Seine Majestät lässt warten
Handel
Asparagus: Grün, Weiß und immer früher
>Vielleicht fröstelte es Marina Karl vergangenen Montag auf dem Münchener Viktualienmarkt. Die bayrische Spargelkönigin eröffnete offiziell die Saison des königlichen Gemüses im Freistaat. Heute steht Agrarminister Dr. Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern beim traditionellen Anstich in Winterkleidung zwischen den Spargeldämmen. Die vergangenen Nächte haben dem nördlichen Bundesland Frost gebracht. Die Beelitzer in Brandenburg warten noch ab: Offizielle Eröffnung ist erst am 17. April.Frühlingsgemüse
Rund 12.000 Gemüsebaubetriebe gibt es in Deutschland. Die meisten davon bauen Spargel an. Im letzten Jahr erzielte Asparagus königliche 300 Millionen Euro Umsatz und liegt damit weit vor dem zweiten Platz, den Pilzen, meist Champions, die 115 Mio. Euro erzielten. Mit durchschnittlich zwei Kilogramm Verbrauch je Haushalt bringen es die weißen und grünen Stangen als Saisongemüse auf den beachtlichen achten Platz in der Konsumskala der Konsumenten.
Den Beginn der Spargelernte verbinden sie mit dem Frühling und den Start in die Gemüsesaison. Nur der Blick auf die Wetterkarte bringt Vorfreude, Frühling und Spargelanstich noch nicht zusammen. Doch wurden die ersten Stangen bereits am 15. März geerntet.
Nennenswerte Mengen kommen innerhalb der beiden nächsten Wochen in die Regale, womit auch für die Verbraucher die Frühlingssaison in ihrer Küche endlich beginnt. Da zeigten sich gestern die Markt-, Marketings- und Anbauexperten beim Pressegespräch der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) in Berlin zuversichtlich. Carsten Dohrs, aus dem Fernsehen bekannter Koch, zauberte zur Vorstellung des neuen CMA-Spargel-Faltblatts frischen Spargel mit Kalbsroulade auf die Teller. Der Frühling schmeckt gut.
Spargel sichert Arbeitsplätze
Jochen Winkelhoff vom Zentralverband Gartenbau, hebt die Bedeutung des Spargelanbaus hervor. Ohne Saisonarbeitskräfte ist die Ernte der arbeitsintensiven Frucht nicht zu bewältigen. In den Hauptanbaugebieten hat die Expansion des Spargelanbaus in den vor- und nachgelagerten Bereichen dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen.
1979 gab es in Deutschland rund 3.000 Hektar Spargelfläche – heute sind es 18.400 ertragsfähige Fläche recherchierte Christian Zeisberger von der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA). Das hat dazu geführt, dass ausländische Ware nur noch einen Marktanteil von 20 Prozent hält. Tendenz weiter rückläufig.
Im Verzehr sind die Deutschen mit 878 Gramm pro Kopf Weltmeister. Auf dem zweiten Platz liegen die Spanier mit 500 Gramm. In diesem Jahr hat sich die Spargelanbaufläche nicht weiter ausgedehnt, obwohl noch viel Luft nach oben ist. Nur etwa jeder vierte in der Altersgruppe bis 34 legt die bleichen Stangen auf den Teller.
Damit auch die notwendige Menge geerntet werden kann, hat Wolfgang Böser vom Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeerbauern (VSSE) die Bundesregierung aufgefordert, die Erntehelferregelung zu verbessern. Derzeit dürfen die überwiegend aus Polen kommenden Saisonarbeitskräfte nur unter erheblichem bürokratischem Aufwand maximal vier Monate hier bleiben. Ab Mai 2009 müsse die Freizügigkeit für die Einwohner der neuen EU-Mitgliedsländer eingeführt werden, denn der Wettbewerb innerhalb der EU führt dazu, dass die Erntehelfer mittlerweile in anderen Mitgliedsländern arbeiten. Außerdem solle die Bundesregierung mit Weißrussland und der Ukraine entsprechende Verhandlungen aufnehmen. Mit Bulgarien ist das Abkommen am 17. April unterschriftsreif.
Verfrühungstechniken
Eine Überarbeitung der Saisonarbeitskräfteregelung scheint auch dringend geboten, denn zwischen 20 und 25 Prozent der betrieblichen Spargelfläche liefert schon mit Verfrühungstechniken die ersten Stangen. Die Saison der frischer Ware verlängert sich.
Die aufwendigen Beheizungstechniken mit durch Heizöl oder Erdgas erwärmtes Wasser durch Rohrleitungen neben den Erdwällen zu führen, haben sich in den letzten Jahren durch die gestiegenen Energiekosten als unrentabel gezeigt, erklärt Spargelbauer Böser Herd-und-Hof.de. Trotzdem gibt es drei Gründe, warum die Bauern ihre Stangen immer früher auf den Markt bringen wollen. Zum einen können sie Verbrauchern die gewünschte heimische Ware zu einem guten Preis anbieten und ihn an die beginnende Saison gewöhnen. Wer einige Felder bereits früher abernten kann, der bricht die Arbeitsspitzen in der Hauptsaison. Und drittens sind die Bauern länger am Spargelmarkt.
Es gibt sogar noch einen vierten Grund: Bislang haben sich Spanien und vor allem Griechenland den frühen Markt gesichert. Weil die Konsumenten jedoch den heimischen Spargel bevorzugen, ringen die Spargelbauern den Südländern wertvolle Marktanteile ab. Griechen und Spanier reagieren bereits darauf, so Böser, weil sie merken, dass der deutsche Markt nicht mehr nur deshalb mit billigem Spargel versorgt werden kann, weil die mediterranen Stangen als erstes im Handel liegen. Sie fangen an, die Qualitäten zu verbessern und kommen preislich dem deutschen Spargel entgegen.
Minitunnel auf den Dämmen
Bleichspargel wächst in Erddämmen heran und ab 12 Grad Bodentemperatur im Wurzelbereich, fängt die Pflanze an, die Sprossen zu schieben. Abhängig vom Wetter können die Bauern das Sprossenwachstum durch Folie beeinflussen. Eine weiße Folie über dem Damm reflektiert das Sonnenlicht und kühlt ihn. Die schwarze Folie sammelt die Einstrahlung und wärmt den Boden. Die Spargelfelder mit der weißen Folie sind also bereits für das Ende der Saison vorbestimmt.
Nur reicht die schwarze Folie alleine gerade beim derzeitigen Wetter nicht aus, die Sprossen durch den Erdwall zu schieben. Der zusätzliche Trick: Bügelgestelle auf dem Damm halten eine lichtdurchlässige weitere Folie als Tunnel über dem Damm. Die ersten Sonnenstrahlen erhitzen die Luft bis auf 40 Grad in diesem „Gewächshaus“ und wärmt den Boden. So hat der Frühlingstag am 30. März dem Spargel unter diesen Verfrühungstechniken einen gewaltigen Entwicklungsschub gegeben. In Süddeutschland konnten bei leichter Schneedecke bis zu 200 kg Spargel je Hektar geerntet werden.
Böser sieht in dieser Technik eine gute Produktionsalternative, weil sie keinen aktiven Aufwand an Energie benötigt. Die Folien reduzieren zudem den Wasserbedarf der Spargelpflanze. Ohne Folien hätten im heißen Sommer 2003 manche Spargelbauern ihre Ernte verloren. Es gibt aber auch Probleme: Sturm Emma hat manchen Minitunnel von den Dämmen gefegt. Zur Ernte müssen nun neben den üblichen Folien auch die Minitunnel ab- und wieder aufgebaut werden, was den Arbeitsbedarf erhöht. Das größte Problem hat aber der Verbraucher: Er ist im März überhaupt noch nicht auf Spargel eingestimmt. Das wird auch noch eine Weile so bleiben, bis er Märzspargel aus heimischer Produktion erkennt.
Domäne Wochenmarkt und Bauernhof
Früher Spargel kommt bei Verbrauchern aber an, wie die Analysen des ZMP-Spargelexperten Michael Koch zeigt. Das Mittel der Jahre 2004 bis 2007 zeigt eine deutliche Verschiebung der Marktversorgung in die 16. und 17. Kalenderwoche. Doch ob Folie oder Tunnel: Letztlich bleibt die Spargelernte witterungsabhängig resümiert Koch. Die letzten Wochen haben allen frühen Erntetermine zunichte gemacht.
Während die Deutschen ihr Frischgemüse zu über 50 Prozent im Discount einkaufen, besuchen die Konsumenten für die Spargelküche allermeist den Wochenmarkt oder gleich den Bauernhof auf. Frischer Spargel aus der Region hat sich als Marke etabliert.
Keine Angst vor Spargel
Die Anfrage an die CMA, wie der eingefrorene Spargel nach dem Auftauen am Besten zu schälen sei, hat die Marketingexperten der CMA veranlasst, dem Gemüse mehr Platz im Internet zu bieten. Unter www.cma.de/spargel sind nicht nur 153 Rezepte für die abwechslungsreiche Küche zusammen gestellt, sondern auch Tipps und Tricks wie die richtige Zubereitung aufgeführt. Ein neues Faltblatt zeigt dem Kunden jeweils für Bleich- und Grünspargel einen kleinen geschichtlichen Abriss und Rezepte. Das Rezept von Carsten Dohrs finden Sie dort auch.
Nordrhein-Westfalen eröffnet seine Spargelsaison am 21. April in Bottrop und kürt zum zweiten mal eine Spargelprinzessin. Thüringen folgt zwei tage später auf dem Spargelhof Kutzleben im Beisein des Ministerpräsidenten.
Übrigens: Den Spargel vor dem Einfrieren schälen.
Roland Krieg; Fotos: Minitunnel (VSSE); Marktgrafik (ZMP); Spargel und Wolfgang Böser (roRo)