Sind Verbrauchern Kontrollen und Strafen genug?

Handel

Tonio Borg im EU-Umweltausschuss und Änderung LFGB

Am Donnerstag stellte sich EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg den Fragen im EU-Umweltausschuss [1]. Borg differenziert vor dem Hintergrund des Pferdefleischskandals weiterhin zwischen gesundheitlichen Aspekten und Betrugsdelikt. Es sei nicht an der Zeit die Legitimität bestehender Regeln oder gar den Binnenmarkt in Frage zu stellen. Borg betonte erneut, dass der für Herbst geplante Bericht über Herkunftskennzeichen nichts mit dem Pferdefleisch zu tun habe. Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Produkte müssen gegen Kosten und möglicher Benachteiligung im Binnenmarkt abgewogen werden. Aber, so gibt Borg erneut zu, immer mehr Mitgliedsländer wollen mehr Kennzeichnung auch für verarbeitete Produkte. Man solle in einem der besten Sicherungssysteme der Welt keine Panik schüren. Es bedürfe nicht neuer Regeln, aber einer besseren Umsetzung in den Mitgliedsländern. Wenn einige Länder ihre Kontrollen nicht ordnungsgemäß durchführen können, kann eine europäische Durchführungsagentur dieses kaum ersetzen. Solche Vorstellungen seien nicht praktikabel.

Während Borg mit der Betonung des betrügerischen Aspektes weitere Kritik an der Marktorganisation verhindert, sehen die Europaparlamentarier die Beimischung von Pferdefleisch mehr aus der Verbrauchsicht.

Linda McAvan (britische Sozialdemokratin) führt an, dass der Betrug nur durch eine Zufallsuntersuchung aufgedeckt wurde. In Irland und Großbritannien wurden im Sommer 2012 deutlich mehr als gewöhnlich Pferde geschlachtet, deren Verbleib nicht hinterfragt wurde. Wie lange schon währe der Betrug und was passiere nach vier Wochen, wenn die Intensivierung der Kontrollen wieder zurückgefahren werde? Auch Richard Seeber (österreichischer Christdemokrat) kritisiert, dass der Betrug zu leichtfertig als Erklärung hergenommen werde. Die Kontrollketten in den Ländern müssten durch die EU besser überwacht werden. Ausschussvorsitzender Matthias Groote (Sozialdemokrat aus Deutschland) verweist auf den schon jetzt „immensen Schaden“, den auch nur der Vertrauensverlust hervorgebracht hat. Groote hofft, dass die Lebensmittelindustrie jetzt auch über eine Kennzeichnung von Prozessfleisch nachdenkt. Dem Verbraucher sei „schwindelig“ geworden, wo sein Fleisch überall hingehe. Mark Demesmaker (belgischer Grüner) führte an, dass in Flandern die Wertschöpfungsketten kürzer gestaltet werden. Regionalität und Saisonprodukte werden besonders gefördert.

Die Diskussion ist die gleiche wie über Hormonkälber, Gammelfleisch und auch beim Bio-Eierbetrug. Die Semantik zwischen Industrie und Verbraucher stimmt nicht mehr und wird auch im Herbst bei der Veröffentlichung des EU-Berichtes in den gleichen Bahnen verlaufen.

Nennt die Namen…

Selbst bis nach Brüssel ist die Abstimmung im Bundestag vom Donnerstag zur Namensnennung bei Falschetikettierung vorgedrungen. Matthias Groote würdigte den Ansatz des Bundeslandwirtschaftsministeriums als positiven Ansatz, Verbrauchern etwas zu geben. Geändert wurde das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Nicht nur die Zusammenarbeit der Behörden wird verbessert. Nicht nur bei Gesundheitsgefahr, sondern künftig auch bei schweren Täuschungen kann die Bundesregierung selbst die Verbraucher über betroffene Produkte und Hersteller informieren. Bislang musste sie abwarten, bis die Firmen selbst eine Auskunft gaben. Das ist ein großer politischer Schritt, denn die Lebensmittelindustrie hat sich immer genau dagegen gewehrt. Der Fall Birkel hatte gezeigt, was passieren kann, wenn Firmen in falschen Verdacht geraten [2]. Jetzt darf ein „hinreichend begründeter Verdacht“ ausreichen, den Konsumenten Orientierung zu geben.

Elvira Drobinski Weiß, verbraucherpolitische Sprecherin der SPD, bleibt skeptisch. Eine Abwägungsklausel und ein behördlicher Nachweis einer verschuldeten Täuschung können dazu führen, dass Firmen- und Produktnamen dennoch nicht genannt werden dürfen. Auch Klaus Müller von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hält die Änderung für zu weich und gäbe den Interessen der Betriebe Vorrang gegenüber den Interessen der Verbraucher. Auch das Verbraucherinformationsgesetz müsste geändert werden: „Die Auskunftspflicht muss auch auf Unternehmen ausgeweitet werden. Denn die Lebensmittelhersteller sind es, die zu allererst über Informationen verfügen und zeitnah Auskunft geben können, welche Produkte sie herstellen, mit wem und auf welche Weise sie produzieren.“

Lesestoff:

[1] Tonio Borg zum Pferdefleisch im EU-Agrarausschuss

[2] Der Birkel-Schatten

Roland Krieg

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