Sauberes Abwasser dank UV-Licht
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Hocheffiziente Wasseraufbereitung mit Licht
In unserem Abwasser befindet sich so Einiges, was nicht
unbedingt in die Umwelt gelangen soll – doch auch Kläranlagen entfernen nur
einen Teil der Verunreinigungen. Insbesondere persistenten Stoffen – dazu
zählen unter anderem sehr stabile Kohlenwasserstoff-Verbindungen wie Aromaten –
können auch die Bakterien, die in der biologischen Aufbereitungsstufe
üblicherweise eingesetzt werden, nichts anhaben. Die Folge: Rückstände von
Reinigungs- und Pflanzenschutzmitteln oder auch von Pharmaka gelangen in die
Gewässer. In der Nordsee etwa ist heute eine Belastung mit solchen Schadstoffen
deutlich messbar.
Schadstoffe mit Photolyse abbauen
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik
IGB in Stuttgart haben in Zusammenarbeit mit internationalen Industriepartnern
ein neues Reaktorsystem entwickelt, das solche hartnäckigen Schadstoff-Moleküle
gründlich und effizient abbaut – ohne dass Chemikalien wie etwa
Wasserstoffperoxid zugesetzt werden müssen. Stattdessen nutzen die Forscher die
»Selbstheilungskräfte« des Wassers mit Hilfe der Photolyse. Das Prinzip basiert
auf der Spaltung von Wasser-Molekülen durch Photonen. Je kürzer dabei die
Wellenlänge des Lichts ist, umso höher ist die Photonenenergie. Die Forscher
setzen in ihrer Anlage daher ausschließlich Lichtquellen ein, die UV-Licht im Wellenlängenbereich
von 172 Nanometern – also extrem energiereiche Photonen – emittieren. Sobald
diese Photonen ins Wasser eintreten, spalten sie dort H2O-Moleküle auf und in
Folge bilden sich hochreaktive Hydroxylradikale. »Diese
Wasserstoff-Sauerstoffverbindungen haben ein noch höheres Reaktionspotenzial
als beispielsweise atomarer Sauerstoff. Dadurch sind sie in der Lage, auch die
sehr stabilen Kohlenwasserstoff-Verbindungen von Schadstoffrückständen
aufzubrechen«, erklärt Dipl. Ing. Siegfried Egner, Abteilungsleiter Physikalische
Prozesstechnik am IGB.
172 nm
UV-Strahler
Die Herausforderung: Der beschriebene Prozess erfolgt
nur in unmittelbarer Umgebung des UV-Strahlers – einem rechteckigen, flachen
Glaskörper, der im Reaktorbehälter platziert wird. In eingeschaltetem Zustand
bildet sich an der Glasaußenfläche eine etwa 50 Mikrometer dünne
Reaktionsschicht, in der die Hydroxylradikale entstehen. Damit auch alle
Kohlenwasserstoff-Verbindungen aufgebrochen werden, muss das Wasser im Reaktor
kontrolliert durch diese Grenzschicht geleitet werden – eine echte
Tüftlerarbeit: Einerseits gilt es sicherzustellen, dass der gesamte
Reaktorinhalt aufbereitet wird. Anderseits möchten die Forscher nach
Möglichkeit dafür sorgen, dass jedes einmal gebildetes Hydroxylradikal auch für
eine chemische Reaktion genutzt wird. Die Verbindung besitzt eine extrem kurze
Lebensdauer. Wenn sich in dieser Zeit kein »frisches« Schadstoff zum Reagieren
findet, verpufft ihre Energie ungenutzt. Den Stuttgarter Experten ist es
gelungen, die Wasserbewegung so exakt zu steuern, dass der gesamte
Reaktorinhalt zuverlässig und höchst effizient gereinigt wird.
Der erste industrielle Prototyp, den die Forscher zusammen mit den
Industriepartnern auf der Messe zeigen werden, hat einen Durchsatz von bis zu
2,5 Kubikmetern pro Stunde. »Gewisse Schwankungen sind aber normal, denn die
Geschwindigkeit hängt natürlich auch vom jeweiligen Verschmutzungsgrad ab«,
erläutert Egner. Damit das Wasser auch wirklich erst abgelassen wird, wenn
seine Qualität einwandfrei ist, verfügt die Anlage über einen weiteren
Sicherheitsmechanismus: Direkt am Abfluss befindet sich ein Messsystem, das
Schadstoffbelastung des Wassers kontrolliert. Erst wenn ein Minimalwert
unterschritten ist, wird es abgelassen. Die gesamte Anlagentechnik arbeitet vollautomatisch
und lässt sich sehr flexibel betreiben – etwa, indem man sie abhängig vom
Angebot an elektrischer Energie kurzfristig zu- und abschaltet.
Lesestoff:
Einen ersten industriellen Prototyp ist auf der Weltleitmesse für Wasser, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft IFAT in München bis zum 09. Mai zu sehen (Halle A5, Stand 219/318)
Fraunhofer IGB