusammen mit der Politik die Türen zum Markt öffnen. Als Nachfolger der CMA und mit Hilfe von 20 Agrarreferenten und den Außenhandelskammern sollen Messen und Börsen Exporteure, Händler und Importeure zusammen bringen. Nach der finanziellen Startausstattung von 2,5 Millionen Euro in diesem Jahr, stehen im nächsten 10,5 Millionen Euro bereit – „Von der Sparklausur ausgenommen“, so Aigner. Die Ministerin wies darauf hin, dass die Fördergelder degressiv ausgelegt sind und die Politik nur anschieben kann. Fahrt aufnehmen und das Geschäft halten müssten die Unternehmer selbst: „Die Wirtschaft macht Wirtschaft!“.
Das begrüßte zwar Jürgen Abraham, Vorsitzender der BVE, doch die Mittel sind ihm zu wenig. Frankreich, Portugal oder Polen fördern ihren Agrarexport mit bis zu 40 Millionen Euro.

Problem Kartellrecht
Seit dem ersten Außenwirtschaftstag habe die Gründung der Gefa der Branche positive Signale gegeben. Doch auf „Nebenkriegsschauplätzen“ hapere es noch. Unternehmen verbrächten „viel Zeit und gutes Geld“ mit der Lösung kartellrechtlicher Fragen. Wenn schon beim Sprechen über Preise Geldbußen von bis zu zehn Prozent des Umsatzes drohten, kaufe niemand mehr Maschinen oder entwickle niemand mehr neue Produkte, so Abraham. „Hardcorekartelle und Preisabsprachen“ müssen verboten werden, so Abraham, aber das derzeitige Kartellrecht sei eher ein Korsett für die Unternehmen. Mäßigung sei angesagt. China und Indien hätten weniger Regeln und rechtliche Vorschriften und drohten den deutschen Export abzuhängen.

Feindesign der Erfolgsgeschichte
Mehr als 941 Milliarden Exporteuro stehen für das positive Image „Made in Germany“, sagte Prof. Dr. Joachim Zentes vom Institut für Handel und Internationales Marketing aus Saarbrücken. Die Exportquote der Agrar- und Ernährungsbranche hat sich in der Zeit zwischen 2000 und 2006 von 17 auf 26 Prozent erhöht und ist auch im Volumen absolut gestiegen. „Original German Currywurst“ ist ein im Ausland beliebtes Produkt.
Hinter dem Erfolg stehen die aus der Maschinenbranche bekannten Attribute Sicherheit, Qualität und Zuverlässigkeit. Doch so erfolgreich der Handel mit deutschen Agrargütern auch ist, so weist er nach Prof. Zentes Defizite auf. Die Franzosen belegen ihre Produkte mit dem Image der „kulinarischen Kompetenz“, die Schweizer über ihrer „Swissness“ eine hohe Produktqualität. In beiden Bereichen habe Deutschland Nachholbedarf, was Prof. Zentes als Chance verstanden wissen will, neue Märkte zu erschließen und bestehende zu stärken. Für beide Bereiche seien auch im Ausland die Verbraucher bereit mehr zu bezahlen.
Außerdem liegen die Wachstumsmärkte außerhalb der tradierten Exportrouten. In Europa werde die Bevölkerungszahl sinken, doch in China und Indien bilde sich eine konsumstarke Mittelschicht heraus. In Afrika ist das Bevölkerungswachstum am höchsten. Von heute 0,9 Milliarden wird die Zahl der Afrikaner bis 2050 auf 1,9 Milliarden ansteigen. In Ostasien werde sich der Fleischkonsum bis 2050 auf 80 Kilogramm Fleisch pro Jahr und Person verdoppeln. Damit meint Prof. Zentes nicht die so genannten „Chen“-Produkte Schwänzchen, Öhrchen und Pfötchen, sondern Fleisch im Stil der abendländischen Esskultur.
Allerdings werde das kein Allheilmittel sein, denn der Marketingprofessor prognostiziert im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion veränderte Handelsgleichgewichte. Transportwege werden hinterfragt und die lokale Produktion gewinne an Bedeutung. Die Konsumenten werden sich in „Nahfresser“ und „Allesfresser“ differenzieren.

Roland Krieg

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