Schiedsgericht fürs EU-Parlament?
Handel
Morgendlicher Aufruhr im EU-Parlament
Für den frühen Morgen war im EU-Parlament eine
Aussprache mit anschließender Abstimmung zum TTIP-Bericht des Ausschusses für
internationalen Handel vorgesehen. Kurzfristig hatte Parlaments-Präsident
Martin Schulz nach Geschäftsordnung die Abstimmung verschoben [1].
Das schlug im Plenum ab 08:00 Uhr erhebliche Wellen. Lucy Anderson, britische Abgebordnete der Sozialdemokraten, fragte, wie die Bürger das wohl aufnehmen? Gabriele Zimmer (europäische Linke) sieht das Parlament außer Kraft gesetzt, weil für den Vorschlag zur Verschiebung nicht alle Parlamentarier befragt wurden.
Plenumsvorsitzender Antonio Tajani musste mehrmals beherzt eingreifen. Er stellte klar, dass Abstimmung regelkonform verschoben wurde. Das ist nicht das erste Mal und ein normaler parlamentarischer Vorgang, unterstützte ihn der italienische Sozialdemokrat Gianni Pitella. Das Plenum aber ereiferte sich über die Frage, ob auch die Diskussion verschoben werden sollte.
Eine Diskussion ohne die entsprechende Abstimmung mache wenig Sinn, wenn der Ausschuss in der nächsten Woche neue Änderungsanträge zur Abstimmung vorlegen wird. Der Streit um TTIP weitet die Gräben. Manfred Weber (CSU) unterstützt die regelkonforme Auslegung der Abstimmungsverschiebung und kritisiert den Eifer der Links- und Rechtsradikalen im Parlament. Als Weber die Grünen mit einbezog, wehrte sich Rebecca Harms mit scharfen Worten gegen die Konservativen und Sozialdemokraten. Vorsitzender Tajani musste Harms wegen überlauter und direkter Ansprache des Abgeordneten Pitella mehrfach streng zurechtweisen („Sit down“).
Die Gräben für und gegen ISDS und TTIP sind
festgefahren. Eine Mehrheit von zwei Stimmen hat auch die Diskussion
verschoben. Wenn der INTA-Ausschuss in der nächsten Woche einen neuen Vorschlag
ausarbeiten sollte, kann das Parlament frühestens am 24. Juni den Punkt auf die
Tagesordnung setzen. Die nächste mehrtägige Plenumswoche beginnt erst am 06.
Juli.
Weniger Sorgen werden sich die EU-Bürger über Verschiebung von Abstimmung und Aussprache machen, sondern eher über die Verhaltensweisen im EU-Parlament. Während im Deutschen Bundestag schon das Tragen eines werbebedruckten Bundesliga-Trikots für Aufregung sorgt, säumen Wahltafeln an den Abgeordnetenplätzen eher für eine Atmosphäre einer Straßendemo als für einen parlamentarischen Austausch. Für die Amerikaner war der Schlagabtausch sicher lehrreich.
Lesestoff:
[1] TTIP-Abstimmung verschoben
Roland Krieg; Fotos: Screenshots der Sitzung vom 10.06.2015