Shale-Gas-Boom wirkt nur kurzfristig

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Fossile Energieträger knapp

Dr. Peter Blauwhoff, Vorsitzender der Shell-Geschäftsführer in Deutschland, weiß es: Nach „Peak Oil und Gas“ sorgt neue Technologie für Entspannung am fossilen Energiemarkt. Die Entwicklung neuer Fördertechnologien erschließt neue Gas- und Erdölquellen und verlängere deutlich die Verfügbarkeit. Auf dem Shell-Energieforum in Berlin sagte Blauwhoff Ende Februar, dass die Akzeptanz in der Gesellschaft für Öl und Gas eine größere Herausforderung sei als deren Verfügbarkeit. Gute Nachrichten, denn wenn noch genug da ist, können die Verbraucher auf eine entspannte Preissituation hoffen.
„Shale-Gas“ heißt das Energiewunder, dass in den USA die Gaspreise hat sinken lassen, die Kohle mitzog und den Markt gewaltig verändert. Michael Sailer vom Freiburger Öko-Institut hatte schon gewarnt, dass sich ein vergleichbares „Preiswunder“ durch Wiederholung der „Fracking-Technologie“ in Deutschland und Europa nicht wiederholen lasse. Die niedrigen Erdgaspreise in den USA entstehen durch ruinösen Wettbewerb. Marktstruktur und Pipelineangebot lassen in Deutschland und Europa höhere Kosten erwarten und nicht zuletzt sind noch viele ökologische Fragen offen.

Angespannte globale Versorgungslage

Am Montag hat die Energy Watch Group (EWG) den Enthusiasten ein deutliches Stopp-Signal gezeigt. Die globale Versorgungslage herkömmlicher Energieträger ist deutlich angespannter als erwartet. Das ist das Fazit der neuen Studie „Fossil and Nuclear Fuels – the Supply Outlook“. Die EWG hat bereits 2008 eine Abschätzung der Rohstoffvorkommen veröffentlicht. Der aktuelle März-Bericht prognostiziert noch in der nächsten Dekade eine Energieversorgungskrise. Aus zwei Gründen:
Hans-Josef-Fell, energiepolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzender des Parlamentarierbeirates der EWG, führt alle Finanzkrisen auf die hohen Energiepreise zurück. Auch wenn die Verbindungen nicht immer ersichtlich sind. Doch während vor ein paar Jahren ein Ölpreis von mehr als 100 US-Dollar als unmöglich galt, ist er heute ständig über diesem Schwellenwert. Der Import fossiler Energie belastet die nationalen Haushalte mit einem zweistelligen Milliardenetat.
Schwellenländer wie China treten immer mehr in Konkurrenz zu den traditionellen Lieferbeziehungen. So wird Russland jährlich 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach China liefern, was rund zehn Prozent der aktuellen Fördermenge entspricht. Entsprechende Preiseffekte durch mehrere Nachfrager freue nur den Anbieter Gazprom, so Fell.

Förderfelder erschöpfen sich

Während die Internationale Energieagentur ihre Ressourcenprognosen auf Länderbasis abstellen, hat die EWG jedes Förderfeld einzeln untersucht, die Ausbeuten seit der Erschließung verfolgt und die Summen aufgetragen. Dr. Werner Zittel, von der Ludwig-Bölkow-Stiftung und Hauptautor der Studie, hat keine Grafik parat, die gegen Ende der Betrachtungszeit nicht nach unten fällt. Egal ob es um Kohle- , Erdöl- oder Erdgaslagerstätten geht. Die großen und technisch einfachen Erschließungen liegen alle schon weit zurück. Der hohe technologische Aufwand für die Erschließung neuer Quellen hält immer nur für wenige Jahre an und kann den generellen Trend nicht stoppen.
Bei Erdöl ist die weltweite Fördermenge seit 2000 um 70 Prozent gesunken. Neue Felder im Kaspischen Meer oder im Golf von Mexiko haben die hohen Erwartungen nicht erfüllt. Lediglich in China, dem Iran und Kuwait liegen die Fördermengen darüber.


Weltweite Förderung fossiler und nuklearer Brennstoffe; World Energy Group März 2013

„Shale-Gas“ sei das neueste Beispiel, bei dem die Hoffnungen größer als die Lagerstätten sind. Die neuen Gasquellen setzen eine neue Förderspitze – doch insgesamt sind die Mengen nur gering und in drei Jahren bereits erschöpft. Nach Dr. Zittel sind solche „Förderbooms“ nur das „letzte Gefecht“ der Energiefirmen. Der Peak für fossile und nukleare Energieträger werde 2030 eintreffen. Auch die Kohlevorräte reichen nicht so lange, wie vorausgesagt. Gingen die Experten 1990 noch von einem Vorrat für 450 Jahre aus, hat sich die so genannte „statische Reichweite“ im Jahr 2012 auf 112 Jahre verkürzt. Das Fördermaximum für Kohle werde 2020 erreicht. Kohle sei kein Ersatz für sinkende Öl- und Gasfördermengen.

Bekannte Zahlen

So konträr die Prognosen zu denen der Internationalen Energieagentur (IAEO) sind, so ähnlich ist aber die Datenbasis. Nach Dr. Zittel weist auch die vergleichbare Kritik in ihren Fußnoten aus. Nur die Zusammenfassung wird im Interesse der Energiefirmen optimistisch gestaltet.
Die Grafiken der EWG zeigen aber auch noch etwas anderes: Um die Lücke zwischen Verbrauch und Förderung zu verkleinern, müssen Konsum und Energieeffizienz noch viel stärker auf den Prüfstand gestellt werden.

Lesestoff:

www.energywatchgroup.org

Was kostet die Energie ohne Wende?

Die Welt auf fossilem Expansionspfad

Roland Krieg

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