Russlands Agrarsanktionen

Handel

+++ 07.08.14 +++ 14:38 Uhr

Russland importiert keine EU-Agrargüter mehr

Wirtschaftssanktionen im Ukraine-Konflikt treffen jetzt die Agrarbranche

Russland ist kein Selbstversorger. Nach der Wende hat Russland viel in die Eigenversorgung investiert, bleibt aber auf Importe angewiesen. Das Land balanciert zwischen Investitionen in die Eigenversorgung und Importbedarf [1]. Der Handel mit Russland ist nach Beitritt zur WTO nicht einfacher geworden [2]. Jüngst hat die WTO ein Schiedsgericht einberufen, das die Problematik der Schweineimporte klären soll, die wegen der Afrikanischen Schweinepest aufgetreten sind.

Jetzt hat der Handel zwischen der EU und Russland eine neue Dimension erreicht: Russland kündigt an, keine Nahrungsmittel mehr aus der EU zu importieren. Schon vorher wurde ein Importverbot im Rahmen der gegenseitigen Wirtschaftssanktionen gegen Obst und Gemüse aus Polen verhängt. Aus diesem Grund weilt der polnische Agrarminister Marek Sawicki in Brüssel, um für die polnischen Bauern Unterstützung auszuhandeln, weil der Export weggebrochen ist. Schon hatte sich China als Ersatzlieferant profiliert, wenn auch Menge und Frische kaum vergleichbar mit der polnischen Ware ist.

Die EU-Kommission bedauert die Ankündigung Russlands und wertet den Importstopp als eindeutig politisch motiviert, wie ein Sprecher heute in Brüssel mitteilte. Eine ausführliche Analyse wird es geben, sobald ein detaillierter Bericht aus Russland vorliegt. Umgekehrt verteidigt die Kommission die zuvor gegen Russland ausgesprochenen Sanktionen als Teil eines klaren Bezugs zur „illegalen Annexion der Krim und Destabilisierung der Ukraine“. Die EU besteht auf eine Deeskalation der Situation und prüft Maßnahmen, auf den russischen Importstopp zu reagieren.

Christian Schmidt

In seinem Wahlkreis in Fürth sagte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt gerade eben:

„Sie wissen, dass die russische Regierung heute ein Einfuhrverbot für Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Obst und Gemüse aus allen EU-Staaten und den USA verhängt hat. Welche Auswirkungen dies im Einzelnen auf die deutsche Ernährungswirtschaft hat, ist noch nicht abzusehen. Klar ist aber: Sie werden spürbar sein. Wir werden uns jetzt mit der Europäischen Kommission einen Überblick verschaffen, wie die Auswirkungen in der Europäischen Union insgesamt sein könnten. Ich bedauere sehr, dass Russland diesen eindeutig politisch motivierten Schritt unternommen hat. Dieses Vorgehen Russlands stellt die bisher konstruktive Zusammenarbeit zwischen der russischen und der deutschen Regierung in Fragen des Exports von Agrargütern zweifellos auf eine harte Probe. Diese russische Anordnung eignet sich nicht als politisches Druckmittel. Ich weise darauf hin, dass die Boykott-Entscheidung Russlands nicht nur tiefgreifende Auswirkungen auf die deutsche und europäische Wirtschaft haben wird, sondern unmittelbar auch die russischen Verbraucherinnen und Verbraucher trifft. Die russischen Bürgerinnen und Bürger schätzen die qualitativ hochwertigen deutschen und europäischen Nahrungsmittel. Ein kompletter Einfuhrstopp wird auch die Frage nach der Versorgung der russischen Bevölkerung stellen. Russland sollte besser mit einer konstruktiven Strategie, zu der es grundsätzlich in der Lage ist, zur Befriedung in der Ostukraine beitragen. Es liegt an Russland, den konstruktiven Gesprächsfaden, den Europa und die USA gelegt haben, zu nutzen.“

Mecklenburg-Vorpommern

Zwar bleibe noch abzuwarten, welche Firmen in Mecklenburg-Vorpommern konkret betroffen sind, aber die Branche im nördlichen Bundesland ist erheblich betroffen, teilte Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus am Donnerstag mit. Im Vergleich zu anderen Bundesländern hatte das Land noch recht gute Handelsbeziehungen zu Russland. Fünf Agrarunternehmen durften noch Ware exportieren. Der meiste „Export-Käse“ stamme aus Mecklenburg-Vorpommern, weil die anderen Molkereien schon länger gesperrt sind. Bislang konnte das Land auch „gefrorenes Fleisch“, sowie Fisch und Geflügel nach Russland verkaufen. Der Umsatz mit Russland bei den betroffenen Firmen betrage rund 15 Prozent.

Es leiden Bauern und Verbraucher

Die Sanktionen gehen nach Ansicht des Deutschen Bauernverbandes (DBV) vor allem zu Lasten von Verbrauchern und Bauern auf beiden Seiten. Für den DBV kommt der Importstopp nicht überraschend. Spätestens seit Herbst 2013 sind Tendenzen der Marktabschottung durch Einfuhrverbote von Fleisch aus der EU und Käse aus Deutschland erkennbar gewesen. Bis Mai 2013 lagen die Schweinefleischexporte noch bei 83.000 Tonnen und fielen danach auf 9.000 Tonnen im Vergleichszeitraum 2014. Die Auswirkungen auf den deutschen Agrarsektor werde daher begrenzt ausfallen, so der DBV. Die Landwirtschaft in anderen EU-Ländern könnte deutlich mehr betroffen sein.

Für die russischen Verbraucher wird es hart. Schon im Februar 2014 ist der Preis für Schweinefleisch deutlich gestiegen und zahle damit die Sanktionen Putins mit.

Dennoch ist Russland mit 1,6 Milliarden Euro trotz einem Minus von 12 Prozent nach 2012 nach der Schweiz und den USA der drittwichtigste Exportpartner außerhalb der EU.

Der DBV fordert die Bundesregierung auf, sich intensiver um Ausweichmärkte, wie beispielsweise Asien zu kümmern.

Agrar-Außenhandel mit Russland

Der Wert der deutschen Ausfuhr von Gütern der Land- und Ernährungswirtschaft nach Russland betrug 2013 rund 1,60 Milliarden Euro. Damit war Russland nach der Schweiz (1,8 Mrd. €) und nahezu gleichauf mit den USA zweitwichtigste Drittland-Destination (außerhalb der EU) für deutsche Agrarexporteure. Bereits im vergangenen Jahr war der deutsche Agrarexport nach Russland durch die russische Importsperre für bestimmte Milch- und Fleischerzeugnisse beeinträchtigt. Die deutschen Agrarexporte sanken um 14,0 % (gegenüber 2012: 1,865 Mrd. €). In der wichtigsten Produktgruppe, Fleisch und Fleischerzeugnisse, sank der Exportwert von 493 Mio. € im Jahr 2012 auf 346 Mio. €. Das dennoch 2013 im Drittlandhandel erzielte Wachstum (+ 2,1 % auf 15,3 Mrd. €) ist insbesondere auf das große Maß an regionaler Diversifizierung des deutschen Agrarexports zurückzuführen.

Die aktuelle Entwicklung im Export nach Russland zeigt, dass im Vergleich Januar-Mai 2014 mit dem Vorjahreszeitraum der Exportwert weiter gesunken ist:

Insgesamt um minus 25 Prozent auf nun rd. 500 Mio. € (Jan-Mai)

In der 2013 wichtigsten Produktgruppe, Fleisch, um nahezu 80 Prozent auf 28 Mio. €

Milch und Milcherzeugnisse: Abnahme um 44 Prozent auf 44 Mio. €

Deutsch-Russische Wirtschaftsbeziehungen allgemein

Der deutsch-russische Außenhandel konnte 2013 die positive Entwicklung der vorherigen Jahre nicht fortsetzen. Der bilaterale Handelsumsatz sank um 4,9 % auf 76,5 Mrd. Euro. Die Exporte nach Russland gaben 2013 um 5,1 % nach auf 36,1 Mrd. Euro (2012: 38,1). Die Importe aus Russland nach Deutschland gingen um 4,8% auf 40,4 Mrd. Euro (2012: 42,8) zurück (Quelle: Statistisches Bundesamt). Deutschland ist nach China und den Niederlanden der drittwichtigste Handelspartner für Russland, während aus deutscher Sicht Russland an elfter Stelle steht. 2012 hatte der deutsch-russische Außenhandel ein Rekordvolumen von 80,5 Mrd. Euro (2011: 75 Mrd Euro) erreicht und damit um über 10 % zugelegt.

Lesestoff:

[1] Investitionsbedarf in Osteuropa

[2] Russlands Sicht auf die Handelsstreitigkeiten

Roland Krieg; Tabelle: BMEL


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