„Prächtige“ Konjunkturaussichten
Handel
BGA: Politik muss Wirtschaftswachstum unterstützen
Marktforscher und Wirtschaftsinstitute haben den
Deutschen die Konjunktur unter den Weihnachtsbaum gelegt.
Die Nürnberger GfK sieht den besten Januar seit sechs
Jahren voraus. Das GfK-Konsumklima
steigt von 0,2 auf 7,4 Punkte. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung
(DIW) erwartet 2014 ein Wachstum von 1,6 Prozent und für 2015 sogar zwei
Prozent. Im letzten Jahr waren es nur 0,4 Prozent. Das ifo-Institut für
Wirtschaftsforschung sieht sogar 1,9 Prozent frü das neue Jahr voraus und
bezeichnet die Konjunktur gar als „prächtig“. Die Unternehmer sind gut gelaunt.
Der ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Dezember auf 109,5 Punkte, konnte nur
leicht um 0,2 Punkte zulegen, doch der Ausblick auf 2014 ist wesentlich
optimistischer. Auch die Finanzexperten sind zuversichtlich. Das Mannheimer
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) korrigiert seine Konjunkturerwartungen
um 7,4 Prozent nach oben, bei den Finanzen um 3,7 Punkte.

BGA noch optimistischer
Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel,
Dienstleitungen (BGA) kann die Aussichten sogar noch toppen. So hat nach
BGA-Präsident Anton F. Börner der Großhandelsindikator einen Sprung von 12
Punkte gemacht. Er liegt aktuell bei 125 Punkten, wobei Werte über 100 Punkte
eine positive Stimmung widerspiegeln. Die aktuelle Geschäftslage hat sich
kräftig um 15 Punkte verbessert auf 122 Punkte. Mit fast 128 Punkten haben die
Geschäftserwartungen nicht nur um 10 Punkte zugelegt, sondern liegen sogar fast
wieder auf dem Niveau der dynamischen Jahre des Aufholprozesses.
Konkret geht der BGA für 2014 von einem Umsatzanstieg
im Großhandel um rund 1,75 Prozent aus. Das bedeutet ein Umsatzvolumen von
1.159 Milliarden Euro, nachdem die Umsatzentwicklung 2013 eine Pause eingelegt
hat. Im abgelaufenen Jahr 2013 bleiben die Umsätze mit einem geschätzten
Volumen von 1.139 Milliarden Euro knapp - das heißt um 0,4 Prozent - unter dem
Vorjahresrekordwert von 1.144 Milliarden Euro. Hauptursache hierfür ist die
Zurückhaltung der Industriekunden angesichts der Verunsicherung über die
weitere Entwicklung der Weltwirtschaft und Europas. Der Großhandel bleibt ein
wichtiger Beschäftigungsfaktor: Der BGA rechnet in 2014 mit 5.000 neuen Jobs,
auf 1,892 Millionen Beschäftigte - nach einem Anstieg um 9.000 auf 1,887
Millionen in 2013.
Exportlokomotive unter Volldampf
Auch der Außenhandel wird sich „aus der Stagnation
herausarbeiten können“, prognostiziert Anton F. Börner: „Die deutschen Exporte
werden um bis zu drei Prozent wachsen und ein neues Allzeithoch von 1.142
Milliarden Euro erreichen. Mit 224 Milliarden Euro wird auch ein neuer
Rekordüberschuss im Außenhandel verzeichnet, da die Importe voraussichtlich nur
um ein Prozent auf 918 Milliarden Euro zulegen werden.“ Börner betont, dass die
Exportüberschüsse im Handel mit Drittstaaten erzielt werden, und daher nicht
auf Kosten der anderen EU-Mitgliedsländer erfolgen. Allerdings mehren sich auch
die positiven Signale aus den europäischen Krisenländern. Ab 2015 werden die
WTO-Beschlüsse von Bali ihre Wirkung entfachen, sofern sie zügig ratifiziert
werden. Auch der Abschluss des Abkommens mit den USA werde die Wirtschaft
stimulieren.
Risiken gibt es aber auch: Die ausbleibende
Strukturreform in Frankreich, die verzögerte Umsetzung von angekündigten
wirtschaftlichen und sozialen Reformen in China und die Eskalation des
Inselstreits zwischen China und Japan könnten wie ein Bremsklotz wirken.
Politik muss Flankenschutz geben
Börner schränkte den vielfältigen Optimismus am
Dienstag in Berlin aber auch deutlich ein. Das Wachstum komme „trotz der
politischen Weichenstellung“ zustande. Der Blick auf den Koalitionsvertrag
lasse eine politische Flankierung der Konjunktur vermissen. Langfristige
Probleme wie die Haushaltskonsolidierung, Investitionen in die marode
Infrastruktur sowie die Begrenzung der Arbeits- und der noch viel stärker
ansteigenden Energiekosten führten zu einem Investitionsstau.
Trotz niedriger Zinsen wollen nur vier Prozent der
BGA-Unternehmen mehr investieren. 16 Prozent haben sich bereits erklärt, auf
Investitionen zu verzichten. Andere Wirtschaftsverbände werten den
Koalitionsvertrag positiv, weil keine Steuererhöhungen vorgesehen sind. Die
BGA-Unternehmen glauben jedoch zu 88 Prozent, dass die Koalition in den
nächsten vier Jahren die Steuerschraube anziehen wird.
Fehler des Koalitionsvertrages
Das größte Manko des Koalitionsvertrages ist nach
Börner die Rente mit 63. Dieses Versprechen sei eine „sozialpolitische
Wohltat“, die den Standort Deutschland nicht verbessere. Bei zunehmender
Lebenserwartung und vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sowie einem
Mangel an qualifizierten Fachkräften sei diese Verrentung kontraproduktiv und
verschiebe Lasten auf die junge Generation. Auch die Christdemokraten wagten
keine unpopuläre Wahrheit, die Menschen erst mit 70 in Rente zu schicken. Die
„Mütterrente“ gehöre ebenfalls zu den „Treibsätzen der Arbeitskosten“, die am
Ende den Faktor Arbeit verteuern.
Ähnlich formulierte es auch Prof. Ulrike Detmer,
Präsidentin des Verbandes Deutscher Großbäckereien, in der Lebensmittelzeitung.
Hingegen betonte Finanzminister Wolfgang Schäuble noch vor Weihnachten in der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass sich die Rente ab 65 nur an
langjährige Beitragszahler nach 45 Beitragsjahren wende und die Auswirkungen
begrenzt blieben. Das finanzielle Volumen sei vor dem Hintergrund der
allgemeinen Anhebung des Rentenalters vertretbar.

Großhandelsumsaetze 2007 bis 2014; nach BGA 2014
Nichtdeutsche Fachkräfte
Auch beim Mindestlohn machen sich nur die Betroffenen
bemerkbar. Die Großbäckereien seien in ihrer Existenz gefährdet, von der
Gesamtheit der Unternehmen im BGA hingegen fühlen sich nur sechs Prozent vom
Mindestlohn betroffen. Der Mangel an Fachkräften sei gravierender, erklärte
Börner. Daher sei die Freizügigkeit mit Bulgarien und Rumänien auch der
richtige Schritt. Die Historie zeige, dass weder Spanier und Portugiesen in den
1980er Jahren nach ihrem EG-Beitritt die deutsche Bauwirtschaft „überschwemmt“
hätten, noch die Polen nach ihrem EU-Beitritt im Jahr 2004. Gibt es einen
Exodus aus Rumänien und Bulgarien? „Ich befürchte das nicht“, sagte Börner.
Im Gegenteil können die Unternehmen in diesen Ländern
investieren, Arbeitsplätze schaffen und das allgemeine Lohnniveau anheben und
Wohlstand schaffen.
„Sozialromantik“ beenden
In der Summe gehen vom Koalitionsvertrag aber die
falschen Signale aus. Energie- und Arbeitskosten steigen und die Investitionen
gehen zurück. Sie werden in anderen Weltregionen durchgeführt und schwächten
die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, fasste Börner zusammen. Der Wettbewerb
bestehe nicht mehr aus Streben nach der Kostenführerschaft, unterstreicht
Börner gegenüber Herd-und-Hof.de. China sei mittlerweile ein High-Tech-Standort
und Deutschland dürfe nicht den Fehler machen, sich auf seiner
Technologieführerschaft auszuruhen. „Die Politik muss der Realität ins Auge
sehen und mit der Sozialromantik aufhören, damit wir in zehn Jahren noch so
viele Aufträge erhalten wie heute.“
Nicht unter den Begriff „Sozialromantik“, aber unter
„Fehlendes Signal aus Brüssel“ kritisiert Börner das Beihilfeverfahren der EU
gegen das Erneuerbare Energien Gesetz [1]. Die Verfahren in Brüssel sind
intransparent, so dass ein Ausgang des Verfahrens offen ist. Als Unternehmer
wünscht sich Börner gegenüber Herd-und-Hof.de hingegen deutliche Signale für
eine langfristige Zukunftsperspektive aus Brüssel.
Lesestoff:
[1] EU eröffnet Beihilfeverfahren gegen Deutschland-EEG
Roland Krieg; Foto: roRo; Grafik: BGA