Stand der EU-Freihandelsabkommen

Handel

Bilateral statt Multilateral

Die EU schätzt die Nachfrage realistisch ein: Mehr als 90 Prozent werden in den Drittstaaten generiert. Da derzeit die Welthandelsrunde kein absehbares Ende findet, blühen die Freihandelsabkommen, die mit einzelnen Ländern abgeschlossen werden. Wären alle derzeit verhandelten Abkommen in Kraft rechnet die EU mit einem zusätzlichen Handelsgeschäft in Höhe von 275 Milliarden Euro. Das sind etwa 2,2 Prozent des europäischen Bruttosozialproduktes. Vergleichbar mit der österreichischen oder dänischen Wirtschaft. Etwa 2,2 Millionen neue Arbeitsplätze könnten dadurch entstehen, etwa ein Prozent der aktuellen Beschäftigtenzahl.

Japan

Das neueste Verhandlungsmandat wurde in der letzten Woche für Japan definiert. Das Japangeschäft könnte um ein Drittel zunehmen und 400.000 neue Beschäftigungsverhältnisse schaffen. Vorher gibt es noch Bedenken auszuräumen, denn Japan schützt seine Volkswirtschaft mit hohen nicht-tarifären Handelsbedingungen. Zeige Fernost innerhalb eines Jahres keine Bereitschaft, inkompatible Standards oder zusätzliche Testverfahren aufzugeben, behält sich die EU einen Abbruch der Gespräche vor.
Diesem europäischen Vorbehalt hat der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) eine Warnung hinterhergeschickt: Bei dem geplanten Freihandelsabkommen mit Japan geht es für beide Regionen darum, langfristig nicht aus der Champions League der Weltwirtschaftsmächte abzusteigen“, sagte Anton F. Börner, Präsident des BGA. „Es geht hier nicht um Zölle, es geht um Marktanteile, Arbeitsplätze, Zukunftschancen!“ Bislang ist der japanische Markt mit einem Volumen von 240 Milliarden Euro für deutsche und europäische Einzelhändler weitestgehend abgeschottet. Börner fordert die EU auf, ein Zeichen des guten Willens zu setzen. Japan hat seine Wahlen vorgezogen und es drohten angesichts der rückläufigen Wirtschaft neue protektionistische Tendenzen.

USA

Japan ist nach China der zweitwichtigste Handelspartner in Asien. Die EU und Japan stellen rund ein Drittel des weltweiten Bruttosozialproduktes. Übertroffen wird diese Achse nur noch durch die transatlantische Verbindung mit den USA. Zwischen Washington und Brüssel werden täglich Waren im Wert von 1,8 Milliarden Euro gehandelt. Das ist etwa die Hälfte des weltweiten Bruttosozialproduktes und ein Drittel des weltweiten Handels. Derzeit wollen beide ebenfalls ein Freihandelsabkommen abschließen
In Planung sind Verhandlungen mit dem südlichen Mittelmeerraum, namentlich Ägypten, Marokko, Jordanien und Tunesien. Hierbei handelt es sich um ein „Upgrade“ bereits bestehender Beziehungen.


Rot: Abgeschlossene Freihandelsabkommen und Dunkelgrün: Verhandlungen in Arbeit: Bei vielen afrikanischen, ozeanischen und karibischen Ländern bestehen Ökonomische Partnerschaftsabkommen (EPA). Ockerfarben: Freihandelsabkommen in Erwägung gezogen: Aserbaidschan, Bolivien, Brunei, Ecuador, Indonesien, Japan, Philippinen, Thailand, USA

Zehn Verhandlungspartner

Parallel laufen Verhandlungen mit zehn anderen Partnern. Im Mai 2009 haben Verhandlungen mit Kanada begonnen und stehen kurz vor einem Abschluss, teilte EU-Handelskommissar Karel de Gucht mit. Aktuell beläuft sich das Handelsvolumen auf 52 Milliarden Euro und könnte um weitere 25 Milliarden steigen.
Im asiatischen Wirtschaftsverbund ASEAN ist Singapur der größte EU-Handelspartner mit 65 Milliarden Euro Warenumsatz. Der Stadtstaat gilt als Tor für weitere Investitionen in Asien. Seit März 2010 wurden bereits elf Verhandlungsrunden absolviert. Vor dem Abschluss stehen noch Verhandlungen im Bereich Dienstleistungen an.
In der ASEAN-Gruppe laufen Verhandlungen mit Malaysia seit Mai 2010 und seit Sommer 2012 mit Vietnam. Im nicht so fernen Osten Europas finden gegenwärtig Gespräche mit Armenien, Georgien und Moldawien statt.
Schon seit 2007 verhandelt die EU mit Indien. Doch eine letzte terminierte Verhandlungsrunde fehlt noch. Langsam kommen auch die Gespräche mit dem südamerikanischen Mercosur in Fahrt. Zwei Jahre lang wurde über technische Details geredet und die EU findet es an der Zeit, die ersten Angebote für eine gegenseitige Marktöffnung auszutauschen.
Ausgesetzt haben die Golf-Staaten die EU-Gespräche im Jahr 2008. Die EU teilt lediglich mit, dass informelle Kontakte beider Partner bestehen.

Fertig – aber nicht in Kraft

Die EU hat einige Freihandelsabkommen bereits abgeschlossen, die aber noch nicht in gültig sind. Das jüngste sind die Abkommen mit Peru und Kolumbien, die am 26. Juni 2012 unterzeichnet wurden. Im Januar 2013 könnte das Abkommen, das eine Kostenersparnis durch sinkende Zölle in Höhe von 500 Millionen Euro im Jahr nach sich ziehen soll, in Kraft treten. Die EU ist für die Andenregion nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner.
Nur ein paar Tage jünger ist das Abkommen mit den zentralamerikanischen Staaten Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama. Die EU will das Abkommen noch in diesem Jahr ratifizieren, die Mittelamerikaner werden es voraussichtlich im März 2013 tun.
Politisch ist das Abkommen mit der Ukraine derzeit das schwierigste. Die Verhandlungen begannen im Dezember 2011, werden aber seitens der EU erst weitergeführt, wenn die Ukraine notwendige politische Reformen umgesetzt hat. Ebenfalls unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert sind die Abkommen mit der Elfenbeinküste, Kamerun, der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft, Ghana und dem Ostafrikanischen Markt.

28 Abkommen

Insgesamt hat die EU 28 Abkommen vereinbart. Darunter befinden sich reine Freihandelsabkommen aber auch ein begrenzter Freihandel innerhalb allgemeiner Wirtschaftsabkommen wie mit der Türkei. Ein 29. wird derzeit nicht umgesetzt: Das mit Syrien.

Lesestoff:

Handel hat immer etwas mit Entwicklung zu tun. Privates Kapital für den Bereich Entwicklungspolitik wird gebraucht. Wie das Geld allerdings eingesetzt wird, darüber gibt es in Deutschland zwei Ansichten: Das BMZ offeriert allen Unternehmen eine Beteiligungsmöglichkeit – die Sozialdemokraten und die Grünen setzen bei dem Einsatz auf verbindliche Sozial- und Umweltstandards.

Für das multilaterale Handelssystem und die Beendigung der DOHA-Runde steht derzeit fast nur WTO-Generaldirektor Pascal Lamy ein . Nach Anton Börner vom BGA fehle es an Welthandelspolitikern. Weil Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU, derzeit keine Anzeichen für eine Beendigung der DOHA-Runde sieht, setzt er auf FTA.

Roland Krieg; Grafik: EU

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