Streit in der Kornkammer Bayerns

Handel

Industrie auf dem Acker

Gäu beschreibt im Mittelhochdeutschen Sprachgebrauch gutes Ackerland. Westlich der Donau zwischen Wörth an der Donau und Künzig hat sich über Jahrtausende Lössboden angesammelt, der den dort wirtschaftenden Bauern schon im 18. Jahrhundert das Attribut „Bauernkönige“ einbrachte. Die dunkle Bodenfarbe gab der Region „Gäuboden“ auch den Namen „Tunka“. Es ist die fruchtbarste Region des Freistaates Bayern und beschert den Landwirten gute Ernten.

Mitten im Gäuboden hat die Gemeinde Irlbach an der Straße Bierweg, die zur Bundesstraße 8 führt eine Gewerbefläche ausgewiesen, auf der BMW ein Montagewerk für Hochvoltbatterien bauen möchte.

Apostelweizen

Vieles ist noch geheim und nur langsam durchgesickert. Die im Januar dieses Jahres neu gegründete Bürgerinitiative „Lebenswerter Gäuboden“ bezieht sich auf die allgemeine BMW-Suche nach Flächen zwischen 50 und 100 Hektar im Sommer 2022. Für die Gesamtanlage mit Werk, Abstandsflächen und Freiflächenphotovoltaik sollen bis zu 170 Hektar Land an den Automobilkonzern gehen. Die Flächen gehören zu den Gemeinden Irlbach und Straßkirchen sowie dem Gut Makofen.

Das Straubinger Tageblatt „isar – donau – wald“ (idowa) besuchte das Gut Makofen im Jahr 2019. Dort wird aus der regionalen Weizensorte „Apostel“ zusammen mit der Saatzucht Streng-Engelen, der Dorfner Mühle und der Bäckerei Steinleitner sowie der Poschinger-Bray´schen Güterverwaltung in gemeinsamer Wertschöpfung regionales Brot gebacken. Gemeinsam machen sie den Weg vom fruchtbaren Acker bis zum duftenden Brot transparent.

Ehemaliges Zonenrandgebiet

Jenseits der Donau beginnt der Aufstieg in den Bayerischen Wald. Fast 50 Jahre lang war die Region „Zonenrandgebiet“ und stand auf wirtschaftlich schwachen Füßen. Jede Industrieansiedlung war willkommen. Heute ist der Wirtschaftszweig Mechatronik einer der Einkommensbringer in der Region. Vor einigen Jahren wurde mit dem Bahnshuttle München-Nürnberg-Antwerpen eine Anbindung des Bayerischen Waldes an einen Überseehafen eingerichtet. Mittlerweile ist aus einer wöchentlichen eine tägliche Verbindung geworden. Daher blicken bayerische Politiker erfreut auf den Automobilkonzern, der bei Irlberg ein Montagewerk für  Batteriezellen aus dem BMW-Werk Debrecen in Ungarn hinstellen könnte. In dem bayerischen Werk werden sie zu Hochvoltbatterien montiert und in die Automobilwerke nach München, Regensburg und Dingolfing transportiert.

Das Szenario

Mit Zu- und Weiterlieferung befürchtet die Bürgerinitiative einen intensiven Transportverkehr. Die Fertigung selbst verbraucht kaum Wasser, weil die Batterien angeliefert werden. Aber das Werk mit rund 1.000 Arbeitsplätzen werde für Hygiene und Alltag Trinkwasser in Anspruch nehmen und komme als neuer Wassernutzer an den Standort.

Die Bürgerinitiative befürchtet mit dem Werk und seinen möglichen Erweiterungen eine Gefahr für die ländlich-dörflichen Strukturen und Schäden in der Kornkammer Bayerns. Die vergangenen Sommer haben gezeigt, wie fragil die Kornkammer bei der Erzeugung von Lebensmitteln ist.

Was sagt BMW?

Die Bürgerinitiative ist schon vor offizieller Bekanntgabe der Aufgalopp für einen Streit in der bayerischen Kornkammer. Regionale Umweltverbände haben sich noch nicht eingeklinkt. Mit Blick auf die Erweiterungspläne der Stadt München in die nördlichen Ackerregionen wird das nicht lange auf sich warten lassen. Was aber sagen die Automobilbauer? Herd-und-Hof.de hat nachgefragt.

Zur Standortfrage

„Die BMW Group treibt die Elektromobilität voran und wird ab 2025 damit beginnen, die nächste Generation an Elektrofahrzeugen, die sogenannte Neuen Klasse produzieren. Für die Versorgung der bayerischen Werke Dingolfing, München und Regensburg mit den entsprechenden Hochvoltbatterien benötigen wir einen passenden Produktionsstandort. Dieser neue Standort trägt damit entscheidend zur Verkehrswende hin zur E-Mobilität bei.

„Die benötigten Produktions- und Logistikumfänge lassen sich leider nicht in unsere bestehenden Standorte integrieren. Wir habend diese Option intensiv geprüft, da sie auch für uns Vorteile hätte (kostengünstiger, logistisch einfacher). Wir haben an unseren bestehenden Standorten bereits massiv nachverdichtet.

„Eine gute logistische Anbindung an die bayerischen Werke ist ein wichtiges Auswahlkriterium für das Grundstück. Als Produktionsstandort kommt ein etwa 100 ha großes Industriegrundstück in Frage. Anfang 2024 soll der Bau beginnen.

„Wir sind mit der Standortsuche auf der Zielgeraden und führen aktuell verschiedene Gespräche mit Grundstückseigentümern und politischen Vertretern. Noch sind aber keine finalen Vereinbarungen erzielt bzw. Verträge unterzeichnet. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir uns derzeit nicht weiter im Detail zu einem möglichen Standort äußern können.“

Bei den Bau- und Werkstandards verweist der Konzern auf strenge ökologische und soziale Standards, die auch Umfeld und Region mit einbeziehen.

„Die BMW Group verfolgt ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept, das die gesamte Wertschöpfungskette eines Automobils von den Rohstoffen bis zum Recycling beinhaltet. Für alle Produktionsstandorte gilt daher, dass ausschließlich Grünstrom bezogen wird, der um lokale Energieproduktion z.B. durch Photovoltaik ergänzt wird. Für die Fertigung von Hochvoltbatterien wird grundsätzlich kein Wasser benötigt. Der CO2-Ausstoss soll auf ein Minimum reduziert werden, indem z.B. innovative Konzepte zur Gebäudeklimatisierung genutzt werden und E-Lkw zum Einsatz kommen. Der Flächenverbrauch soll durch ökologische Aufwertungsmaßnahmen im Nahbereich sowie durch Bepflanzungen auf dem Werksgelände ausgeglichen werden.

Öffentlichkeit

Offiziell ist die Standortfrage noch nicht entschieden. BMW wird die Öffentlichkeit informieren, sobald die Verträge unterschrieben sind. „Dann beginnt der eigentliche behördliche Genehmigungsprozess (mit Aufstellung Flächennutzungsplan, Bebauungsplan etc.), der dann auch unter ausführlicher Teilhabe der Öffentlichkeit stattfinden wird. Hier haben verschiedene Interessensgruppen die Möglichkeit, etwaige Vorbehalte und Anregungen einzubringen. Wir sind dafür sehr offen und auch dankbar.“

Niederbayern

Der BMW-Sprecher verweist auf das Engagement speziell in Niederbayern, wo die BMW Group seit Jahrzehnten mehr als 20.000 Menschen beschäftigt.

Roland Krieg

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