Stärkung des regelbasierten Welthandels
Handel
WTO-Ministerkonferenz in Kanada
Der Welthandel wird immer nervöser. In der Woche Mitte Oktober haben deutsche Exporteure und der EU-Rat, mit der Situation zum Brexit und der Lage in den Schwellenländern keinen guten Ausblick auf den Welthandel geworfen [1].
Interessenlose Mitglieder
Die Welthandelsorganisation WTO hat auf ihrer Ministerkonferenz in Kanada vom 23. bis zum 25. Oktober die Länder angemahnt. 78 von 164 Mitglieder haben ihre Subventionen aus dem Jahr 2017 nicht bei der WTO notifiziert. 63 Länder haben die Subventionen aus dem Jahr 2016 und 56 Länder selbst aus dem Jahr 2013 noch nicht gemeldet. Zudem fehlen 41 Meldungen aus dem ersten Halbjahr 2018.
„Das chronisch niedrige Erfüllen der Verpflichtungen ist ein ernstes Problem für die Ausarbeitung künftiger Handelsabkommen“, beschwert sich die WTO im Abschlussdokument. Das dies überhaupt festgehalten wurden ist unter anderem dem Drängen der EU, Neuseelands, Kanadas, Norwegen, der Schweiz, aber auch der USA sowie Singapur zu verdanken. Immerhin haben einige Lände ihre Lücken seit dem letzten Frühjahrsmeeting gefüllt. So haben die Philippinen alle fehlenden Notifizierungen aus insgesamt neun Jahren nachgereicht. Die WTO bietet den Ländern Hilfe für das Notifizieren an. Die Dokumentation ist wichtig. Vor allem die USA sehen eine direkte Verbindung zwischen Subventionen und Überkapazitäten in einzelnen Wirtschaftssektoren – wie Stahl aus China. Auch die Japaner beklagen den verzerrten Wettbewerb durch Subventionen in den Bereichen Stahl, Eisen und Schiffsbau.
Die chinesische WTO-Delegation hingegen sieht weniger in den Subventionen, als mehr in der langsamen Erholung und der damit verbundenen zögerlichen Nachfrage nach der Finanzkrise, die Ursachen der Überkapazitäten.
Ein weiteres strittiges Marktsegment ist der Fischfang. Mehr als die Hälfte der WTO-Mitglieder haben ihre Subventionen für den Fischfang nicht notifiziert. Auf der anderen Seite beklagt Neuseeland, dass rund 54 Prozent der weltweiten Fischgründe ohne Subventionen nicht mehr wirtschaftlich befischt werden könnten.
Stärkung der WTO
Die Minister haben auf der Tagung in Ottawa dennoch ihren Willen für den regelbasierten Welthandel unterstrichen. WTO-Generaldirektor Roberto Azevédo freute sich über das Abschlussdokument. Die Minister hätten Ideen und Ziele für die Stärkung und Reform der WTO ausgetauscht. Der regelbasierte Welthandel sichere Wohlstand, Wachstum und Arbeitskräfte weltweit. Die Zunahme an Einzelinterssen in der weltweiten Wirtschaftspolitik sehen die Minister mit Sorge. Die Schiedsgerichtbarkeit in Handelsstreitigkeiten bleibe ein festes Fundament der WTO. Damit kritisiert die WTO die immer noch ausbleibende Neubesetzung der Amerikaner im Berufungskomitee nach der Präsidentenwahl Donald Trumps. Die Minister wollen im nächsten Jahr endlich die Verhandlungen zu den Fischereirechten abschließen.
Vorlage ist die Erfüllung der UN-Agenda 2030. Zu den Zielen 2019 gehört auch die weitere Verfolgung der Entwicklung aller Länder, bei denen die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen zu Differenzierungen im Handel führen sollten. Die WTO ist im starken Verhandlungsdefizit mit der als Entwicklungsrunde bezeichnte Doha-Runde aus dem Jahr 2001. Mit 17 Jahren ist das die längste Verhandlungsrunde aller Zeiten.
Das nächste Ministertreffen wird im Januar 2019 statt finden. Dann will die WTO ihre Reform in den Fokus stellen, weil die augenblickliche Situation der Organisation alles andere als nachhaltig ist, wie es in dem Dokument heißt. Die WTO will im Kampf gegen Protektionismus mehr Transparenz schaffen und fit für dieHandelsbedingungen des 21. Jahrhunderts werden.
Agrarhandel
Vor der Zusammenkunft der Minister hat sich im Agrarbereich jedoch die immerwährende Auseinandersetzung gezeigt. Paraguay und Uruguay beklagen nicht-tarifären Handelshemmnisse, Zollspitzen und höhere Zollsätze auf verarbeitete Ware als Ursachen für Handelshemmnisse. Die USA beklagen den großen Unterschied zwischen den notifizierten und angewandten Zollsätzen. Der Durchschnitt der bei der WTO hinterlegten Tarife beträgt 54,7 Pozent, der angewandte Tarifsatz im Agrarbereich folgt dem Modell der Marktöffnung und liegt bei 14,5 Prozent im Durchschnitt. Für Exporteure ist das kaum vorhersehbar, wenn Länder ohne Vorwarnung die angewandten in Richtung maximal erlaubter Tarife erhöhen. Russland hat eine lange Liste an Sicherheitsmechanismen für den Agrarbereich eingereicht. Der Safe Guard Mechanismus soll besonders sensible Produkte vor Importen schützen. Acht von 33 Mitgliedern, die EU wird dabei als ein Mitglied bewertet, haben solche Sicherungsmechanismen eingeführt. Von 183 möglichen Produktgruppen sind 77 mit Sicherungszollsätzen versehen. Ein Beispiel sind Geflügelfleisch und deren essbare Innereien, für die seit 2005 Schutzzölle gelten. Ein anderes Beispiel ist Molasse aus raffiniertem Zucker. Moskau will die Sicherungsmechanismen in der WTO überprüfen lassen. Die einen wollen also diesen Schutz abbauen, die Länder, die den Schutz aufgebaut haben, sehen ihn als Baustein in einem größeren Kontext. So führt Indonesien an, dass 60 bis 70 Prozent seiner Bevölkerung im Agrarberich tätig sind. Die bewirtschafteten Flächen sind verhältnismäßig klein und die Regierung müsse mit den Mechanismen die Bevölkerung schützen. Die Reduktion der Sicherheitstarife könne nur durch einen verbesserten Marktzugang in anderen Ländern kompensiert werden.
Lesestoff:
[1] Angriff auf den regelbasierten Welthandel: https://herd-und-hof.de/handel-/welthandel-wird-nervoeser.html
Roland Krieg