Rahmenbedingungen für die Biotechnologie
Handel
auf dem Weg zur Koexistenz
Mit Unterstützung der Bayer AG lud das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Sachsen-Anhalt in seine Berliner Landesvertretung. Diskutiert wurde über „Zukunft gestalten – Forschung fördern, Pflanzenbiotechnologie für Mittelstand und Arbeitsplätze“. Welche Rahmenbedingungen müssen denn eigentlich erfüllt sein, soll die umstrittene „Grüne Gentechnik“ weiter geführt werden?
Fahrplan für das Gentechnikgesetz
Die EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG verlangt eine nationale Umsetzung, die mit dem Gentechnikgesetz der Bundesregierung von Januar 2005, das mit einer Änderung in diesem Jahr in Kraft getreten ist, abgeschlossen wurde. Staatsekretär Dr. Peter Paziorek aus dem Bundeslandwirtschaftministerium (BMELV) nannte auch gleich die noch zu klärenden Fragen: Eine Haftungsregelung muss her, die so genannte „Gute Fachliche Praxis“ muss noch definiert werden und als erstes kommt Anfang des nächsten Monats der Eckpunkt für einen Haftungsfonds auf den Tisch, den seiner Meinung nach die Wirtschaft finanzieren muss. Hier sieht Paziorek einen Stillstand, da die grundlegende Frage noch nicht geklärt ist, ob es neben der Fondslösung auch eine Versicherungslösung geben könnte. Die Versicherer wollen allerdings die Risiken nicht abdecken.
Für den Forschungsbereich muss die vereinfachte Verfahrensregelung noch geklärt werden, dass aufwändige Genehmigungsfragen nicht notwendig seien, wenn ein vergleichbarer Versuch bereits woanders einmal schon gelaufen ist und es sich dabei um eine Forschungswiederholung handele. Am schwierigsten für die Forschung, sei die Haltung der EU, das Produkte von Nachbarbeständen, in die von einem Versuchsfeld fremde Gene eingekreuzt sind, nicht in Verkehr gebracht werden dürfen.
Generell stellte Paziorek den „Staat als Forscher“ dar, der „nicht ausschließen darf, was zukünftig möglicherweise wichtig werden kann“. „Wie wären dumm, wenn wir in Deutschland uns aus diesem Forschungsbereich zurückziehen würden“, so Paziorek. Es müsse vor allem deshalb mehr geforscht werden, weil es so viele Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung gibt. Denn da war er sich mit Petra Wernicke, Landwirtschaftsministerin aus Sachsen-Anhalt einig: Vorteile transgener Pflanzen sind für die Verbraucher nicht erkennbar und sie sind auch nicht bereit ihre Skepsis zu überwinden.
Die Landwirtschaft spielt für Sachsen-Anhalt eine wesentliche Rolle, weil neben der Köln-Bonner Bucht dort die besten Böden Deutschlands sind. Pflanzenzucht hat um den Harz herum mit Gatersleben einen traditionelle Standort. Das Bundesland führt seit 2004 auch den Erprobungsanbau für gentechnisch veränderten Mais durch.
Arbeitsplätze und Pflanzenschutz
So schaffte die Biotechnologie in dem Bundesland 700 neue Arbeitsplätze, wobei die meisten im Bereich der Grünen Gentechnik angesiedelt sind. Dr. Bernward Garthoff, Vertreter der Bayer AG und Vorsitzender der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie bezifferte die Zahl der bundesweiten Arbeitsplätze in der Pflanzenproduktion und Saatgutvermehrung auf 12.000. Die Wertschöpfungskette biete aber noch viel mehr, denn für entsprechende Biomasse müssen auch die Anlagen gebaut werden.
Hingegen rechnet Dr. Alexander Gerber vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) vor, dass die Agro-Gentechnik nur 350 Arbeitsplätze in 15 Firmen beschäftigt. Marktführer Monsanto beschäftige deutschlandweit nur 12 Mitarbeiter. Die ökologische Lebensmittelwirtschaft schuf in den letzten 10 Jahren nach Angaben Gerbers 70.000 Arbeitsplätze.
Die Bayer-Tochter CropScience hat einen Forschungsetat von rund 90 Millionen Euro und baut weltweit auf vier Millionen Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen an. Insgesamt beträgt die Fläche mehr als 90 Millionen Hektar. Ziele sind, agronomische Eigenschaften der Pflanzen zu verbessern, um beispielsweise Stressfaktoren wie Trockenheit besser zu überstehen, die ernährungsphysiologische Wertigkeit der Pflanzen mit beispielsweise Omega-3-Fettsäuren zu erhöhen und Erträge zu steigern. Letztlich führt auch der Flächendruck, diese mit höherer Effizienz auszunutzen. Land wird für Erholung, Infrastruktur, Nahrungserzeugung und nachwachsende Rohstoffe für Textilien, Energie oder Baustoffe beansprucht.
Dr. Gerber hingegen sieht keinen Zusatznutzen, den die Grüne Gentechnik bisher gebracht hat. In Deutschland ist nur Bt-Mais für den Anbau zugelassen, der ein Gift gegen den Maiszünsler trägt. Den Schädling können Bauern auch mit Fruchtfolge und Bodenbearbeitung bekämpfen – wenn sie denn überhaupt mit ihm ein Problem hätten. Im Gegensatz zur Roten Gentechnik (Humanmedizin) und weißen Gentechnik (Fermentierung) können gentechnisch veränderte Organismen nicht mehr gestoppt und wieder zurück geholt werden können. Die Wahlfreiheit der Verbraucher zwischen Nahrung mit und ohne Gentechnik unterscheiden zu können, dürfe nicht mit Mehrkosten durch Kontrolle und Zertifizierung belegt werden.
Mittelständische Züchtung
Wolf von Rhade, Bundesverband deutscher Pflanzenzüchter, zeigte, dass nicht nur die großen Konzerne Züchtung betreiben. In Deutschland gibt es rund 140 mittelständische Unternehmen, davon 25 Labore, die auf 3.700 Hektar Freiland und 150.000 Hektar Gewächshäuser Pflanzenzucht betreiben. Er zählt dabei 11.000 Arbeitnehmer, von denen 2.500 in Forschung und Entwicklung tätig sind. „Jeder Euro“, so Rhade, „der in die Pflanzenforschung gesteckt wird, ist nach fünf Jahren wieder gewonnen und bringt anschließend jedes weitere Jahr 20 Cent Verzinsung.“ Züchtung ist dabei ein sehr langwieriges Geschäft. Nach der Grundlagenforschung für eine neue Sorte braucht es noch einmal zwei Jahre Unternehmensforschung, dann acht Jahre Sortenentwicklung und drei Jahre Sortenprüfung bevor eine neue Sorte überhaupt zugelassen ist. Er sieht in den Anbaulizenzen eine Entlohnung des Forschungsaufwandes. Bei seinem Vortrag wurde deutlich, dass die Diskussion um die Gentechnik durchaus Verbraucher so weit verwirrt, dass sie jegliche Züchtung ablehnen – durchaus in Unkenntnis, dass diese die grundlegende Basis in der Pflanzen- und Tierzucht ist.
Labyrinthe allerorten
In dieser Woche hielt Percy Schmeiser aus Kanada in Berlin einen Vortrag über die kanadische Sichtweise der Koexistenz. Petra Wernicke plädierte angesichts des im Land stattfindenden Erprobungsanbau dafür, dass „Deutschland einen eigenen Weg der Koexistenz finden“ müsse. Die EU hat keine einheitlichen Regeln und da müssen die Abstände zu den Nachbarländern den nationalen Befindlichkeiten der Verbraucher angepasst werden. Damit erweckte sie aber den Eindruck, dass Koexistenz nicht mehr den nachbarschaftliche Anbau von gentechnisch verändertem Landbau und konventioneller Agrarwirtschaft beschreibt, sondern die zwischen Gentechnik und Verbraucher. Die Diskussion fand zwar ohne die parlamentarischen Vertreter statt, da sie zum Hammelsprung in das Parlament berufen wurden, zeigte aber auch ohne sie das komplette Labyrinth der Argumente. Es werden unter den zahllosen Studien zur Gentechnik diejenigen gesucht und gefunden, die den eigenen Argumenten am nächsten sind. Ethische Betrachtungswinkel umfassen die Freiheit alles zumindest erforschen zu dürfen und auch die Freiheit eine Idee einmal nicht auszuführen. Bei der Nutzungsdiskussion steht je nach Disputant der Nutzen des Züchters, des Landwirts, des Verbrauchers oder des Konzerns im Vordergrund. Eine mehrarmige Waage, die zu keiner Balance führen kann? Resignieren wird der Verbraucher, der bei seinem Einkauf nicht alle Erwägungen mit sich tragen will, denn in rund 70 Prozent der Lebensmittel sind ja auch bereits Bestandteile enthalten, die irgendetwas mit Gentechnik zu tun haben. Seien es Enzyme oder Zitronensäure aus gentechnisch veränderten Mikroben. Damit laufen Grenzen, was sich jeder einzelne Verbraucher noch zumutet und was nicht mehr, ins Leere. Das wird ja nicht etikettiert. Die Gentechnik ist in ihrer Anwendung wieder höchst umstritten und in der Praxis immer noch Routine. So merkte zum Ende der Diskussion auch Petra Wernicke an, dass die Diskussion wieder ein Rückschritt gewesen sei. Aber, so Waltraud Wolff, Sprecherin der Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der SPD: „Nur der Dialog bringt uns weiter.“
Lesestoff:
www.keine-gentechnik.de
www.transgen.de/erprobungsanbau/2005/
www.bayercropscience.de
Roland Krieg