Rural Development Teil I

Handel

Was ist die richtige Entwicklungshilfe?

Im Jahr 2000 haben 189 Staats- und Regierungschefs in New York die Millenniumentwicklungsziele formuliert, bis 2015 mit acht einfach formulierten Zielen eine bessere, gerechtere und sicherere Welt zu schaffen. Seitdem ist die Realisierung der Beseitigung der extremen Armut und des Hungers, die Verwirklichung der allgemeinen Primärschulbildung oder die Senkung der Kindersterblichkeit zum Gradmesser entwicklungspolitischer Konferenzen geworden. Tenor: Meist werden sie nicht mehr erreicht.
850 Millionen Menschen leiden an Hunger oder sind unterernährt. 75 Prozent dieser Menschen leben auf dem Land. Was läuft also seit Jahrzehnten in der Entwicklungshilfe schief?
Schon 2002 hat die EU in Montpellier das Forum für eine nachhaltige ländliche Entwicklung abgehalten und im Arbeitskreis 1 das Thema Landwirtschaft und ländliche Entwicklung auf die Agenda gebracht, blickte gestern Lluis Riera Figueras, Direktor DG Development EU zurück.
Bis zum Donnerstag treffen sich rund 350 Teilnehmer zum zweiten Europäischen Forum in Berlin. Untertitel: "Sustainable Growth and Poverty Reduction in Rural Africa: How can Europe be a more effective partner?”

Unser Nachbarkontinent
Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Heidemarie Wieczorek-Zeul, versprach, dass „unser Nachbarkontinent“ Afrika auch nach dem G8-Gipfel auf der politischen Agenda bleibt. Kleine Schritte sind durchaus zu erkennen, wenn erstmals seit mehreren Jahrzehnten die Zahl der Armen unter Donoreine Milliarde liegt. Realisierbar seine die Millenniumsziele auch. Denn dazu müssten nach aktuellen Zahlen nur etwa 20 US-Dollar pro Kopf und Jahr ausgegeben werden. Für Waffen hingegen sind es 187 Dollar.
Ansatzpunkt für die Entwicklung ist die Landwirtschaft, von der in Afrika rund eine halbe Milliarde Menschen leben. Bis zu 80 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeit werden von Frauen durchgeführt, die allerdings nur ein Zehntel des erwirtschafteten Ertrages erhalten. Lösungen seien aber sehr komplex und nicht alleine mit Begriffen wie Hygienemängel, Wasserzugang, oder Mangelernährung beschrieben werden. Zwei Initiativen unterstützt die Ministerin: Zum einen die Unterstützung für eine gute Regierung und zum anderen das afrikanische Landwirtschaftsprogramm.

Weltentwicklungsbericht 2008
Im September wird der Weltentwicklungsbericht 2008 der Weltbank erscheinen. Alain de Janvry, Professor für Landwirtschaft und Ressourcenentwicklung an der Universität Berkeley in Kalifornien verriet gestern bereits einige Details:
Die Landwirtschaft bleibt fundamentaler Bestandteil der wirtschaftlichen Entwicklung und ist die Quelle für Wachstum auf dem Weg aus der ländlichen Gesellschaft. Die Landwirtschaft trägt 29 Prozent des Bruttosozialproduktes bei und in ihr arbeiten rund 65 Prozent aller Beschäftigten. Das größte Hindernis, am Marktgeschehen teilzunehmen, sind die hohen Transaktionskosten. Diese Bestandsaufnahme ist direkt mit Ernährungsunsicherheit verbunden.

„WTO spreads hunger“
Vor dem zweiten europäischen Kongress trafen sich auf Einladung des Forums Umwelt und Entwicklung bereits Nichtregierungsorganisationen, um auf das ab heute in Potsdam stattfindende G4-Treffen aufmerksam zu machen. Die EU, die USA, Brasilien und Indien versuchen als wichtigste Welthandelsländer die WTO-Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Sie protestierten am Eingang zur Konferenz und bezweifelten die Legitimität des G4-Treffens, weil die Mehrheit der betroffnen Länder ausgeschlossen ist. Sie fürchten, dass vier Länder die Liberalisierung alleine vorantreiben werden und von den Entwicklungsländern Marktöffnungen erzwingen.
roRo

Um die Lebensverhältnisse auf dem Land zu erhöhen, müssen die Sektoren außerhalb der Landwirtschaft gefördert werden. Länder, die sich von der Agrargesellschaft weiter entwickeln, beginnen, höherwertige Produkte herzustellen. Für Janvry ist eine „Produktionsrevolution“ unausweichlich“.
Mit sinkendem Anteil der Landwirtschaft am Bruttosozialprodukt steigen aber in den Transformationsländern die Ausgaben. Die Falschen: Indien zahlt rund viermal mehr Subventionen an seine Bauern, als es im Agrarbereich investiert.
Hier müsse ein neuer Ansatz der „public-private-civil-partnership“ in den Ländern entwickelt werden. Die Einstellungen zur Landwirtschaft müssen neu definiert werden. Bislang stand sie nicht im Fokus der Regierungen.
„Juwelen der Entwicklung“ sind die Bildung von Märkten und Wertschöpfungsketten, Mobilität der Arbeitskräfte für außerlandwirtschaftliche Einkommen und Marktzugang. So wird der Weltentwicklungsbericht fordern, dass die aktuelle Doha-Runde bei der WTO zu Ende geführt werden muss. Es sollen nur Ziele finanziert werden, die aus der Armut herausführen. „Sensible Produkte“, die für die einheimische Wirtschaft von großer Bedeutung sind, sollen besonders geschützt werden. Gentechnisch veränderte Produkte haben ihr Wertschöpfungspotential für die ländliche Bevölkerung noch nicht ausgespielt.

Hilfe statt Powerpoint
Ob Deutschland 0,7 Prozent des BSP für die Entwicklungshilfe ausgibt oder weniger scheint gar nicht mehr die Frage zu sein. Derzeit wird Entwicklungshilfe in einem sehr komplexen Prozess gestellt und sowohl für Michael Hofmann, Generaldirektor des BMZ als auch Lennart Bage, Präsident des International Fund for Agriculture Development (IFAD) greifen Forderungen von Künstlern, wie sie zum G8-Gipfel erhoben wurden, mittlerweile viel zu kurz. Die Entwicklungshelfer kennen alle Details, wissen aber immer noch nicht immer, warum welches Projekt erfolgreich ist und ein anderes fehlschlägt. „Eine Liste mit zehn Aktionspunkten wird nicht automatisch zum Wohlstand führen“, sagte Hofmann.

Bauern fordern neue Strategien
In einer gemeinsamen Erklärung forderten Nichtregierungsorganisationen parallel zur Konferenz zu einem grundlegenden Strategiewechsel auf. „Wichtiger als mehr Geld wäre eine Politik, welche die autonome Lebensweise kleinbäuerlicher Nahrungsmittelproduzenten nicht gefährdet“. Die derzeitige Politik der EU wird in Afrika weder die ländliche Entwicklung beleben noch den Hunger bekämpfen“, sagte Ndiogou von ROPPA. Bei den aktuellen Verhandlungen über gemeinsame Wirtschaftsabkommen setze die EU Afrika massiv unter Druck.
Einer Produktionsrevolution mit Hilfe der Gentechnik stehen sie ablehnend gegenüber: „Die Erfahrung mit der Gentechnik zeigt überall, dass Kleinbauern davon nicht profitieren“, erklärte Satheesh Periyapatna von der indischen „Deccan Development Society“. „Die Verschuldung, mitunter verschärft durch die hohen Kosten der Gentechnik, hat tausende indischer Bauern in den Selbstmord getrieben.“
roRo

Die neue Komplexität hatte bereits 2005 zur Pariser Erklärung geführt, Hilfe auf ihre Effektivität hin zu untersuchen. 60 Partnerländer trugen zusammen mit jeweils 30 Geberländern und Entwicklungsorganisationen wie Hilfe geregelt, harmonisiert, ausgerichtet wird oder wie Entwicklungsergebnisse gemanagt werden. So sollen beispielsweise Partnerländer ermutigt werden, die Koordination der Hilfe zwischen den Ministerien und den Agenturen zu übernehmen.
Bage sieht mit den Gründungen von Bauernorganisationen in den letzten Jahren eine zu wenig bemerkenswerte Entwicklung. Zudem müsse die Forschung im Agrarbereich weiter intensiviert werden.

Schluss mit Armut
Armut hat in den letzten Jahrzehnten die Ausrichtung der Entwicklungshilfe bestimmt. Mamadou Cissoko, Präsident des westafrikanischen Kleinbauernverbandes ROPPA sieht Afrika eher unter der Armut der afrikanischen Regierungen leiden. Die Millenniumsziele sind fast ausschließlich Aufgaben nationaler Regierungen. Afrika müsse sich selbst mobilisieren. „Wie können die Europäer Papiere für Afrika erstellen, die hauptsächlich ihre eigenen Interessen beinhalten? Wir brauchen eigene Papiere“, fordert Cissoko. Die Bauern verließen das Land vor allem deshalb, weil die Regierungen die Infrastruktur in den Städten ausbauen. Afrika hat noch nie ohne Landwirtschaft funktioniert – und deshalb seien die Forderungen gar nicht so neu. Die Stadtbevölkerung habe genug Geld für einen heimischen Markt. Der allerdings funktioniert nicht.
Die USA, Europa und Japan haben in ihrer Vergangenheit ihren Agrarsektor gezielt aufgebaut und geschützt. Wenn die Europäer Afrika helfen wollten, dann sollten sie zeigen, wie man den afrikanischen Binnenmarkt entwickelt und schützt. Afrika brauche einen auf Familienbetrieben basierenden geschützten Agrarmarkt, fordert Cissoko.
95 Prozent der Entwicklungsgelder für Afrika stammen aus fremden Budgets. Das müsse sich ändern, wie die „New Partnership for Africa´s Development“ (NEPAD) zeige. NEPAD ist eine Vision für eine strategische Partnerschaft, Afrika zu erneuern.
Richard Mkandawire, landwirtschaftlicher Berater der NEPAD sieht jedoch bereits Anzeichen für einen Wandel. Landwirtschaft müsse mehr denn je als Geschäft angesehen werden. Mittlerweile erkennen die Politiker, dass Entwicklung von innen und nicht von außen kommt, so Mkandawire.

Lesestoff:
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: www.bmz.de
Pariser Erklärung: www.donorplatform.org
International Fund for Agricultural Development: www.ifad.org
New Partnership for Africa´s Development: www.nepad.org
Reseau des Organisations Paysannes et de Producteurs Agricoles de l´Afrique de l´Ouest : www.roppa.info
Weltentwicklungsbericht : www.worldbank.org/wdr2008
Forum Umwelt und Entwicklung: www.forum-ue.de
Die Das europäische Forum im Rahmen der EU 2007 Präsidentschaft können Sie unter www.ruralforum.info aufrufen.

Hier finden Sie den zweiten Bericht und den dritten Teil.

Roland Krieg

Zurück