Reicht grüner Konsum für die nachhaltige Entwicklung?

Handel

Wer befördert den nachhaltigen Konsum?

Die Umweltbewegung in Deutschland ist zwar schon deutlich älter, aber erst die Umweltkonferenz 1992 hat die politische Agenda um Umwelt- und Naturschutz erweitert. Der Bericht des IPCC über den Klimawandel hat richtig Schwung in die Debatte gebracht und „alten“ alternativen Konsum, wie Bioprodukte, „tre chic“ gemacht und bringt ständig neue Ideen hervor. Car Sharing ist dabei nur eines der Anzeichen einer „Sharing Society“!? Ein Medienworkshop im Berliner Umweltministerium beleuchtete die Fragen, wer für den nachhaltigen Konsum verantwortlich ist und hinterfragte, ob das wirklich ausreicht.

Die Grunddaten

Das Handeln anderen zu überlassen ist sicherlich die bequemste Möglichkeit. Doch der Ansatz, bei sich Änderungen vorzunehmen ergibt sich aus den folgenden Zahlen: Der Pro-Kopf-Ausstoß an Kohlendioxid liegt in Deutschland bei 10,2 Tonnen pro Jahr. Das liegt schon deutlich über dem EU-Durchschnitt von 7,8 t und ist mehr als doppelt so viel wie der Weltdurchschnitt von 4,4 t pro Kopf. Im Schwellenland Brasilien kommt der Durchschnittsbürger mit 1,2 und in Äthiopien mit 0,1 Tonnen pro Kopf und Jahr aus [1].
Mit 28 Prozent stellt der Konsum in Deutschland den größten Anteil der persönlichen Emissionen. Und ist damit auch der geeignete Ansatz, selbst etwas zu verändern.
Doch da es in den persönlichen Bereich hinein geht, sind schnell individuelle Grenzen gefunden. Die können beim Widerstand des Aussortierens der herkömmlichen Glühbirnen liegen, bei den Herstellern in der Widerspenstigkeit bei der Einführung von Mehrweggebinden [2] oder wird gleich als Eingriff in die Persönlichkeitsrechte begriffen, wenn es um den Verzicht auf Fernreisen mit dem Flugzeug geht.

Die LOHAS leben noch

Die Gruppe des „Lifestyle of Health and Sustainability“, die LOHAS, sind ein wenig aus der Öffentlichkeit gerückt. Sie spielen nach Dr. Wolfgang Adlwarth von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), aber eine zentrale Rolle. Sie sind diejenigen, die Trends im Biobereich, bei Fair Trade, Regionalität und bewusstem Einkauf zuerst aufnehmen. Sie sind jung, leben meist in der Stadt, haben ein höheres Einkommen, sind Akademiker und leben überproportional vertreten im Süden der Republik.
Zwischen 2007 und 2012 ist die Kerngruppe der LOHAS von 9,6 auf 14,1 Prozent angestiegen. Die Menschen, die sich den LOHAS zugehörig fühlen, aber weniger stringent leben, ist lediglich um 18 Prozent angewachsen. Insgesamt sind 26 Prozent der Konsumenten unter dem Begriff LOHAS zusammenzufassen.
Ausgehend vom Biobereich hat der ökologische und soziale Hintergrund weitere Produktbereiche wie Kosmetik und Körperpflegemittel erreicht. Die Unternehmen reagieren und kommen ohne einen Nachhaltigkeitsbericht nicht mehr aus. Der Markt lebt.
Während im Biobereich verschiedene Biosiegel zwischen gutem und schlechtem Bio unterschieden wollen, hat die einheitliche Energie-Effizienz-Kennzeichnung im Haushaltsgerätebereich große Fortschritte gemacht. Der Absatz an A+++-Geräten steigt und wird in Europa auf niedrigerem Niveau nachgemacht.
Der neueste Trend ist das „sharing“. Dabei geht es nicht nur um das Auto oder das Wohnen – mittlerweile hat das Video on Demand einen Nutzerkreis von 3,1 Millionen Kunden. „Nutzen ohne zu besitzen“ fordert die Geschäftswelt heraus.
Nach Dr. Adlwarth spielen die LOHAS eine zentrale Rolle. Sie nehmen als erste Trends auf, die von den LOHAS-affinen Bevölkerungskreisen übernommen werden, bis sie auch von den anderen Kreisen eine Breitenwirkung erfahren. So spielt das Thema Energieeffizienz schon bei LOHAS-fernen Kunden eine Rolle. Fair Trade ist trotz Übernahme in den Discount noch ohne Breitenwirkung und das „sharing“ findet seinen Anfang erst einmal im LOHAS-Kern-Modul der Gesellschaft.

Grenzen des persönlichen Engagements

Dennoch ist der grüne Konsum nicht einfach. Und hat bislang auch keine Trendumkehr beim ökologischen Fußabdruck eingeleitet. Eine Kritik an den LOHAS lautet, dass sie nur den bisherigen Konsumlevel „grün einfärben“ und „grüner Konsum“ daher keine Konsumkritik ist [3]. Wer Biokäse kauft, bleibt in seiner großen Wohnung. Das bestätigt auch Dr. Michael Bilharz vom Umweltbundesamt. Die LOHAS konsumieren mit höherem Einkommen mehr und was sie einsparen, wird an anderer Stelle zusätzlich investiert.
Nachhaltigkeit hat offenbar Grenzen im individuellen Nutzen und Willen. Der Verzicht als wirklichen Einschnitt in den Ressourcenverbrauch ist aber ein „Hot Spot“, den die Politik nicht anzusprechen wagt und der generell unpopulär ist.
Die Fernflugreise wird sich kaum verbieten lassen. Aber das Flugverhalten kann nach Dr. Bilharz über eine intelligente Kerosinbesteuerung gelenkt werden.
Das Umweltbundesamt verfolgt daher den Ausbau der Nachhaltigkeit auf zwei Ebenen. Neben der „Veränderung von Lebensalltag und Konsumpraxis“ geht es auch um den „Wandel von Markt und Gesellschaft“. Ende September will das UBA einen Abschlussbericht veröffentlichen, der neue Typologien des Konsums beinhaltet, auf deren Basis neue Formen des Konsums umgesetzt werden können.

Individuum und Politik

„Verändere deinen Alltag“, „Folge den Themen, die dir am wichtigsten sind“ und „Hol´ dir aktuelle Infos“: Das ist die Sprache in der „Community“, die sich als „Kern-LOHAS“, einen Pfad durch den Nachhaltigkeitsdschungel bahnt. Das Portal von Uta Mühleis [4] sammelt Ideen wie „rank a brand“ auf der Produkte nachhaltig bewertet werden oder wo „Wildblumen-Konfetti“ nicht mehr aufgeräumt werden muss, weil es nach der Feier zu einer bunten Blumenwiese heranwächst.
Die digitale Welt verändert die Netzstruktur der Umweltbewegten und hat mit der Jute-Tasche aus den 1980er Jahren nichts mehr gemein. Diese Selbstorganisation sollte der Handel nicht unterschätzen. Welche Wirkung es auf die Einhaltung des Zwei-Grad-Zieles hat bleibt noch abzuwarten.
Dennoch bleibt die Politik nicht außen vor. Mit dem öffentlichen Beschaffungswesen hat die Verwaltung direkten Einfluss auf die grüne Nachfrage. Dr. Ulf Jaeckel vom Bundesumweltministerium schätzt das dafür zur Verfügung stehende Volumen auf rund 50 Milliarden Euro im Jahr ein [5]. Aber auch indirekt kommt die Politik zum Zuge. Das Ergebnis der Enquete-Kommission des Bundestages „Wachstum, Wohlstand Lebensqualität“ sei „Wasser auf den Mühlen“ gewesen. Das Abschlusspapier als Neujustierung der sozialen Marktwirtschaft mit einem umfassenden Modell von Leitindikatoren für einen nachhaltigen Wohlstand kann Vorgaben machen, wo es individuelle Grenzen gibt [6].

Lesestoff:

[1] Klimaneutral leben, Umweltbundesamt

[2] Ein- oder Mehrweg wird zur Strukturfrage

[3] Alternativer Konsum ist keine Konsumkritik

[4] www.reset.org

[5] Nawaro kommunal

[6] Neujustierung der sozialen Marktwirtschaft

Das Wunsch und Wirklichkeit beim grünen Konsum nicht einfach in Einklang zu bringen sind, hat kürzlich erst der Gießener Professor Elmar Schlich herausgearbeitet: Einkauf im Gießener Supermarkt ist klimagünstiger

Wie komplex neue nachhaltige Konzepte sind, zeigt der Urban Hub in Dortmund

Roland Krieg

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