Preisabsicherung ist keine Hexerei
Handel
Das Einmaleins des Terminhandels
An der Warenterminbörse können sich Erzeuger und Verarbeiter gegen Preisrisiken absichern. Die so genannten Warenfutures sind Zukunftsmärkte und werden von den Erwartungen beider Seiten gefüttert. Im Idealfall stimmen Kassamarkt und Terminmarkt preislich überein, wenn der Terminkontrakt fällig wird. Damit der Markt funktioniert braucht es aber auch ein gewisses Maß an Spekulanten, die überhaupt für Preisbewegungen zuständig sind. Zu viel Spekulation hat Börsen, Anleger und Wirtschaften in den Ruin geführt. Daher war der Warenterminhandle in Europa lange Zeit verboten.
Heute sind die modifizierten Warenbörsen aus der Agrarwirtschaft nicht wegzudenken. Das Auf und Ab der Preise ist aber immer ein wichtiger Indikator für die Anbauplanung, für die globalen Lagerbestände und lenken die Angebote dorthin, wo Ware knapp ist. Für Landwirte, die am liebsten auf dem Schlepper sitzen, ist der Warenterminhandel meist noch ein Buch mit sieben Siegeln. Um die Scheu abzulegen, hat sich Herd-und-Hof.de bei Joachim Tietjen erkundigt, auf was Einsteiger achten sollten und woher sie die benötigten Informationen bekommen.
Hansa Terminhandel
Der Kartoffelkaufmann Joachim Tietjen gründete 1997 die Hansa Terminhandel GmbH schon im Vorfeld der deutschen Agrar-Terminbörse gegründet und an der damaligen WTB Hannover den ersten Kartoffelkontrakt entwickelt. Ein Jahr später war die Hansa Terminhandle Gründungsmitglied der WTB. Mit den Informationen der im niedersächsischen Farven ansässigen Firma trägt das Team um Joachim Tietjen zur Markttransparenz bei.
HuH: Das Erntejahr 2021 ist von steigenden Preisen geprägt. Der Blick auf die ersten Ernteergebnisse aber zeigt, dass die Witterungseinflüsse die Qualitäten für viele Landwirte sehr gedrückt haben. Hätte der Landwirt in diesem Jahr mit einer Preisabsicherung ex Ernte 21 seine Schäfchen in Trockene bringen können?
Joachim Tietjen: An den Derivatebörden werden standardisierte Finanzinstrumente gehandelt. Menge und Qualität sind in einer Spezifikation festgelegt.
Das von Ihnen angesprochene Qualitätsrisiko z.B. von Weizen, übernimmt der Verkäufer eines Terminkontrakts, denn er verspricht mit dem Verkauf eines Futures, zu einem späteren Termin, eine bestimmte Menge in einer bestimmten Qualität liefern zu können. Tatsächlich kommt es allerdings sehr selten zu einer physischen Lieferung gegen den Future. Die Kurse spiegeln trotzdem immer die Zustände am Kassamarkt wider, weil eine physische Lieferung möglich wäre.
Der Käufer eines Futures hat also das Bezugsrecht auf z.B. Weizen an einem bestimmten Ort, in der genau festgelegten Menge und einer bestimmten Qualität.
Der rasante Kursanstieg des Matif-Weizenfutures seit Anfang Juli ist die Folge von einer drohenden Knappheit am Weltmarkt aufgrund von negativen Witterungseinflüssen in der EU, in Nordamerika und in Russland.
Landwirte, die sich schon früh sicher waren, dass sie eine entsprechende Weizenqualität liefern können, hatten die Wahl, ihr Getreide an den örtlichen Händler oder ihre Genossenschaft zu einem festen Preis zu verkaufen oder eine Preissicherung gegen fallende Preise an der Terminbörse vorzunehmen. Aus heutiger Sicht hätten beide Maßnahmen entgangene Gewinne verursacht, obwohl die Verkäufe aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll waren. Eine Preissicherung ist wie eine Feuerversicherung, bei der man auch nicht darauf hofft, dass das Haus abbrennt.
HuH: Basis, Prämie, stock-to-use-Ratio, Clearing. Der Terminmarkt ist eine eigene Welt mit eigener Sprache. Gehandelt wird am Computer. Die Distanz für eine Teilnahme ist groß. Wie bringen Sie den Landwirten das Thema näher?
Joachim Tietjen: Seit ich im Jahr 1996 mit meiner Firma HANSA Teminhandel GmbH, die Abschlussvermittlung von Agrar-Terminkontrakten anbiete, haben meine Mitarbeiter und ich hunderte Vorträge gehalten und Seminare angeboten. Unsere Zielgruppe war dabei stets die gesamte Wertschöpfungskette von Händlern mit Agrarrohstoffen.
HuH: Wenn das Einmaleins sitzt, steht erst das Fundament. Die landwirtschaftlichen Fachzeitungen bringen wöchentlich und monatlich eine Marktübersicht für die Einordnung der Preisentwicklung. Aber täglich beeinflussen Nachrichten die Börsen-Kurse. So stockt der russische Weizenexport, wenn Moskau eine Exportsteuer erhebt. Wie versorgen Sie ihre Marktteilnehmer mit solchen Informationen?
Joachim Tietjen: Wir bieten unseren handelnden Kunden und vielen Abonnenten ein ganzes Paket an Infodiensten. Börsentäglich bis 09:00 Uhr versenden wir unsere Getreidemail und um 18:30 Uhr (gleich den Handelsschluss in Paris) kommt unsere Terminmarktnotierung Agrar. Beide mit den Kursen der Agrarterminbörsen Matif, EEX und CBoT, Grafiken sowie kurzen Texten zum aktuellen Marktgeschehen. 45 x im Jahr schreibe ich zudem einen Marktkommentar zum Kartoffelmarkt – immer mit einem Bezug zu der Entwicklung an der EEX in Leipzig, wo ein Future auf Veredelungskartoffeln gehandelt wird.
In einem Nachrichtenticker auf unserer Homepage liefern wir börsentäglich außerdem durchschnittlich zehn Meldungen über für die genannten Finanzinstrumente. Wir beziehen die Informationen von internationalen Nachrichtenagenturen, von namhaften Analysten oder von verschiedenen Behörden, wie der EU-Kommission oder dem US-Landwirtschaftsministerium.
In unserem Ticker erhalten unsere Abonnenten außerdem die Börsenkurse der Agrarderivate der Matif, der CBoT und der EEX in einem Livestreamer.
HuH: Ab welcher Erntemenge und für welchen Preis lohnt sich eine Teilnahme am Terminmarkt? Soll ein Familienbetrieb einen Kontrakt abschließen und auf die Fälligkeit warten, oder muss der Landwirt zwischendurch immer wieder reagieren?
Joachim Tietjen: Meine Firma bietet im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften die Abschlussvermittlung für Jedermann an. Wir hinterfragen auch nicht, was der „Investor“ mit seinem Konto für Absichten hat. Für eine klassische Preisabsicherung von Agrarderivaten wie Weizen, Raps, Mais oder Kartoffeln lohnt sich ein Börsenkonto aber erst, bei jährlichen Umsätzen von 100 oder mehr Lots (Kontrakten). Ein Weizenkontrakt hat eine standardisierte Menge von 50 Tonnen. Ein Verkauf und der Rückkauf wären dann schon zwei Lots. So kann sich jeder selber ausrechnen ob es sich für ihn lohnt, ein Börsenkonto einzurichten.
HuH: Der ackerbauliche Erfolg ist auch immer eine Frage der betrieblichen Optimierung von Zeitmanagement Kostenstrukturen und Einsatz von Betriebsmitteln. Kann der Terminmarkt Fehler bei „Gute Fachliche Praxis“ ausgleichen?
Joachim Tietjen: Wer Kontrakte in diesen sehr volatilen Märkten in seinem Portfolio hält, sollte sich täglich ein paar Minuten mit den Entwicklungen der Börsenkurse befassen. Aus diesem Grunde haben wir unsere Ticker-Nachrichten bewusst kurzgehalten und liefern dazu auch die Börsenkurse. Das alles kann man auch auf seinen mobilen Geräten empfangen, damit man jederzeit und überall, wo Internet verfügbar ist, informiert ist. Die Order zum Kauf oder Verkauf nehmen wir auch telefonisch entgegen – so viel zum Zeitaufwand.
Was den Handel an der Terminbörse betrifft, sind die Finanz-Ressourcen und Zeitmanagement bei der „guten fachlichen Praxis“ von Bedeutung. Es kann hier nur um einen Effizienzsteigerung bei der Vermarktung der Produkte gehen.
Die „gute fachliche Praxis“ ist aber auch gewahrt, wenn Landwirte die Vermarktung ihrer Produkte über den örtlichen Händler organisieren. Dabei würde der Erfassungshandel mit Preisen, die von den Börsenkursen abgeleitet werden, jederzeit als Käufer des Getreides zur Verfügung stehen. Ein eigenes Konto müsste der Landwirt dann nicht mehr unterhalten.
HuH: Die Agrarpolitik in Brüssel und Berlin setzt regionale Wertschöpfungsketten, bei denen Landwirte, Verarbeiter und der Lebensmittelhandel enger zusammenarbeiten sollen. Gäbe es einen Future auf den Warenterminmarkt 2040: Würden Sie auf eine steigende oder sinkende Bedeutung des Terminmarktes setzen?
Joachim Tietjen: Terminkontrakte auf Agrarprodukte wird es mit Sicherheit auch noch im Jahr 2040 geben. Die hohen Preisschwankungsrisiken sind ohne dieses Finanzinstrument gar nicht anders zu managen. Innerhalb der Wertschöpfungskette geht es schon heute lediglich um den Abstand zum Börsenkurs. Dieser wird über Prämien definiert. Das festigt dann sogar die regionalen Wertschöpfungsketten und so steht der Handel mit Agrarfutures der EU-Agrarpolitik überhaupt nicht im Wege.
Vielen Dank, Herr Tietjen. Die Fragen stellte Roland Krieg
Das Interview erschien zuerst im Getreidemagazin
Roland Krieg
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