Positivliste für Futtermittel gefordert

Handel

Qualität lebt von Kontrolle

>Ab dem 1. Januar 2005 gibt es das neue Gesetz über die Rückverfolgbarkeit von Lebens- und Futtermitteln. Das System des Wissens, der Kontrolle und Rückverfolgung arbeitet jedoch bereits heute ausreichend. So stellten am 01. November niederländische Labormitarbeiter in einer von 70 Milchproben erhöhte Dioxinwerte fest. Das fordert bereits erhöhte Aufmerksamkeit in der täglichen Routine bei der Bearbeitung von Messwerten. Die Probe wurde einem Betrieb zugeordnet, der Betrieb untersucht, dessen Futtermittel mit einbezogen, um dann deren Herkunft fest zu stellen und in dem Lieferbetrieb den Prozess zu identifizieren, der dioxinhaltige Kaolinit-Tonerde beinhaltet. Zusätzlich wurde ermittelt, dass die Tonerde aus einer rheinland-pfälzischen Grube stammt.
Das hat keine drei Tage gedauert und in den Niederlanden wurden 120 Betriebe, in Nordrhein-Westfalen drei, und seit Montag ein vierter Betrieb, gesperrt. Die Holländer legten Listen der betroffenen Betriebe in den Schlachthäusern aus, damit von dort keine Tiere mehr aufgenommen werden. Wenig später lagen die ersten Untersuchungen über die Dioxinbelastung von Schweinefleisch vor: Es gibt keine. Ein mehrdimensionales Lieferantensystem wurde fast schlagartig transparent offen gelegt, um in der Kette das schwarze Schaf zu identifizieren.

Woher also das Dioxin?
Bereits 1999 gab es den Futtermittelskandal mit dioxinhaltigem Kaolinit. Spätestens da wusste ein größerer Teil der Behörden, Wissenschaftler sowie Tongrubenbesitzer und Futtermittelhersteller, dass so genanntes geogenes Dioxin durch Druck und Hitze aus der verwesten organischen Substanz lang vergessener Sedimente der Erdgeschichte entsteht. Das Kaolinit darf seit dem nur für die Keramikindustrie verwendet werden, in der es die Chinesen im 6. Jahrhundert einführten.
In der Hitze des Brennens wird das geogene Dioxin zerstört. Das rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerium bestätigt in einem Telefonat, dass die im Futter gefundenen Dioxinmengen nicht aus einer Verklappung oder der allgemeinen Dioxinbelastung der Umwelt resultiert. Im Eigentlichen stellt McCain Pommes her. Nicht alle Kartoffeln sind für die Fritten-Produktion geeignet und müssen aussortiert werden. Dazu schwimmen Kartoffeln in einem Wasserbad, das früher mit Salz, und nun mit Tonerde versetzt wird. Dadurch erhöht sich die Dichte des Wasserbades und es sinken nur noch Kartoffeln mit einer noch höheren Dichte nach unten. Die zu leicht befundenen schwemmen an die Oberfläche und werden aussortiert. So wird Tonerde als technisches Hilfsmittel für einfache physikalische Vorgänge bei der Kartoffelsortierung verwendet. Die aussortierten und Bruchkartoffeln, sowie die Schalen wurden nun als Futtermittel verkauft, womit das technische Hilfsmittel Kaolinit-Tonerde auch zu einem Futtermittel wurde. Das Dioxin brachte es an den Tag.

Was dürfen die Bauern füttern?
Die Tierernährung ist ein seltsames Ding. Milchkühe können aus Cellulose die für sie notwendigen Nährstoffe synthetisieren. Zeitungspapier reicht. Wenn sie dabei auf Gummistäben kauen können, speicheln sie ausreichend alkalische Bicarbonate in ihren Magen, um eine Übersäuerung zu verhindern. Das reicht tatsächlich zum Überleben und zusätzlich für ein bisschen Milch. Aber das wollen wir nicht.
Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzministerin Bärbel Höhn fokussiert: "Dieser Dioxinfund zeigt erneut das immer wiederkehrende Dilemma unserer Tiermast: Durch die Verwendung billiger Zutaten in Futtermitteln, die zur Verfütterung gar nicht geeignet sind, sollen hohe Gewinne erzielt werden."
Tiere, die auf der Weide stehen und nur natürliche Futtermittel verzehren sind natürlich möglich, wie die zahlreichen Ökobetriebe demonstrieren, jedoch wird das System auf natürliche Grenzen stoßen, die auch durch Verbraucher gezogen sind: Die EU hat eine Eiweißlücke. Die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft beklagte bereits vor zwei Jahren, dass der Selbstversorgungsgrad bei verfüttertem Eiweiß in der EU bei nur 78 Prozent liegt. Die Abhängigkeit von importiertem Soja und auch der ökonomische Zwang "billige Futtermittel" einzusetzen liegt auch im unverändert hohen Fleischkonsum begründet. Und billig sind nicht die Kartoffelschalen, die McCain verkauft hat, denn die wanderten früher nachmittags immer im Schweinetrog. Ungehörig sind die technischen Hilfsmittel, wie auch Tonerde als Bindemittel in Mischfutter, die mitverfüttert werden. Und vor allem wenn es seit 1999 bekannt ist, dass Kaolinit Träger von geogenem Dioxin ist. Daher fordert Bärbel Höhn eine Positivliste für Futtermittel, was jedoch von der EU bisher immer abgelehnt wurde. "Eine solche Liste würde detailliert aufführen, welche Stoffe zu Futter verarbeitet werden dürften. Was nicht auf der Liste steht, hätte auch nichts im Futter zu suchen. Ein Stoff wie die für diese Dioxin-Belastung verantwortliche Kaolinit-Tonerde würde niemals auf einer solchen Liste auftauchen - damit können Futtermittel-Skandale in Zukunft vermieden werden", so die Ministerin.

Dioxin ist in der Welt
Der organische Stoff in Lebensmitteln ist zwar zur Zeit Schlagzeilen wert, jedoch nur ein Indiz, dass Dioxin auch generell in der Welt ist - und nicht nur geogen bedingt. Eine Lebensmitteldiskussion darf nicht von den Tatsachen ablenken. Freilandhühner nördlich von Antwerpen in Belgien legen Dioxin-belastete Eier. Abfallverbrennungsanlagen, die Chlorchemie bei Flammschutzmittel oder thermische Verfahren bei der Metallgewinnung blasen Dioxine in die Umwelt. Eine "normale Hintergrundbelastung" liegt zwischen 0,7 und 1,5 Pikogramm (billionstel Gramm) Dioxin pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Die Weltgesundheitsorganisation hat eine tolerierbare Aufnahme von bis zu 4 Pikogramm/kg Körpergewicht/Tag festgelegt. Die belgischen Hühner erreichten Werte von durchschnittlich 9,9 Pikogramm. Allerdings ist, so eine Studie der belgischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, die Verunreinigung nicht auf die allgemeine Belastung des Bodens, Grases und der Regenwürmer zurückzuführen. Es wird angenommen, dass Fütterungsverhalten, physiologischer Status der Hühner und Legerhythmus der Hennen ebenfalls zu so einer hohen Anreicherung im Fettgewebe führt. Es reicht also auch nicht aus, Dioxin über eine positive Futtermittelliste aus den Lebensmitteln auszuschließen, sondern sich ganz allgemein Gedanken über die vielfältige Verwendung der organischen Stofffamilie zu machen. Teile der Fachpresse sehen angesichts der belgischen Studie (in: Talanta, Volume 63, Issue 5, 8 August 2004, pp: 1273-1276) Käfigeier wieder als Alternative.

Der Vollständigkeit halber
Neben McCain wurde in den Niederlanden ein weiterer Betrieb als Empfänger der pfälzischen Tonerde identifiziert. Kaolinit wurde auch nach Bayern und Niedersachsen geliefert. Dort zeigen die Analysen von Dienstag keine Dioxinwerte. Auch wurde in keiner zweiten niederländischen Milchprobe Dioxin festgestellt, so dass das Bunedsinstitut für Risikobewertung nach den "vorliegenden Ergebnissen keine Gefährdung für Verbraucherinnen und Verbraucher", sieht, wie das Verbraucherministerium mitteilte.

VLE

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