Tierwohl-Initiative oder Label-Dschungel?

Handel

Was wollen Verbraucher über Tierwohl wissen?

Es gibt mehrstufige Siegel, die verschiedene Intensitäten des Tierwohls abbilden. Zusammen genommen erreichen sie gerade einmal ein Prozent Marktanteil. Die freie Wahl zwischen gelabelten und ungelabelten Initiativen hat zu keiner Kurskorrektur auf dem Markt geführt. Schon alleine deshalb bietet die Initiative Tierwohl als Massenbilanzsystem, mit dem Kauf von Ökostrom vergleichbar, eine „anonyme“ Tierwohl-Politik an, die Kunden beim täglichen Einkauf „nebenbei“ erledigen. Das System steht und fällt entweder, weil es durch ein schwarzes Schaf zu Fall gebracht wird, oder durch anhaltende Kritik. Ein Rückfall auf das Label-System wäre auch einer.

Der Erfolg resultiert aus der Masse an kleinen Verbesserungen. Deshalb zählt die Initiative Tierwohl den Abschluss der Anmelderunde nicht nur die teilnehmenden Betriebe (2.142), sondern auch die Zahl der „teilnehmenden Schweine“ (12.030.514). Anmeldungen lagen für mehr als doppelt so viele Tiere vor. Für Geschäftsführer Alexander Hinrichs ist die große Zahl an nicht berücksichtigten Betrieben ein erster Erfolg für die Initiative. Und: „Die deutschen Landwirte haben Tierwohl auf der Agenda.“ Die Verbraucher zahlen seit Jahresanfang vier Cent pro Kilogramm Schweinefleisch an der Ladentheke, die über einen Fonds den Betrieben zugute kommen, die nach der Anmeldung jetzt auditiert werden. Im Sommer startet das in den Nachbarländern erfolgreiche Modell der Massenbilanz auch auf dem Geflügelsektor.

Kritik gibt es nur an der verhaltenen finanziellen Ausstattung durch den Handel. Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen: „Mit einem völlig unterfinanzierten Fonds lässt er das bemerkenswerte Engagement vieler Bäuerinnen und Bauern ins Leere laufen.“ Die Grünen-Kritik ist weg von der Landwirtschaft!

Informationen für Betriebe auf der Warteliste

• Betriebe auf der Warteliste können bei ihrem Bündler erfragen, an welcher Stelle sie sich befinden.

• Sie haben die Möglichkeit, sich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten von der Initiative Tierwohl abzumelden, sind dann aber für zwei Jahre für die weitere Teilnahme an der Initiative gesperrt.

• Wenn der Standort bei der ersten Anfrage abgelehnt wurde, bekommt der Betrieb die Gelegenheit zur Anpassung der Daten. Der Betrieb darf über den Bündler ab diesem Benachrichtigungszeitpunkt sowohl die Tieranzahl als auch die Checkpunkte anpassen. Die nächste Anfrage findet dann mit den aktualisierten Daten statt (täglicher Abgleich). Die Daten können so lange angepasst werden, bis die Auditerlaubnis erteilt wurde. Danach dürfen Tieranzahl und Checkpunkte nicht mehr geändert werden.

• Betriebe, die auf der Warteliste stehen, können – sobald sie die Zulassung zur Auditierung erhalten – einmalig den Umsetzungszeitpunkt ändern, ohne dass sie wieder auf eine Warteliste kommen würden. Dieser Umsetzungstermin kann um bis zu fünf Monate (gerechnet ab der Bekanntgabe über die Zulassung zur Auditierung) nach hinten verschoben werden.

Ohne Label geht es nicht?

Die InitiativeTierwohl hat den Wunsch nach einem neuen Label nicht beendet. Die Ausschüsse Agrar und Verbraucherschutz beschäftigen sich mit einem Antrag der Bundesgrünen, für Fleisch eine neue Labelstufe einzuführen, die mit der für Eier vergleichbar ist. Dann ginge es um die Haltungsform und die Entscheidung sei zurück an die Ladentheke gelangt, verteidigte Nicole Maisch den Antrag im Bundestag. 0,1,2 und 3 geben „klar darüber Auskunft“, wie die Tiere gehalten werden, und woher das Fleisch stammt.

Selbst für Alois Rainer (CSU) „hört sich im Grunde genommen“ der Vorschlag „gar nicht so schlecht an“. Allerdings habe eine Umfrage bei Verbrauchern nach Einreichung des Antrages gezeigt, dass das Vertrauen bei Verbrauchern ohne zusätzliches Label bereits gestiegen ist. Label würden verunsichern und Kunden sollen wahrheitsgemäß über die landwirtschaftliche Nutztierhaltung aufgeklärt werden.

Mehr als ein Haar in der Suppe hat Karin Binder (Die Linke) gefunden. Müssten nicht die Haltungsformen für Rinder, Ziegen, Schweine oder Schafe und sogar Enten noch zusätzlich unterschieden werden? Es fehle an jeglicher Definition, was genau hinter den Zahlen stehen soll. Ein weiteres Problem sind verarbeitete Produkte, die tierische Bestandteile enthalten. Ein neues Label führe zudem zu Einordnungsproblemen der schon nicht wenigen existierenden Verbandssiegel.

Christina Jantz von der SPD legt Wert auf die Preis-Frage. Bei der Initiative Tierwohl seien die Landwirte unsicher, ob die vier Cent die Investitionen begleichen könnten. Sie plädiert für höhere Lebensmittelpreise, die den Landwirten erst Spielraum geben, in ein höheres Tierwohl zu investieren.

Johannes Röring (CDU) verteidigt die Initiative ohne Label, an der er entscheidend mitgewirkt hat. Label teilen Bauern in „gute“ und „schlechte“ ein. Besser sei, „das Niveau insgesamt anzuheben“. Röring sieht die Erfolge aber auch als Anreiz für den Handel „mehr zu tun. Es können alle Vertreter des Handels mitmachen, es sind noch nicht alle dabei.“

Mitmach-Aktion der Schweinehalter

Wer genau mit „alle“ gemeint wird, demonstriert die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN).

Wirklich alle, die in irgendeiner Form die Nachhaltigkeit auf ihrem Schild führen und irgendwelche Schweinefleischanteile verkaufen. Wie beispielsweise das schwedische Möbelhaus mit seinen Hackfleischbällchen. Philipp Schulze Esking, der bei ISN die Kampagne gestartet hat, will damit den gesamten Handel, der mit Lebensmitteln Geld verdient, ansprechen. Ikea-Klopse wären kein schlechter Deal. Weltweit verkauft das Systemmöbelhaus in seiner Systemgastronomie 150 Millionen Köttbullar. Die gesamte Lebensmittelsparte trägt etwa 1,5 Milliarden Euro zum Gesamtertrag bei. Sektorales „Wegducken“ im Bereich des Gesellschaftswohls lässt Schulze Esking nicht gelten. Ikea Deutschland bezieht sein gemischtes Hack aus Spanien und Deutschland. Die Nachhaltigkeitsmarke der Schweden heißt „People & Planet“: „Wir wollen uns positiv auf Menschen und Gesellschaft auswirken“. „People, Pigs & Planet“ heißt es wohl demnächst.

Roland Krieg

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