Trump ohne Rücksicht auf eigene Wähler
Handel
„Farmers for Free Trade“
Freihandel im Sinne neoliberaler Schrankenlosigkeit ist nicht die Lösung von Armut, Hunger und Ungleichheit. Abschottung löst die Probleme aber auch nicht. Fairer Handel entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist nicht Sache des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Nachdem sein Landwirtschaftsminister Sonny Perdue die US-Farmer bereits zum „Beten“ aufgefordert hatte [1], haben die jetzt die Kirchenbänke verlassen und stellen sich immer mehr gegen den Präsidenten, der seinen Wahlsieg auf ländlichen Stimmen feiern durfte.
Farmer fürchten Trumps Politik
Brent Bible baut auf 2.000 Hektar Sojabohnen und Mais an und formuliert es so: „Ich unterstütze Trumps Administration, bin aber ernsthaft über seine Zoll-Maßnahmen im Handel besorgt.“ Bible sagt es keinem Fachmagazin, keiner regionalen Zeitung, er sagt es in einem 30-Sekunden-Werebspot, der unter anderem auf Fox, CNN und MSNBC läuft. Bible und viele andere Farmer gehören der Bewegung „Farmers for Free Trade“ an, die der ehemalige demokratische Senator Max Baucus in Montana gegründet hat [2].
Der Spot mit Brent Bible startete am 30. März und folgt den Befürchtungen der amerikanischen Soja-Vereinigung: „Vergeltungsmaßnahmen, die Nachfrage und Preise verringern, wirken sich negativ auf die ländlichen Regionen aus, für die der Agrarexport lebenswichtig ist.“
Peking trifft Schweinemarkt
Am Montag hat Peking die Gegenmaßnahmen auf die US-Strafzölle für Stahl und Aluminium formuliert. Gegenmaßnahmen gehören zur erlaubten Handelspolitik und werden bei der Welthandelsorganisation WTO notifiziert. Die Gegenmaßnahmen sollen Schmerzen zufügen, um den Auslöser an den Verhandlungstisch zu bringen. Wie weit sich die Büchse der Handels-Pandora öffnet ist derzeit offen – aber sie folgt festen Regeln.
Die Zollkommission Pekings hat Zölle auf 128 US-Waren in Höhe von 15 Prozent beschlossen. Aus dem Agrarbereich sind Wein, Früchte und Schweinefleisch mit sogar 25 Prozent Zoll betroffen. Peking hat wohl dosiert und wird genau getroffen. Die Sojabauern können aufatmen, aber die Schweinehalter hat es erwischt. Erst Anfang März hat die US-Jahresinventur bei Schweinen ein Plus von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr ergeben. Von den 79,2 Millionen Schweinen werden 66,7 Millionen für den Markt im In- und Ausland gemästet und 6,2 Millionen Sauen sorgen für Nachwuchs. Zwischen Dezember 2017 und Februar 2018 wurden 32,3 Millionen Ferkel von ihren Sauen abgesetzt und versorgen den Markt mit einem Plus von vier Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Die meisten Schweine stehen in Iowa und zählen 22,6 Millionen Stück. Es folgen North Carolina und Minnesota mit knapp neun Millionen Schweinen. So viele gab es seit 2009 noch nie in den USA.
Darf Deutschland sich freuen?
Ohne Exportventil steht die Branche vor einer sehr schweren Zeit. Im letzten Jahr haben die USA Schweinefleisch im Wert von 20,23 Milliarden US-Dollar exportiert. Doppelt so viel wie 2006. Der größte Treiber war die Nachfrage aus China. Trotz eines Minus von 17 Prozent im letzten Jahr haben die US-Exporteure 2,45 Milliarden US-Dollar in Peking verdient. 58 Prozent mehr als 2015, wie die Vereinigung der Schweinehalter bilanziert.
Die Neuverhandlung des Freihandelsabkommen mit Südkorea führt jetzt alle Schweinefleischexporte zollfrei ins Land, aber ob Südkorea umgelenkte Ware aufnehmen kann, ist offen. Schwein- und Rindfleisch summierten sich für 2017auf 1,7 Milliarden US-Dollar. Für die Europäer geht es anders herum: Die Strafzölle Pekings geben europäischem Schweinfleisch mehr Luft für China, das Umlenken amerikanischen Schweinefleisches auf andere Märkte erhöht dort den Preisdruck.
Trumps Wehklagen über Chinas Agrarpolitik
Gregg Doud vertritt im Büro der US-Handels-Repräsentanten die Landwirtschaft. Erst am 22. März hat er die chinesische Lagerhaltung kritisiert. China lagert rund 40 Prozent der Weltweizenvorräte, 66 der von Reis und 46 für Baumwolle. Die marktverzerrenden Einlagerungen summierte Doud auf bislang 100 Milliarden US-Dollar. Die Lagerreserven Chinas treffen aber nicht nur die USA. Andere Länder sind in der Lage, damit umzugehen. Bei Mais sind seit Jahren Stimmen zu hören, dass die Qualität durch die lange Lagerung stark gelitten habe.
Die Lagerbestände sind es nicht allein, die Einflüsse auf den Weltmarkt haben. Die letzten aktuellen Marktberichte des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) für Baumwolle, Weizen und Reis erzählen ganz andere Geschichten.
Bei Baumwolle wird der Welthandel für das laufende Geschäftsjahr mit 38,8 Millionen Ballen rund vier Prozent über dem Niveau des Vorjahreszeitraums liegen. Steigende Importe von Bangladesch (7,4 Millionen Ballen) und Vietnam (6,7 Millionen Ballen) stützen die Preise wie auch China mit einem Import von 5,1 Millionen Ballen. Der Verbrauch an Baumwolle liegt weltweit bei 120,8 Millionen Ballen. Die weltweiten Lagerbestände steigen jährlich um rund ein Prozent. Liegen aber deutlich unter den Werten aus den Jahren 2013 und 2014 mit 110 Millionen Ballen. Vernachlässigbar sind die chinesischen Lagerbestände nicht. Das Land importiert aber auch steigende Mengen an Garn, das im laufenden Jahr rund 8,5 Millionen Baumwollen-Ballen-Äquivalenten entspricht.
Auch bei Weizen bietet die chinesische Lagerhaltung eine eingeengte Sicht auf die Märkte. Während die Chinesen lediglich 0,23 Millionen Tonnen aus ihren Weizenlägern geholt haben, verkaufte Russland aus seinen Beständen 1,51 Millionen Tonnen. Einen Aufbau von Weizenbeständen hingegen gab es in den USA mit 0,68 Millionen Tonnen. Die niedrigen Preise im Weizengeschäft werden durch einen intensiven Handel in Höhe von 184,4 Millionen Tonnen für das Geschäftsjahr 2017/18 bestimmt. Das entspricht nach Angaben des USDA einem neuen Allzeit-Rekord [3]. Was Indonesien mehr verbraucht, wird in Indien weniger konsumiert. Hohe Preise senken dort den Verbrauch auf dem Subkontinent um zwei auf 93,0 Millionen Tonnen im laufenden Jahr.
Myanmar ist beim Reis wieder zurück. Vor dem Zweiten Weltkrieg stammte der meiste weltweit gehandelte Reis aus dem heutigen Myanmar. Mit 3,3 Millionen Tonnen im laufenden Geschäftsjahr knüpft das Land an seine Tradition an. China ist wichtigster Versorger Afrikas und des Mittleren Osten für Langkornreis und exportiert rund 1,6 Millionen Tonnen. Indien schlägt alle und wird 2018 etwa 12,5 Millionen Tonnen Reis verschiffen. Vietnam exportiert mit 6,7 Millionen Tonnen die höchste Menge seit 2013 [4]. Preislich hat der Import Chinas keinen Einfluss auf den Weltmarkt, da die Importmenge mit 5,5 Millionen Tonnen unverändert hoch bleibt. Impulse hingegen setzte Indonesien mit dem Kauf thailändischen Ware. Der allerdings wurde hoch subventioniert und hat den Preis real um zwei Prozent gekürzt.
Trump zerschlägt den Verhandlungstisch
Bei Stahl und Aluminium atmen die Europäer tief durch, weil sie möglicherweise von den Strafzöllen ausgenommen werden. Dafür redet jetzt alle Welt mit China, um die Überproduktion an Stahl endlich einmal zu reduzieren. Das Problem ist nicht neu und Trumps Vorgänger George Bush scheiterte bereits 2002 mit einer Lösung über Strafzölle. Trump wird sich in seiner Handelswelt als Sieger küren, wenn sich das Stahl-Problem durch seine Twitter-Politik tatsächlich lösen sollte.
Dem ist aber nicht so. Denn gleichzeitig zerschlägt Trump den Verhandlungstisch, an den er „seine Gegner“ locken will. Die USA verzögern die Nachbenennung amerikanischer Berufungsrichter bei der WTO. Gregg Doud und Trump führen wortgewaltig die unfairen Subventionspraktiken Chinas gegenüber der WTO ins Feld, untergraben aber gleichzeitig das internationale Handelsrecht, wie Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie am Ostermontag in Berlin sagte. „Mit der leichtfertigen Blockade der WTO-Streitschlichtung, fragwürdigen Zollandrohungen und sogenannten Schutzzöllen führt die US-Regierung das regelbasierte, multilaterale Handelssystem an den Abgrund“, warnte Kempf. „Statt multilateraler Problemlösung auf Basis gemeinsamer Regeln droht die Rückkehr des Rechts des Stärkeren mit unabsehbaren Folgen für den Welthandel“. Kempf sieht dringenden Handlungsbedarf bei der Reform der WTO.
Handlungsbedarf in der amerikanischen Handelspolitik äußern immer lauter auch schon die amerikanischen Farmer.
Lesestoff:
[1] US-Stahl macht Landmaschinen teurer: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/perdue-fordert-us-farmer-zum-beten-auf.html
[2] https://farmersforfreetrade.com
[3] Indonesien importiert mehr Weizen: https://herd-und-hof.de/handel-/indonesien-ueberholt-aegypten-bei-weizenimporten.html
[4] Strukturwandel Reisanbau in SO-Asien: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/strukturwandel-in-so-asiens-reisproduktion.html
Roland Krieg