Rewe-Allianz erhöht den Wettbewerbsdruck
Handel
Weitere strategische Partnerschaft im LEH
Der Lebensmitteleinzelhandel fühlt sich durch sich selbst herausgefordert. Die europaweit wachsenden Konzerne üben einen Wettbewerb in den Bereichen Einkauf und Logistik aus, was bereits im letzten Jahr zu einer strategischen Allianz von vier europäischen Handelsunternehmen führte: „Core“ – Das kann übersetzt Kern, Herzstück oder auch Seele heißen. Rewe-Chef Alain Caparros wurde sogar zum Präsidenten der transeuropäischen Einkaufsallianz aus Belgien, Italien und der Schweiz ernannt [1]. Spätestens Ende des Jahres wird Rewe die Core-Gruppe verlassen.
Dafür geht Rewe eine neue „strategische Allianz“ ein. Zusammen mit der französischen Genossenschaft E. Leclerc mit mehr als 550 Märkten in Frankreich und 80 weiteren im europäischen Ausland. Die Franzosen erzielen einen Gesamtumsatz in Höhe von 45 Milliarden Euro.
Neue Handelsformen, E-Commerce und neue Anforderungen der Kunden haben nach Mitteilung der Rewe Group für diesen Schritt gesprochen. Die Bündelung soll notwendige Investitionen erträglicher machen. Eine gemeinsame Schnittmenge sieht Rewe besonders in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Energieeinsparung, effiziente Logistik, digitale Wirtschaft und das Customer Relationship Management.
Synergien sollen genutzt, die Unabhängigkeit beider Unternehmen gewahrt werden. Doch wollen beide eine gemeinsame Einkaufsgemeinschaft gründen und die Marktsegmente „Bio“, Reise, Import, Elektromobilität und Energie gemeinsam bearbeiten.
„Strategischer Wettbewerbsdruck“
Strategische Allianz und die Suche nach Synergien sind liebevolle Worte hinter der Suche nach dem günstigsten Preis. Längst gibt es einen Wettbewerb der strategischen Allianzen. So startete der französische Marktführer Carrefour erst zu Jahresbeginn mit den beiden kleineren belgischen Wettbewerbern Cora und Supermarchés Match, beide gehören der belgischen Loius Delhaize Gruppe, eine Einkaufsgemeinschaft. Damit stand die Allianz Core unter Druck. Zum Vorläufer von Core gehörte E. Lerclerc. Doch ein Streit über die strategische Ausrichtung führte 2013 zu einem „Zerwürfnis“, wie das Handelsblatt schreibt. Das Core-Bündnis gewann im Sommer 2014 mit Systéme U dennoch einen französischen Partner dazu.
Warum diese Allianzen so wichtig für den Handel sind, zeigt ein Blick in die Schweiz. Dort steigen die Löhne und Kaufkraft, doch grenzüberschreitender Einkauf des Handels erhöht seine Margen. So hat Lidl beispielsweise zum letzten Weihnachtsgeschäft italienische Markenschokolade zum Teil in Deutschland preiswerter eingekauft und den Schweizern angeboten. Das erschließt sich beim Blick auf die Etiketten: Hersteller Ferrero in Italien, Vertriebsland Deutschland. In der Schweiz sind solche Parallelimporte zulässig. Beim Schweizer Händler „Denner“ allerdings schaut die Wettbewerbsbehörde kritisch auf die Herkunft der Coca Cola. Die stammt derzeit oftmals aus Tschechien, was der Brausefiliale in der Schweiz nicht gefällt.
Wenn selbst Markenartikler durch strategische Einkaufsallianzen unter Druck geraten, sind die Auswirkungen auf die Erzeuger noch unübersichtlicher. In dieser Woche erst debattierte der EU-Agrarausschuss mit der Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager über die Ungleichheit im Wettbewerb zwischen Lebensmittelhandel und Landwirtschaft [2]. Bei einem mehrstufigen Einkauf können Einzelhändler rabattierte Mengen beschaffen und an Zwischenhändler weitergeben. Parallelimporte werden oft im Internet angeboten. Das Schweizer „Tagblatt“ allerdings wusste im Dezember auch über die Negativseite zu berichten: Mit steigendem Anteil von Parallelimporten untergraben sich die Händler ihre traditionellen Beziehungen.
So muss das scharfe Auge bei der Wahl des Strategiepartners auf die richtige Wahl fallen: Die richtige Allianz kann defensiv ausgestaltet werden, um den Wettbewerbshütern zu entkommen, sie kann auch offensiv ausfallen, wenn wirklich neue Märkte erschlossen werden. Die Rewe Group hat sich zu den Beweggründen des Partnerwechsels auf mehrfache Anfrage von Herd-und-Hof.de nicht äußern wollen.
Mit E. Lerclerc haben sie einen alten Partner für den attraktiven französischen Markt wiedergefunden. Zusammen mit Core konnte dieser offenbar nicht ausreichend bearbeitet werden. Auch winken höhere Margen in den Segmenten Reise, „Bio“ und Energie.
Die Agrarpolitik muss dieses Feld erst neu bearbeiten. Bislang fürchtet sie nur die nationalen Marktkonzentrationen und hat die transnationalen Einkaufsstrategen noch nicht im Blick.
Lesestoff:
[1] Vier europäische Handelsunternehmen kooperieren
[2] Landwirte im Wettbewerb schützen
Roland Krieg