Papier, Pappe und Karton

Handel

Vom Lumpen zum Hochglanzpapier aus dem Wald

Nicht weit entfernt von der Nürnberger Steubenbrücke über die Pegnitz, lag die Gleismühle am parallel zur Pegnitz geführten Goldbach. Der hat die Wöhrder Wiese nach Süden in Richtung Hauptbahnhof abgrenzt. Heute steht ein Rehazentrum an der Straße „Hadermühle“, die über den Goldbach führt. Dort hat 1390 eine Mühle gestanden, die in die deutsche Geschichte einging.

Aber der Zeitstrahl beginnt noch weit vorher. Als der Mensch die Schrift entwickelte, suchte er Unterlagen, die das Wort bewahrten. Weiche Tontafeln und Speckstein waren unhandlich. Die Ägypter schrieben auf Papyrus, über Kreuz geschlagene und getrocknete Fasern der Schilfpflanzen. Der Wechsel von einer anorganischen zu organischen Schreibunterlage war geschafft – der Weg zur Erfindung des Papiers noch weit. Zwischen Papyrus und Papier liegen rund 5.000 Jahre und ein Kontinent. Der chinesische Minister Tsai Lun hat als erster die Herstellung von Papier im Jahre 105 n. Chr. beschrieben. Als geheime Kunst eingeordnet, wurden Pflanzenfasern zerstampft, in Wasser aufgelöst und mit einem Sieb entwässert. Ein kaiserlicher Erlass forcierte die Nutzung von Papier, mit dem aber vorher schon Kräutern und Medikamenten verpackt wurden.

Papier aus Lumpen

Die Araber haben aus den chinesischen Kunstfertigkeiten einen industriellen Prozess gemacht. Sie nutzten Hanf und Flachs und führten mit der Oberflächenleimung eine bessere Beschreibbarkeit ein. In Bagdad stand im Jahr 793 die erste Papierfabrik. Die Araber verteilten das Wissen über Spanien bis nach Marokko, wo weitere Papierfabriken entstanden. Die erste deutsche Papiermühle gründete der Kaufmann und Ratsherr Ulmann Stromer eben an jenem Goldbach, der 1390 noch vor den Toren der Stadt Nürnberg lag. Die Herstellung von Papier war lukrativ und Ulmer baute eine alte Getreidemühle mit 18 Stampfwerken um. Er stellte Feinpapier allerdings nicht aus Pflanzenfasern, sondern aus alten Lumpen („Hadern“) her. Innerhalb von 50 Jahren entstanden in Deutschland zehn Papiermühlen und mit den Lumpensammlern, Sortierern, Schöpfern und Gautschern, die Papierbogen auf Filz ablegten, neue Berufe.

Der Papierbedarf überstieg bald die Rohstoffe. Es wurden Versuche mit Torf und Wespennester gemacht, die letztlich 1840 zum Rohstoff Holz führten. Mit einer patentierten Holz-Schliff-Maschine gelang es schließlich Fasern ähnlich wie in einem Wespennest zu erschaffen – der nachwachsende Rohstoff für Papier war gefunden.

Bis heute wird Papier wie einst in China nicht nur zur Verbreitung von Wort und Wissen, sondern auch als Verpackungsmaterial genutzt. Der Unterschied zwischen Papier, Pappe und Karton liegt allein in der flächenbezogenen Masse.

Die Nachfrage steigt

Der Computer hat den Papierbedarf nicht verringert. Das papierlose Büro gilt heute als Utopie. Gewaschene und gesiebte Holzfasern gewinnen weltweit sogar noch an Bedeutung. Bis 2030 soll die weltweite Nachfrage nach Papier auf 493 Millionen Tonnen steigen [1]. Es gibt eine Verschiebung im Sortiment, die Urbanisierung erfordert mehr Verpackungsmaterial.

Das nutzen auch die deutschen Papierhersteller. Auf der Düsseldorfer Interpack im Mai 2014 hat sich die Wertschöpfungskette Papier-, Karton- und Pappeverpackung gemeinsam präsentiert.

625 Jahre Papiermühle

Im letzten Jahr hat die Papierindustrie ihre Produktion mit 22,5 Millionen Tonnen leicht steigern können, vermeldet der Verband Deutscher Papierfabriken (VDP). Die Verluste bei grafischen Papieren haben die Gewinne bei Verpackung, Hygiene und Spezialpapier ausgleichen können. Da die Papierindustrie kapitalintensiv ist, reicht die Steigerung aber nicht aus. „Von einem Durchschreiten der Talsohle kann jedoch keine Rede sein“, sagte Dr. Wolfgang Palm, VDP-Vizepräsident.

Gelegenheit, die Papierindustrie kennen zu lernen, bietet sich am 27. Juni. Bundesweit lädt ein Teil der 165 Betriebe zum Tag der offenen Tür. Hintergrund ist Start der deutschen Papiermühle vor 625 Jahren. Die deutsche Papierindustrie ist die größte in Europa und liegt weltweit an vierter Stelle. Mit einem Anteil von 55 Prozent Altpapier nehmen die Betriebe einen wichtigen Platz in der Kreislaufwirtschaft ein.

Lesestoff:

Mehr über die Geschichte des Papiers und welche Betriebe zum Tag der offenen Tür einladen finden Sie unter www.vdp-online.de

[1] Studie zum weltweiten Papierbedarf

Roland Krieg

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