"Sofia" warnt vor Überfischung

Handel

„Es mangelt an politischem Willen“

Gerade jetzt zur Fastenzeit deckt Fisch bei Verbrauchern nicht nur die notwendige Eiweißversorgung, liefert wichtige Vitamine und ist als Seefisch eine verlässliche Quelle für die Jodversorgung. Omega-3-Fettsäuren gelten mittlerweile als der Gesunderhalter schlechthin: Aus den Tiefen des Meeres. „Wer auf Panade verzichtet, Salat statt Remouladensauce wählt und Brat- durch Salzkartoffeln ersetzt, hat schon eine Menge Fett eingespart, ohne auf den Lieblingsfisch verzichten zu müssen“, empfiehlt Laura Groche, Ernährungsreferentin der Berliner Verbraucher Initiative.
Doch in den Tiefen der Meere wird es zusehends leerer – so warnte gestern der „State of the World Fisheries and Aquaculture“ („Sofia“) – Report der FAO.

Ein Viertel gefährdet
Der Bericht der FAO besagt, dass rund ein Viertel der Bestände gefährdet ist. Bei 52 Prozent sei die Fangquote bereits so ausgereizt, dass keine Steigerung mehr möglich ist. Besondere Sorge gilt den Wanderfischen, die lange Strecken zwischen nationalen Küstengewässern zurücklegen. Mehr als die Hälfte der wandernden Hai- sowie zwei Drittel der Hochsee-Bestände seien übernutzt und würden zurückgehen. Darunter zählen Seehecht, der Atlantische Kabeljau, Heilbutt, Granatbarsch, Blauflossentunfisch oder der Riesenhai. Das seien zwar nicht die größten Fischressourcen, aber, so erklärte der stellvertretende FAO-Generaldirektor Ichiro Nomura, sie seien ein Schlüsselindikator für den Zustand des ozeanischen Ökosystems.

2000

2002

2004

2005

Produktion

Fang in Mio. Tonnen

Hochseefischerei

95,6

93,3

95,0

93,8

Aquakultur

35,5

40,4

45,5

47,8

Summe

131,1

133,7

140,5

141,6

Konsum

Ernährung

96,9

100,2

105,6

107,2

Pro-Kopf in kg

16,0

16,1

16,6

16,6

Q: Sofia-Report

Der vor allem in China am stärksten steigende Anteil in der Fischproduktion ist die Aquakultur. 1980 deckten sie neun Prozent des Fischkonsums– heute sind es mit 47,8 Millionen Tonnen bereits 43 Prozent.

Branche muss umdenken
Der Generalsekretär des Internationales Rates für die Nutzung der Meere (ICES) Dr. Hubold sieht in dem FAO-Bericht „kein Katastrophenszenario“, aber einen Anlass, sich um eine nachhaltige Bewirtschaftung Gedanken zu machen. Die 200 weltweit kommerziell nutzbaren Fischarten könnten sinnvoll genutzt werden. Das sieht auch der FAO-Bericht so, der bei der Umsetzung lediglich den fehlenden politischen Willen als Hemmnis vermerkt.
Deutlicher ist die Sichtweise von Cornelia Behm, agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen: Wie viele Warnungen bräuchte die internationale Fischwirtschaft noch? „Besonders skandalös ist, dass Länder wie Spanien, Japan, Südkorea, Russland, Australien, Island und fünf weitere Nationen ihren Fischern Zeitungsberichten zufolge jedes Jahr 125 Mio. US-Dollar an Subventionen für Treibstoff zahlen. Denn der immense Treibstoffverbrauch der Hochsee- und Tiefseefischerei ist ihre Achillesferse. Sie ist auf billigen Treibstoff angewiesen, ansonsten wäre sie nicht rentabel.“ Eine Lösung sieht Behm in der Schaffung eines internationalen Meeresschutzgebietsnetzes – und Kontrollen.

Illegaler Fischfang
Unabhängig vom FAO-Bericht hat der Bundestag gestern die kleine Anfrage der FDP beantwortet, die sich um den illegalen Fischfang drehte. Darin wird das Volumen des illegale Fischfangs auf rund einer Milliarde Euro beziffert. „Bei einigen Fischbeständen sei etwa ein Drittel des Fischfangs illegal“ und nimmt nach Angaben Dr. Hubolds, der auch Leiter der Bundesforschungsanstalt für Fischerei ist, weltweit weiter zu. Die legalen Anlandungen von Dorsch aus der östlichen Ostsee sind nach Angaben des ICES zwischen 2000 und 2005 von 66.000 auf 40.000 Tonnen zurückgegangen. Die schwarzen Anlandungen betrugen im gleichen Zeitraum rund 25 Prozent. Unbekannt ist das Problem der EU nicht, wenn beispielsweise Polen 52.000 t Dorschprodukte im Jahr 2004 exportiert hat, aber lediglich eine Fangquote von 16.000 t zugeteilt bekam.

Trotzdem sorgenfrei essen
Die Bundesregierung sieht in ihrer Antwort an die FDP die Zertifizierung der Fischerei als einen wichtigen Beitrag, die Nachhaltigkeit zu dokumentieren und dem Konsumenten ein verantwortungsbewusstes Handeln zu vermitteln.
So hat auch die Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) gestern angesichts der Sofia-Studie Hoffnungen in das Siegel des Marine Stewardship Council (MSC) gelegt. Das garantiert, dass nicht mehr Fisch gefangen wird als wieder nachwächst. Nach Angaben des WWF tragen rund vier Prozent des Weltfischfangs das blaue Öko-Zertifikat.
Bedenkenlos können von den zehn beliebtesten Speisefischen zur Zeit nur Hering, Seelachs und Forelle verzehrt werden. Auf Rotbarsch, Seezunge, Scholle oder Schillerlocken sollten Verbraucher derzeit verzichten. Schillerlocken stammen vom auf der Roten Liste stehenden Dornhai.

Lesestoff:
Die Sofia-Studie kann unter www.fao.org/docrep/009/A0699e/A0699e00.htm eingesehen werden. Neben tabellarischen Übersichten über Fische, Fischer und Fänge, wird der Code of Conduct für eine nachhaltige Fischerei im zweiten Jahrzehnt vorgestellt und beleuchtet welche marktwirtschaftliche Rolle Zertifikate haben können.
Das aktuelle Themenheft „Fisch & Meeresfrüchte“ der Berliner Verbraucherinitiative informiert über Trends wie Sushi und Algen, beleuchtet Zucht- und Fangmethoden und hat für die kommende Urlaubssaison eine mehrsprachige Übersicht der wichtigsten Speisefische. Es kann unter www.verbraucher.org heruntergeladen werden.
Sorgenfreie Fischführer im Internet gibt es bei: www.wwf.de / www.greenpeace.de / www.de.msc.org, dem MSC-Ökofischsiegel.
Der ICES in Kopenhagen gibt zweimal im Jahr eine wissenschaftlich basierende Empfehlung an die EU, welche Fischbestände wie weit noch genutzt werden könnten. Detaillierte Analysen gibt es unter www.ices.dk

Roland Krieg

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