Röstkaffee: Blick hinter die Werbelyrik

Handel

Stiftung Warentest prüft Röstkaffee

Mehr als 52 Milliarden Tassen Kaffee schlürfen die Deutschen. In Europa trinken nur die Skandinavier mehr. Doch mit 148 Liter Kaffee im Jahr und Kopf verbrauchen die Bundesbürger rund 400.000 Tonnen Röstkaffee im Jahr. Grund für die Stiftung Warentest den beliebten Muntermacher einmal auf Herz und Nieren zu testen. Im aktuellen Maiheft ging es dabei nicht nur um die sensorische Note, sondern auch um einen Test der Corporate Social Responsibility (CSR), mit der die Kaffeeröster um die Gunst der Verbraucher buhlen.

Stiftung Warentest Mai 2009Sensorik
Sieben trainierte Kaffeeprüfer haben 31 gemahlene, vakuumverpackte Kaffees getestet, die in der Kaffeemaschine und in der so genannten Kolbenkanne zubereitet wurde. Letzteres ist der Fachausdruck für die zylinderförmigen Glasbehälter, in denen die Kunden den Kaffe mit einem Stempel langsam nach unten drücken, erklärte Hubertus Primus bei der Vorstellung der Testergebnisse.
Fazit: Bio- und Fairtrade-Kaffees waren weder besser noch schlechter als konventionelle Röstkaffees.
Insgesamt fiel die sensorische Prüfung sogar schlecht aus. 20 Kaffees erreichten zwar ein gutes Testurteil, doch vier „befriedigende“, vier „ausreichende“ und drei „mangelhafte“ Testurteils. Die Zubereitung macht offenbar etwas aus. So ist Tchibos Gala Nr. 1 aus der Kolbenkanne „unauffällig“, aus der Kaffeemaschine jedoch „modrig-muffig“. Der Fairglobe Café del Mundo von Lidl und der Green Change von Tempelmann schmeckte „aus der Kolbenkanne nach feuchter Pappe“.
Woher die Geschmacksfehler rühren, konnten die Tester nicht feststellen. Doch die Prozesskette ist lang, sagte Primus. Ernten, trocknen, sortieren, lagern, rösten, mahlen, verpacken und dann noch verkaufen – da kann viel passieren.
Bei den guten Kaffeesorten gab es nur wenig Unterschiede. Und da müssen Verbraucher nicht tief in die Tasche greifen: Bellarom Gold von Lidl liegt sensorisch vorn, gefolgt von Markus Gold von Aldi (Nord) und Amaroy Extra von Aldi (Süd). Diese Kaffees kosten derzeit lediglich 2,49 Euro.
Die Markenkaffees haben alle den „Einheitsröstkaffe des populären Geschmacks getroffen“, was „blumenreiche Werbesprüche in Anzeigen und auf den Packungen als Werbelyrik“ entlarvt. Wer wirklich individuellen Geschmack probieren will, der muss auf teure Spezialkaffees ausweichen.
Der „Einheitsgeschmack“ entsteht, weil die Röster ihre Kaffeebohnen mischen, um einen gleichbleibenden Qualitätsstandard zu erreichen. So können in einer Mischung bis zu zehn verschiedene Länderkaffees stecken. Außerdem reduzieren spezielle Behandlungsverfahren herkunftsspezifische Geschmacksunterschiede.

Soziale Verantwortung
Auch hier das Fazit zuerst: Erst bei einem kleinen Teil des verkauften Röstkaffees kümmern sich die Hersteller wirklich um die soziale und ökologische Verantwortung in der Produktion. Auch hier steht das Ergebnis „im Kontrast zu vielen werblichen Darstellungen der Branche“, so Dr. Holger Brackmann, Bereichsleiter Untersuchungen bei der Stiftung Warentest. Im Vergleich zu Fisch- und Fleischprodukten stehen die Kaffeeanbieter im Bereich des CSR unterdurchschnittlich dar.
Seit einigen Jahren nimmt die Stiftung Warentest auch soziale und ökonomische Standards unter die Lupe, besuchte für den Kaffeetest auch Bauern vor Ort. Die Kriterien werden oft als „zweites Preisschild“ bezeichnet. Die Definition der Kritereien ist nicht einfach, denn je nach Anbauverband, UN-Organisation und Branchenübereinkunft können realisierte Standards voneinander abweichen. Gegenüber Herd-und-Hof.de hat Dr. Brackmann den Kriterienkatalog der Tester öffentlich gemacht. Sie haben sich mit Sachverständigen der Branche vorab über die Kriterien ausgetauscht, haben sich bei den Arbeitsrichtlinien an die Vereinbarungen der Internationalen Arbeiterorganisation ILO orientiert und haben überprüft, ob die Kriterien nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch entlang der Produktionskette angewandt werden. Dabei musste es auch einen Überprüfungs- und Korrekturmechanismus geben. Die Unternehmensverantwortung, so Dr. Brackmann, ist insgesamt eher als dynamischer, denn als statischer Prozess zu verstehen.
Bei den Untersuchungen ging es nicht nur um die Situation der Kaffeebauern im Herkunftsland, sondern auch um die Situation bei den Unternehmen selbst, denn geröstet wird hier bei uns. Da wurde dann auf Maßnahmen zur Gesundheitsförderung oder den Anteil der Auszubildenden geachtet. Dabei sind die Tester auch auf die Mitarbeit bei den Unternehmen angewiesen und mussten die Erfahrung machen, dass Melitta, Röstfein und Tempelmann sich bei der CSR-Mitarbeit „komplett verweigert“ haben. Die Tester vermuten, dass die Angst vor dem Vergleich mit den anderen Unternehmen dahinter steht.
Obwohl die Kaffeeunternehmen ihre Verbundenheit mit den Kaffeeanbauern offensiv angeben, wussten die meisten nicht, woher ihre Kaffeebohnen stammten. Das betraf auch die großen wie Kraft Foods oder Tchibo. Über 90 Prozent der Unternehmen „sieht den Kaffee offensichtlich nur als Rohstoff an“, den sie bei Händlern oder an der Börse kaufen. Doch für die Tester überraschend konnte Aldi (Nord) als einziger Anbieter im konventionellen Röstkaffeebereich alle Kaffeeherkünfte benennen. Auch Aldi (Süd) kam bei der Unternehmensverantwortung den fairen Marken sehr nahe. Das liegt daran, so die Tester, dass der Handel auf die öffentliche Diskussionen reagiert und bei der Händlerauswahl die Kundenwünsche weitergibt

Alles richtig gemacht
Die Tester haben bei ihren Untersuchungen auch Kaffee gefunden, bei dem die Unternehmen alles richtig gemacht haben. Sie haben eine „gute“ sensorische Bewertung, sind weitestgehend schadstofffrei und sind sozial- und umweltverträglich hergestellt. Das ist einmal der Bio-Röstkaffee von Aldi (Süd), der „Café Aha“ von Gepa, „Café Intención ecologico“ von Darboven und Café Dia von Lebensbaum. Sie kosten alle zwischen 4,00 und 5,70 euro je 500 Gramm-Packung, was vor allem aus dem Bereich CSR resultiert, so die Tester. Damit sind diese Kaffees zwar teurer als die billigsten „guten“, doch im Vergleich zu vielen Markenkaffees preislich unauffällig.

Lesestoff:
Stiftung Warentest, Mai 2009
Die Kaffeeproduzenten hatten sich 2007 auf die Realisierung von Mindeststandards in der 4C-Initiative geeinigt.
Das Thema Nachhaltigkeit wurde selbst in der Biobranche auf der diesjährigen BioFach erneut in Angriff genommen.
Fair Trade ist im Handel mittlerweile ein „Muss“ geworden. Erster Fair Trade Kongress in Berlin.

Roland Krieg (Text und Bilder)

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