Start der Konsum- und Produktionsänderung

Handel

Programm für Nachhaltigen Konsum

Die Sustainable Development Goals (SDG) haben den Industrieländern den Auftrag gegeben, ihren Beitrag zur Erfüllung zur Hunger- und Armutsbekämpfung, nachhaltigen Ressourcenverbrauch und Reduzierung von Emissionen beizutragen. Die Industrieländer müssen bei ihrem Überverbrauch an Ressourcen ihre eigen Konsum- und Produktionsmuster ändern. Das ist zwar nicht neu, denn ökologisch hergestellte Produkte gibt es schon lange, Menschen, die sich sparsam dem Konsumterror verweigern ebenso, wie auch Konsumenten, die bei ihrem Einkauf an die Auswirkungen auf andere Länder denken.

Doch jetzt wird es ernst. Deswegen will die Bundesregierung über die federführenden Ministerien für Umwelt und Justiz und Verbraucherschutz den nachhaltigen Konsum in ein Nationales Programm gießen. Zum Auftakt der Berliner Konferenz „Nachhaltiger Konsum“ stellte Staatssekretär Gunther Adler aus dem Umweltministerium die sechs Konsumfelder vor: Mobilität, Ernährung, Wohnen und Haushalt, Arbeit und Büro, Bekleidung, Freizeit und Tourismus. Dort solle der nachhaltige Konsum die größten Umwelt- und Sozialleistungen aufweisen. Bereiche wie Bildung und Verbraucherinformationen sind übergeordnete Aufgabenfelder, die der ersten Säule nicht zugeordnet werden können.

Zwischen der Verabschiedung der SDG, der Agenda 2030, und dem Pariser Klimagipfel Ende November ist der richtige Zeitpunkt gekommen, die Gipfel bereits auf die Straße zu schicken. Da Verhalten nicht von oben verordnet werden kann, fand auch diese Konferenz im Dialogformat mit Workshops statt [1]. Heraus kommen sollen Leitplanken, die über das geplante Programm, das nach Adler noch in diesem Jahr durch das Kabinett bestätigt werden soll, Kunden eine Orientierung geben.

„Informationen werden maßlos überschätzt“

Der ehemalige Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes und jetzt als Staatssekretär im Justiz- und Verbraucherschutzministerium arbeitende Gerd Billen stellt fest: „Jedes Politikfeld muss sich um Nachhaltigkeit bemühen.“ Da es nachhaltige Konsumenten wie auch Schnäppchenjäger gibt, müsse trotz freiwilligem Engagement die Politik die Leitlinien vorgeben.

Die Botschaft dürfe den Bürger nicht auf die Rolle des Verbrauchers reduzieren, denn in der Küche, beim Handwerken oder der Beaufsichtigung der Nachbarskinder „leistet“ er auch etwas, wird Produzent und Dienstleister. Dafür wurde der neue Sachverständigenrat im Verbraucherministerium gegründet. Er soll erst einmal der Frage nachgehen, wie der Verbraucher „tickt“. In seinem Alltag bewältigt er routiniert täglich Nutzungskonflikte. Soll ich mit dem Bus, dem Auto oder dem Fahrrad fahren? Wie ist das Wetter, die Parkplatzsituation oder der Zeitaufwand?

Die Entscheidungen müssen anhand eines „zweiten Preisschildes fallen“, das die sozial-ökologischen Kosten notiert.

Den Start macht die Bundesregierung mit dem Projekt Siegelklarheit, bei dem das Textilsiegel des BMZ schon weit fortgeschritten ist. Bald wird es um Holz und Lebensmittel erweitert. Geplant ist auch die Aufnahme von Finanzprodukten. Die Zahl der existierenden Siegel zu verkleinern, hält Billen für nicht mehr möglich. Daher soll es eine Art Qualitätscheck für die vorhandenen Label geben [2]. Das ist nach Billen eine neue Rolle des Staates – die nach der nächsten Wahl zu einer weiteren Auslagerung des Verbraucherschutzes aus dem Landwirtschaftsministerium führen könnte.

Die EU hat mit der CSR-Richtlinie bereits für Unternehmerpflichten vorgelegt. Was bisherige freiwillige Nachhaltigkeitsberichte Wert sind, demonstriert derzeit Volkswagen, kritisiert Billen. Nach seinem Wunsch soll die Stiftung Warentest auch die CSR-Angaben der Unternehmen testen.

SDG aus der Rhetorikfalle befreien

Für Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker geht es viel zu langsam. „Unter dem Gesang über die Nachhaltigkeit wird die Welt immer unnachhaltiger“. Der World Overshoot Day, der dieses Jahr am 13. August den Zeitpunkt markierte, als der Konsum die natürlichen Ressourcen aufgebraucht hatte, lag beim konsumkritischen Bericht des Club of Rome 1972 noch bei Ende Dezember. Weizsäckers kritischer Blick auf die SDG sieht in den Zielen zunächst einmal nicht mehr als Wachstumsprogramme mit angehängten ökologischen Kriterien. Damit die 17 Ziele nicht nur reine Rhetorik bleiben, müsse Wirtschaft radikal umgedacht werden. Bislang setze sich Wachstum aus Schaffung von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen zusammen. Beides brauchen wir, betont Weizsäcker, aber die Nachhaltigkeit komme zu kurz. Er sieht den Staat in der Bringschuld. Er müsste den Verbrauch von Naturressourcen besteuern. So würden die Produkte mit geringerer Effizienz langsam teurer und wer ökologisch und sozial vernünftig wirtschaftet werde belohnt. Auch so entsteht ein Produktivitätsfortschritt, der Arbeitsplätze generiert. Ein Wechsel von Wertschöpfungsketten.

Judith Gebbe vom Jugendbeirat youthinkgreen e.V. brach die Lanze für die Jugend. Nachhaltigkeit und politisches Engagement sind Schülern, Studenten und Berufsanfängern keine Fremdworte. Es gebe aber zu wenig Informationen und Alternativen. Das allerdings fördert die Kreativität. Auf Textiltauschpartys kleiden man sich neu ein, auf Food-Sharing-Treffen werden Überschüsse neu verteilt. Allerdings gibt es auch Sektoren, wie der IT-Bereich, wo die Nachhaltigkeit fast noch ein Fremdwort ist. Trotz unterschiedlicher Lebensstile fände jeder seine Möglichkeiten, nachhaltig zu sein.

Am Ende, oder ganz oben, muss es allerdings einen Dirigenten geben. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker weiß auch wer: „Für die politische Kohärenz ist das Kanzleramt zuständig.“

Lesestoff:

[1] Umsetzung der SDG in Deutschland

[2] www.siegelklarheit.de

Roland Krieg

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