Textil-Bündnis gestartet

Handel

Gemeinsam für nachhaltige Textilien

Gebäudebrände, Gebäudesicherheit, der Einsatz giftiger Chemikalien, Löhne, mit denen Mitarbeiter kaum überleben können und weitere Missstände haben in den letzten Jahren die Textilindustrie in Erklärungsnot gebracht. Diese Herausforderungen sind nur im Schulterschluss mit Nichtregierungsorganisationen zu bewältigen. Deshalb hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bereits im April ein Textil-Bündnis angekündigt, das eine gemeinsame Plattform für die drängendsten Probleme sein will [1].


Am Donnerstag hat Minister Dr. Gerd Müller das Startsignal gegeben. Unternehmen, die sich dem Bündnis anschließen, verpflichten sich, ihre Textilien nachhaltig zu produzieren. Dazu gehört die Kontrolle der ersten Zuliefererstufe in den Ländern selbst. Oft aber fehlt den Unternehmen der Zugriff auf noch weiter vorgelagerte Bereiche. Am Ende bis zu den Baumwollbauern. Das weiß auch Dr. Müller: Dieser Zugriff stellt „eine größere Herausforderung das, da hier in der Regel keine direkten Geschäftsbeziehung besteht und es sich um global arbeitsteilige und komplexe Produktionsprozesse handelt“. Es gebe aber einzelne Ansätze, die auch diesen Zugriff ermöglichen.

Bei den Chemikalien will das Textil-Bündnis realistisch bleiben: Schädliche Chemikalien sollen verbannt oder auf einen technisch möglichen Grenzwert reduziert werden. Zunächst geht es um die Nassprozesse, bei denen belastetes Wasser in die Umwelt abfließt. Bis Jahresende will eine Arbeitsgruppe Details dazu vorlegen.

Der Start des Textil-Bündnisses setzt weitere Arbeitskreise in Gang. Einer soll noch eine Kommunikationsstrategie ausarbeiten, damit Verbraucher die Textilien des Bündnisses erkennen und bewerten können.

Das ist einer der Knackpunkte auch dieses Verbesserungsbündnisses. Am Ende muss der Kunde an der Kasse über die Ware auch die Anstrengungen entlohnen. Sonst schläft es wieder ein. Angesichts des irischen Textildiscounters Primark, dessen Filialeröffnungen enthusiastische Käuferanstürme auslösen, Hemden für zwei und Hosen für zehn Euro zu erhalten, muss die Kommunikationsstrategie in den Vordergrund rücken. Bewusstseinsbildung ist vonnöten – sonst verurteilen Verbraucher zwar die „nicht artgerechte“ Tierhaltung, kaufen dann aber noch schnell ein „Schnäppchen-Hemd“.

Kritik am Textil-Bündnis hatte es bereits im April gegeben. Greenpeace hat mittlerweile nachgelegt. Vor allem die Standards für giftfreie Textilien fallen hinter den ihren Standards zurück. Die Umweltaktivisten hatten sich in den letzten Monaten mehrfach in den Gründungsprozess eingemischt und Listen mit Risiko-Chemikalien vorgelegt, die schnell verboten werden könnten. „Anders als angekündigt, lässt Herr Müller den Giftschrank der Industrie offen und gefährdet damit weiterhin unsere Gesundheit und Umwelt“, erklärte Textilexpertin Kirsten Brodde. Greenpeace hat sich unter anderem deshalb dem Bündnis nicht angeschlossen.

Dr. Müller dazu: „Mit unserem Bündnis der Fairness wird Entwicklungspolitik ganz konkret. Dabei respektiere ich die Haltung verschiedener Verbände und Unternehmen, die sich mehr Zeit für die Entscheidung lassen wollen, ob Sie dem Textilbündnis beitreten wollen. Unsere Türen stehen offen, sich jederzeit an dem Prozess zu beteiligen und dem Bündnis beizutreten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir schnell zahlreiche weitere Teilnehmer gewinnen werden. Denn kein verantwortlich handelndes Unternehmen wird sich dem Anspruch auf Dauer versagen können, für seine Lieferketten Öko- und Sozialdumping und Kinderarbeit auszuschließen.“

Das INKOTA-Netzwerk nimmt, die Einladung an und ist Mitglied des Textil-Bündnisses. Aus Sicht der „Kampagne für saubere Kleidung“ ist das ein „wichtiger Schritt, weil das Bündnis sich auf einen Umsetzungsplan für Öko- und Sozialstandards geeinigt hat“. INKOTA ist zusammen mit Südwind, CIR und FEMNET Trägerorganisation der Kampagne. Ihre Kritik richtet sich vor allem an die Unternehmen. So sind die Unternehmensverbände Gesamtverband Textil+Mode, Germanfashion, AVE und HDE kurz vor der Gründung aus dem Prozess wieder ausgestiegen. Auch ein Großteil der Textilunternehmen nimmt die vorgeschlagene Verantwortung nicht wahr, beklagt Kampagnenkoordinatorin Christiane Schnura.

Zumindest der Handelsverband Deutschlands (HDE) hat sich dazu geäußert. Der deutsche Einzelhandel unterstütze zwar das Bündnis, doch derzeit „noch nicht geeignet, Verbesserungen für die in Schwellenländern arbeitenden Menschen in der notwendigen Breite zu erreichen.“ Unabdingbar sei es, realistische und umsetzbare Ziele zu formulieren, die nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern für die Mehrheit der Textilhandelsunternehmen tragfähig sind, erklärt der HDE weiter. Zusammen mit dem HDE haben Adler, Aldi, C&A, EDEKA, Ernsting´s, KIK, Metro, Otto und Tchibo deshalb eine Absichtserklärung für eine Zusammenarbeit unterzeichnet, an einer weiteren Konkretisierung des Textil-Bündnisses mitzuarbeiten. Müllers Erläuterungen seien ein Schritt in diese Richtung.

Lesestoff:

Eine eigene Seite hat das Textil-Bündnis noch nicht. Weiterführende Informationen finden Sie unter www.bmz.de

[1] BMZ kündigt Textilbündnis an

Roland Krieg

Zurück