Rückblick Bundesrat

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Klimaaktionsplan

Anfang Dezember hat das Bundeskabinett seinen Aktionsplan Klimaschutz 2020 vorgestellt, nach dem die Emissionen von Kohlendioxid bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 reduziert werden sollen [1]. Auf dieser Basis sollen weitere Zwischenziele 2030, 2040 und 2050 erreicht werden. Am Freitag nahm der Bundesrat dazu Stellung. Nicht nur umfangreich, sondern auch in bemerkenswerter Weise. Im Haus an der Leipziger Straße werden Programmpunkte mit Redebeiträgen überwiegend sachlich abgearbeitet. Doch am frühen Freitagmorgen entspann sich im Rahmen der Bundesratsetikette eine fast schon emotional geladene Debatte. So wie die osteuropäischen Kohleländer sich gegen eine Energiewende ohne Kohle wehren, war zwischen den Bundesländern auch eine Zweiteilung in Ost und West spürbar. Es geht um die 22 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent-Einsparung, die von der Energiewirtschaft zusätzlich geleistet werden sollen.

Der Osten fühlt sich benachteiligt. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) aus Sachsen blickt auf die De-Industrialisierung der ostdeutschen Länder seit der Wende zurück und rechnet vor, dass die meisten eingesparten Emissionen aus den als „Braunkohleländern“, diskreditierten östlichen Bundesländern kommen. Im Gegenteil seien die Stadtwerke wie in Dresden hochmodern. Die haben erst kürzlich ein zwei MW Batteriespeicherwerk für den Ausgleich zwischen konventioneller und fluktuierender Energie in Betrieb genommen. Die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft Mibrag würde bei Umsetzung der zusätzlichen Reduktionsziele „minus zehn Millionen Euro je Kraftwerksblock erwirtschaften“, sagte Tillich.

Parteikollege und Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff (CDU), assistierte und verwies auf drei Prozentpunkte, die sein Bundesland über dem Bundesdurchschnitt beim Anteil neuer Energien am Bruttoendenergieverbrauch von 18 Prozent liege. Die Fortschritte im Osten seien größer als im Westen. „Da muss neu justiert werden“, forderte Haseloff.

In diese Koalition mischte sich auch Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke (SPD) aus Brandenburg ein. Er spielte auf das Eckpunkte-Papier des Bundeswirtschaftsministeriums an [2]: „Nur mal kurz die Welt retten“, ginge nicht. „Wir reden uns die Welt schön“, sagte Woidke. Er bemühte das Arbeitsplatzargument: „Wir reden hier in Ostdeutschland über Regionen, die Anfang der 1990er Jahre eine Arbeitslosigkeit von mehr als 50 Prozent hatten.“ Das solle sich nicht wiederholen.

Eveline Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), Wirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz legte zunächst ihr Redemanuskript zur Seite, nach dem sie die vorliegenden Vorschläge des Klimaaktionsplanes als noch nicht ausreichend kritisieren wollte. Sie wunderte sich über die Diktion der Vorredner, die zwischen Wirtschaft und Umweltschutz, zwischen Ost und West trennten, als würden die Dinge nicht zusammenpassen. Die De-Industrialisierung sei nicht der Energiewende in die Schuhe zu schieben.

Die grünen Umweltminister aus Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel, und Niedersachsen, Stefan Wenzel, meldeten sich spontan zu Wort. Remmel warf den Ministerpräsidenten vor, sie kennen ihr eigenes Energiekonzept der Großen Koalition nicht und Wenzel warnte vor zwei Energiepreisgebieten, wenn die Trassen den Norden und Süden nicht verbinden: Eine Niedrigpreisregion im Norden und eine Hochpreisregion für Energie im Süden.

Rita Schwarzelühr-Sutter, Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, SPD, forderte eine sachliche Diskussion: „Es gibt Zielkonflikte, aber die Grundfrage sollte nicht mehr in Frage gestellt werden.“ Weder das Eckpunktepapier des Wirtschaftsministeriums noch der Klimaaktionsplan wollen einen gleichzeitigen Ausstieg aus Atom und Kohle.

Im Wesentlichen geht es um die Lücke für das 40-Prozent-Ziel. Hessens Umweltministerin Priska Hinz bezifferte in ihrer zu Protokoll gegebenen Rede die Differenz zwischen dem Ziel in Höhe von 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent und der Einsparung im Aktionsplan von 62 – 78 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Da sei vor allem der fossile Kraftwerkspark gefordert. Gabriels Wunsch, die Energieerzeuger stärker in die Pflicht zu nehmen, sei mit Maßnahmen wie klimaschützender Nachrüstung von Bestandsanlagen, reduziertem Betrieb von nicht stillzulegenden emissionsintensiven Bestandsanlagen, der Verankerung von Flexibilitätsstandards für konventionelle Kraftwerke sowie durch eine verpflichtende Kraft-Wärme-Kopplung für neue Kraftwerke umzusetzen.

Begleitend müsse die Reform des Emissionshandels deutlich vor 2017 stattfinden. Die Ziele sind nur im Ganzen zu erreichen, mit einer Gebäudesanierung und emissionsarmen Landwirtschaft beispielsweise. Dazu müssen die Ziele im Aktionsprogramm konkretisiert werden, forderte Hinz.

Die Entschließungsliste des Bundesrates ist lang und übernahm die meisten Empfehlungen der Ausschüsse. Durchgefallen sind höhere Forderungen an die Energiekonzerne, zusätzliche nationale Maßnahmen zur Reform des Emissionshandels und ein Mindestpreis für Kohlendioxid, wie ihn Großbritannien eingeführt hat. Auch wird die Photovoltaik nicht stärker gefördert, weil sie ihre Ausbauziele für 2014 nicht erreicht hat.

Glimpflich sind auch Land- und Forstwirtschaft davongekommen. Sie nehmen im Klimaaktionsplan einen wichtigen Part ein. Zur Debatte standen weitere allgemeine Klimaschutzmaßnahmen und ein konkreter Katalog für den Schutz von Grünland und Niedermoorstandorte. Das fand in der Länderkammer ebenso wenig eine Mehrheit, wie die Förderung der Nutzung von Wirtschaftsdüngern in Biogasanlagen.

EmoG

Das Elektromobilitätsgesetz (EmoG) ging glatt durch - obwohl der Umweltausschuss des Bundesrates eine Überweisung in den Vermittlungsausschuss vorgeschlagen hatte [3]. Im Rahmen der individuellen Mobilität stellt sich die Frage nach neuartigen Konzepten aus der Staufalle, dem Verkehrslärm und neuen Antriebsarten. Derzeit fördert das Bundesforschungsministerium „groß angelegte Nutzerbefragungen“ zum Thema Car-Sharing, dessen Ergebnisse Ende 2015 oder Anfang 2016 vorgelegt werden sollen. Außerdem liegen im nächsten Jahr Erfahrungen aus dem Projekt „Schaufenster Elektromobilität“ vor, bei dem in Berlin und Stuttgart innovative Leihsysteme getestet werden [4]. Die Bundesregierung verspricht sich von solchen Mobilitätskonzepten eine schnellere Marktdurchdringung von Autos mit neuen Antrieben. Das müssen nicht zwingend Elektroautos sein.

Gebäudesanierung

Für das Thema steuerlich geförderte energetische Gebäudesanierung hat der Bundesrat lediglich ein neues Kapitel aufgeschlagen. Das Thema steht seit 2008 auf der Agenda und hat noch immer kein Ende gefunden, kritisierte Bayerns Umweltminister Dr. Marcel Huber, der einen neuen Vorstoß aus dem Freistaat mitgebracht hatte. „Das muss sich jetzt endlich ändern. Wir haben einen Modernisierungsstau.“ „Der Streit um die Kosten ist eine Phantomdebatte“, so Huber, doch nach Eveline Lemke bleibt die Finanzierung wesentlich und daher Streitfrage. Bayern will die Finanzierung ohne Gegenfinanzierung über Abschaffung des Handwerkerbonus, der die Möglichkeiten der Schwarzarbeit verkleinert habe, während Lemke vor dem Hintergrund der Schuldenbremse bei den Ländern keine Förderchancen ohne Gegenfinanzierung für möglich hält. Johannes Remmel kritisierte die „Drehtürpolitik“ Bayerns, das zuerst in der Wirtschaftsministerkonferenz der Förderung zustimmte, dann gegen Bundeskanzlerin Merkel den Ausstieg durchgesetzt habe und jetzt neu in den Bundesrat einbringe. Remmel hält den aktuellen Gegenvorschlag aus Baden-Württemberg, eine weitere „Mövenpick-Steuer“, für notwendig. Das wäre eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Übernachtungskosten auf den normalen Satz. Für Huber ein Graus. Da die Bundesratsausschüsse für Wirtschaft, für Finanzen und für den Städtebau ihre Beratungen noch nicht abgeschlossen haben, wird auf deren Arbeitsergebnis weiter gewartet. Eine von Bayern geforderte sofortige Sachentscheidung fand keine Mehrheit.

Bleifrei Jagen

Der Wechsel auf bleifreie Munition bei der Jagd ist ein Stück näher gerückt. Im Rahmen der Jagdrechtnovellierung bittet der Bundesrat den Bundestag, einen entsprechenden Passus aufzunehmen [5]: „Es ist hinlänglich bekannt, dass Blei giftig ist und dass sich bleihaltige Munitionspartikel im Körper des geschossenen Wildes verteilen können, so dass sie nicht ausreichend entfernt werden können“, heißt es in der Begründung.“ Gegen die Verwendung bleifreier Munition gebe es derzeit keine Gründe mehr.

Ausgestaltete Legehennenkäfige

Rheinland-Pfalz und Niedersachsen hatten im Jahr 2010 eine Verordnung in den Bundesrat gebracht, nach der die Kleingruppenhaltung von Legehennen ebenso zu verbieten ist, wie die Hennenkäfige für Einzeltiere zuvor. Die Bundesregierung hatte für diese Form der Hennenhaltung eine lange Übergangsfrist bis 2035 vorgesehen. Der Bundesrat hielt das mehrheitlich für zu lang und forderte 2012 die Bundesregierung zur Bestimmung von kürzeren Zeiten auf. Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Niedersachsen, Bündnis 90/Die Grünen) sieht in der fehlenden Umsetzung eine „formelle Verfassungswidrigkeit“, weswegen beide Länder den Antrag erneut einbrachten. Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zeigte sich verwundert über den Antrag, weil eine Novelle zu einem auslaufenden Verbot seinerseits verfassungsrechtlich bedenklich sei. Zudem fehlte dem Bund eine Ermächtigung. Sie forderte die Bundesländer auf, selbst eine Mehrheit für einen verfassungskonformen Änderungsvorschlag zu definieren, dem sich der Bund anschließen könne. Diese Arbeit liegt nun beim Agrarausschuss des Bundesrates.

KWK-Gesetz

Sie ist zwar kein Perpetuum mobile, wie Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel die Kraft-Wärme-Kopplung bezeichnete, aber ein Wärme und Strom erzeugendes effizientes System. Die Bundesregierung wollte einst 25 Prozent der neuen Energien im Jahr 2020 aus KWK-Systemen generieren. Die Evaluierung des entsprechenden Gesetzes legt aber dar, dass die Maßnahmen für die Erreichung der Ziele nicht ausreichen und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat entsprechend in der Novelle des Gesetzes den KWK-Bereich auf die thermische Energie reduziert. „Wir brauchen höhere Zuschläge für neue KWK-Anlagen und eine Aufhebung der Deckelung für die Förderung der Wärmenetze“, forderte Johannes Remmel am Freitag. Mit einem entsprechenden Antrag des Landes, der, so Remmel, von allen Fraktionen des Düsseldorfer Landtags getragen wird, will NRW Fortschritte im KWK-Bereich bewirken. Dieser Antrag wurde in den Wirtschaftsausschuss überwiesen.

Lesestoff:

[1] Die Koalition der Klimaakteure

[2] Gabriels Energie-Freitag

[3] EmoG mit vielen Fragen

[4] http://schaufenster-elektromobilitaet.org

[5] Bleifrei Jagen

Roland Krieg, VLE

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