Politik labelt Entwicklungshilfe falsch
Handel
Fluchtursachen bekämpfen ist keine strukturelle Entwicklungsarbeit
Wie erfolgreich war das Afrika-Jahr 2017? Im Jahresbericht 2017 beantwortet Prof. Dr. Claudia Warning aus dem Vorstand von „Brot für die Welt“ die Frage gleich selbst: Der durchaus positiv zu bewertende „Marshallplan für Afrika“ war nur ein Aktionsplan zwischen Vielen. „Die unterschiedlichen Papiere sorgten auch bei unseren Partnern für Verwirrungen. Gemeinsam ist allen Papieren die Idee, die Rahmenbedingungen für Investoren zu stärken und damit die lokale Wirtschaft wachsen zu lassen. Der Fokus liegt allerdings auf Auslandsinvestitionen der Privatwirtschaft. Damit fehlt die Stärkung der lokalen und regionalen Wirtschaft.“ Ohne eine Konditionierung der privaten Gelder gibt es automatisch weder neue Beschäftigung noch Wachstum, ergänzt Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel beid er Vorstellung des Jahresberichtes am Donnerstag in Berlin.
Flüchtende
Die Entwicklungsgemeinschaft sieht sich seit einigen Jahren mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Im letzten Jahr waren 68,5 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Rund 40 Millionen sind Binnenvertriebene, die in ihrer Heimat Schutz suchen. Nach Berichten der FAO sind im letzten Jahr alleine 38 Millionen Hungernde überwiegend durch Kriege, Vertreibung und Klimaveränderungen zu den jetzt 815 Millionen Hungernden neu hinzugekommen.
Unterfinanzierung
Die Weltgemeinschaft unternimmt zu wenig, wie der Anfang des Monats von der FAO veröffentlichte Bericht aufzeigt [1]. Vor allem Hilfe in den Krisenregionen in Afghanistan, Bangladesh, Haiti und dem Sahel sind deutlich unterfinanziert. Ohne ausreichende Mittel gegen Überflutungen, Dürren oder neuen Konflikten, geraten Millionen Menschen neu in den Armutskreislauf mit Hunger und Mangelernährung. Ohne neue Finanzzusagen drohen neue Fluchten noch in der zweiten Jahreshälfte 2018. Die FAO bittet die Weltgemeinschaft dringend um weitere Zusagen in Höhe von 120 Millionen US-Dollar für 3,6 Millionen Menschen in bitterster Not. Die Weltgemeinschaft hat für dieses Jahr rund eine Milliarde US-Dollar für die größten Nöte zugesagt, aber weniger als 30 Prozent der Gelder überwiesen.
„Augenwischerei Fluchtursachenbekämpfung“
Die Berliner und bayerische Poltik hat in den vergangenen Monaten ein böses Possenspiel vor Ursachen und Folgen von Konflikten und Klimaänderunen abgehalten. Füllkrug-Weitzel kritisierte in Berlin das „Label“ Fluchtursachenbekämpfung als Augenwischerei mit fatalen Folgen. Der Begriff spiegele eine Art der „Entwicklungshilfe“ vor, die überhaupt keine Effekte zeitigt. Gelder werden für die Vorverlagerung europäischer Grenzen in Ländern ausgegeben, aus denen kaum Migranten nach Europa fliehen. Sie fehlen für strukturelle und langfristige Hilfen in den Ländern, die ihren Menschen „Perspektiven, Ziele und Rechte“ verweigern [2]. Seit 2015 hat die Weltgemeinschaft mit der Agenda 2030 und den 17 Nachhaltigkeitszielen die Blaupause für die richtigen Ausgaben und Investitionen. Aber: „Man muss nicht nur das Richtige tun, sondern auch das Falsche lassen“, vermerkt Füllkrug-Weitzel.
Zum einen müsse die deutsche Politik die Entwicklungszusammenarbeit in allen politischen Ressorts kohärent verfolgen und dürfe nicht, wie beispielsweise mit Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien und dem Jemen Hilfe wieder rückgängig machen. „Fluchtursachen bekämpfen“ sei das neue politische Narrativ, dass bei der eigentlichen Arbeit eine Erosion einleiten könne. Weil sie strukturell in den bedürftigen Ländern nichts verbessere, bestehe die Gefahr der Resignation „Entwicklungshilfe bringe nichts.“
Doch nicht nur die Agenda 2030 belegt das Gegenteil. Europa steht in Verhandlungen auch mit afrikanischen Ländern für das Post-Cotonou-Abkommen. De Facto haben die afrikanischen Ländern schon zollfreien Marktzugang zum EU-Binnenmarkt. Das müsse mit Zollsenkungen für verarbeitete Waren ergänzt werden und international gelten. Mit diesem wichtigen Baustein könnten der afrikanische Binnenmarkt und die Wertschöpfung gesteigert werden.
Lesestoff:
Die Jahresbilanz finden Sie unter www.brot-fuer-die-welt.de
[1] Halbjahresbericht der FAO über unterfinanzierte Hilfe: http://www.fao.org/fileadmin/user_upload/emergencies/docs/CA0939EN.pdf
[2] Entwicklung braucht Zivilgesellschaft: https://herd-und-hof.de/handel-/entwicklung-braucht-zivilgesellschaft.html
Cornelia Füllkrug-Weitzel hat auch die Agrarsubventionen der Industrieländer kritisiert. Eine differenzierte Betrachtung hatte zuletzt die OECD veröffentlicht: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/stand-der-marktverzerrungen-durch-agrarpolitik.html
Roland Krieg; Foto: roRo