Sicherer und rechtskonformer Anlagenbetrieb
Handel
Betriebssicherheits-VO bei Anlagen im Ernährungsbereich
Produktionsverantwortliche müssen die Folgen von Anlagenveränderungen, das korrekte Verhalten in Notfallsituationen sowie das breite Spektrum an notwendigen Schutzmaßnahmen in Betrieben kennen, um größeren Schaden von Mensch, Maschinen und Produkten abwenden zu können. Grundsätzliches und Aktuelles zum Thema erfuhren Führungskräfte der Lebensmittelbranche am 8. und 9. September 2015 auf der Fresenius-Praktikertagung „Sicherer und rechtskonformer Anlagenbetrieb“ in Dortmund.
Änderungen in der Rechtslage
Zum 1. Juni dieses Jahres ist die neue Betriebssicherheitsverordnung in Kraft getreten. Stefan Grund (Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) stellte die wesentlichen Änderungen vor. Ein Unterschied zur alten Verordnung ist demnach die neue Begriffsbestimmung unter dem Punkt „Arbeitgeber“, wobei von „Anlagenbetreibern“ nun nicht mehr gesprochen wird. Die neue Begrifflichkeit schaffe für alle Arbeitsmittel die Möglichkeit, einheitliche Anforderungen zu formulieren, erläuterte Grund. Dies sei in Abschnitt 2 der Verordnung unter dem Titel „Gefährdungsbeurteilung und Schutzmaßnahmen“ geschehen. Der Abschnitt ist für alle Arbeitsmittel der zentrale Teil der neuen Verordnung. Überwachungsbedürftige Anlagen sowie Arbeitsmittel werden nun zusammengefasst als Arbeitsmittel definiert. Es ist eine Grundpflicht für den Arbeitgeber, dass Arbeitsmittel erst nach erfolgter Gefährdungsbeurteilung verwendet werden dürfen, wobei die dabei ermittelten Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik getroffen werden müssen. Die Gefährdungsbeurteilungen müssen in der Folge regelmäßig überprüft werden und der Bestandsschutz für Altanlagen ist aufgehoben, erläuterte Grund. Neu ist auch, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist zu gewährleisten, dass der Beauftragte für Gefährdungsbeurteilungen, egal ob er interner Mitarbeiter oder externer Dienstleister ist, die entsprechende Fachkunde nachweisen kann.
Explosionsschutz jetzt in
der Gefahrstoffverordnung
Eine weitere Neuerung der Verordnung 2015 ist, dass nun alle Anforderungen des betrieblichen Explosionsschutzes in die Gefahrstoffverordnung zusammengefasst wurden. Die erforderlichen Prüfvorschriften zum Explosionsschutz werden allerdings weiterhin in der Betriebssicherheitsverordnung geregelt. Durch die Änderung habe man eine sinnvolle Zusammenführung aller Anforderungen im Hinblick auf den atmosphärischen und nicht-atmosphärischen Explosionsschutz erreicht, so Grund. Weiterhin seien Doppelregelungen wie beispielsweise bei den Dokumentationspflichten beseitigt worden. Die Neuregelung verdeutliche darüber hinaus, dass es nur eine Gefährdungsbeurteilung gebe, die aber unterschiedliche Sachverhalte zur Grundlage habe. Der stoffliche Ursprung einer betrieblichen Explosionsgefährdung müsse nach den Aspekten der Gefahrstoffverordnung betrachtet werden, der arbeitsmittelbezogene Ursprung nach den Aspekten der Betriebssicherheitsverordnung.
Sicherheit durch individueller Risikoeinschätzung
Um Sicherheit zu gewährleisten, sollte jeder Betrieb sein individuelles Risiko kennen und dieses über entsprechende Maßnahmen minimieren. Die Risikoabschätzung werde häufig als schwierig empfunden, äußerte Thomas Gangkofner (Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) auf der Fachtagung. Dies liege zum einen daran, dass nur in den seltensten Fällen konkrete Zahlenwerte oder hinreichend genaue Erfahrungswerte vorhanden seien. Zum anderen werde die Risikoeinschätzung durch eine Reihe von Einflüssen erschwert. Zu diesen gehörten unter anderem das Wissen um den aktuellen Stand der Technik, das Verhalten des Wettbewerbs, die Kundenerwartungen und nicht zuletzt die finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens. Die Risikoeinschätzung finde damit in einem Spannungsfeld zahlreicher Faktoren statt und könne je nach Akteur (Anlagenbetreiber, externer Berater, Behördenvertreter) individuell stark verschieden ausfallen, so der Experte. Ein sicherer Anlagenbetrieb sei deshalb nur dann möglich, wenn alle Akteure ihren Aufgaben entsprechend die für sie geltenden Rechtsnormen erfüllten und dabei konsequent nach dem Stand der Technik handelten, gab Gangkofner zu bedenken.
Konzentration auf Sicherheit und Gesundheit
Denkanstöße zum Thema „Arbeitswelt sicher und gesund gestalten“ gab in Dortmund Prof. Dr. Matthias Bauer (RWTH Aachen). Gleich zu Beginn seines Vortrags machte er deutlich: „Sicherheit schaffen ist besser als Vorsicht fordern.“ In der Sicherheitsarbeit werde zu viel Zeit mit der Dokumentation und Defizitbehebung verbracht und die Prävention dabei vernachlässigt, kritisierte Bauer. Das Problem sei nicht, dass die notwendigen „Werkzeuge“, Methoden und Techniken hierfür fehlten. Vielmehr mangele es an der Umsetzung, da die Werkzeuge nicht kontinuierlich und konsequent eingesetzt würden. Bauer betonte das Arbeits- und Gesundheitsschutz eine Führungsaufgabe sei, die ein Arbeiten mit System und Expertenwissen erfordere und von dem Unternehmen auch in wirtschaftlicher Hinsicht stark profitieren würden: So verzeichnen Firmen, die auf partnerschaftliche Führung und eine hohe Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen setzen, weitaus niedrigere Krankenstände und eine niedrigere Kündigungsquote durch Arbeitnehmer als Unternehmen, in denen diese Aspekte nur eine, wenn überhaupt, untergeordnete Rolle spielen. Für einen sicheren Betrieb komme es darauf an, den Nutzen sicheren Verhaltens zu erhöhen, dieses zu erleichtern, gleichzeitig sicherheitswidriges Verhalten zu erschweren und dessen Folgen zu verdeutlichen erklärte Bauer weiter. Zum Abschluss seines Vortrags nannte Bauer eine Reihe möglicher Ansätze, mit denen sich der Arbeits- und Gesundheitsschutz in modernen Industrieunternehmen verbessern ließe. Dabei war ihm insbesondere ein Wandel in der Sicht auf das Thema ein zentrales Anliegen. So müsse etwa die betriebliche Wertschätzung des Menschen als Gesundheitsfaktor und der Arbeits- und Gesundheitsschutz als Projekt für gesellschaftliche Verantwortung und Nachhaltigkeit gesehen werden, betonte Bauer. Ebenso sei der Abbau von Vorurteilen seitens der Unternehmer inklusiver der Verbände und Institutionen gegenüber dem Thema von großer Wichtigkeit.
Lesestoff:
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Stefanie Johannsen (Fresenius); roRo